Kritik an Bauministerin:"Die Staatsregierung könnte sofort handeln"

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Kerstin Schreyer (CSU) ist nicht nur Ministerin für Wohnen, sondern auch für Bau und Verkehr. (Foto: Sven Hoppe/picture alliance/dpa)

Bauland für Wohnungen, Regeln für Eigentümer? Ein Bundesgesetz bietet Kommunen Eingriffsrechte in den Markt, doch die Umsetzung in Bayern blieb bisher aus. Die Opposition wähnt eine Verschleppung zum Schaden von Mietern.

Von Johann Osel, München

Beispiel Berlin. Die Stadt beschränkt die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum, über einen Genehmigungsvorbehalt bei bestehenden Gebäuden mit fünf Wohnungen oder mehr. Auch der Senat in Hamburg beschloss Änderungen - mit Baugeboten, die Wohnungsbau anordnen können, und gestärkten kommunalen Vorkaufsrechten für Grundstücke. Die Grundlage dafür bietet das sogenannte Baulandmobilisierungsgesetz, das seit Juni bundesweit gilt. "Chancen für mehr bezahlbaren Wohnraum" oder "Schlagkraft im Vorgehen gegen Spekulation" versprechen sich die beiden Stadtstaaten von der Novelle. Und in München? Die bayerische Staatsregierung scheint keine Eile bei der Umsetzung maßgeblicher Punkte des Gesetzes zu haben. Das löst jetzt Kritik aus.

Die Umsetzung werde derzeit "unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Aspekten sorgfältig geprüft und abgewogen", heißt es auf Anfrage der SZ im Bauministerium von Kerstin Schreyer (CSU). Keine Eile? Ach was, "anscheinend keine Lust", kritisiert Natascha Kohnen, wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. "Diese Verschleppung ist grotesk", zum Schaden der Kommunen und letztlich der Mieter werde wohl "über Monate nichts geschehen"; oder am Ende womöglich gar nichts.

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Ein Großteil des Bundesgesetzes tritt automatisch in Kraft, ohne Spielraum für die Länder. Anders bei der erschwerten Umwandlung in Eigentum, Vorkaufsrecht und Baugeboten für "angespannte Wohnungsmärkte", die durchaus als Eingriffe in den freien Markt zu deuten wären: Hier schafft das Gesetz aus dem Haus von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nur eine Ermächtigung für die Länder. "Damit entscheidet die jeweilige Landesregierung über die Einführung eines solchen Umwandlungsverbots", heißt es im Bauministerium in München. Ob Bayern davon Gebrauch machen und wie eine Verordnung inhaltlich ausgestaltet werde, sei eben in der "Prüfung" - ohne fixen Terminplan.

In der Antwort auf eine Plenumsanfrage des Grünen-Abgeordneten Jürgen Mistol hieß es auch, dass "die Meinungsbildung innerhalb der Staatsregierung noch nicht abgeschlossen" sei; außerdem wolle man vor Erlass einer Verordnung die Kommunen anhören. "Die Staatsregierung könnte sofort handeln", meinte Mistol dazu. "Kommunalfreundlich geht anders." Die CSU verweigere den Kommunen dringend benötigte Maßnahmen, bilanziert auch die SPD-Wohnexpertin Kohnen. "Gerade in Bayern gibt es viele Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten, wo unbedingt Bauland für bezahlbaren Wohnraum mobilisiert werden müsste." Das Bundesgesetz sei daher ohne Verzögerung umzusetzen.

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Die Staatsregierung hatte sich im Zuge der Gesetzgebung zwar in der Wortwahl etwas zurückgehalten; wohl, weil die Novelle ja aus dem Ressort des CSU-Ministers Seehofer stammt. Die Kritik war aber unzweideutig: Das Gesetz verfehle den Zweck zur Baulandmobilisierung, teilte Bayerns Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) etwa im Mai mit, es "weist mit seinen weitgehenden Eingriffen in das Eigentum eine investitionsfeindliche Ausrichtung auf". Es werde "viel über Miethaie diskutiert, aber es gibt auch viele Menschen, die Wohneigentum als wichtigen Baustein zu ihrer privaten Altersvorsorge nutzen". Der baupolitische Sprecher der CSU im Landtag, Jürgen Baumgärtner, wollte das "Wohneigentum-Verhinderungsgesetz" noch "stoppen".

Nun ist es beschlossen, Druck kommt etwa aus der Mieter-Lobby. Schreyers "Weigerung" zeige, dass der Freistaat "anscheinend wenig bis gar nicht an der Situation der Mieterinnen und Mieter in Bayern interessiert ist", rügte der Deutsche Mieterbund (DMB) in Bayern. Der DMB Nürnberg teilte zuletzt mit: Ohne Umsetzung des Gesetzes seien die Kommunen am Wohnungsmarkt "weiterhin zum bloßen Zuschauen" verdammt. Tatsache sei, dass spekuliert werde - dafür seien Regeln nötig. Wer ein bebaubares Areal besitze, könne Jahre abwarten und zuschauen, wie sich der Wert von alleine vermehre - "während andere händeringend eine Wohnung suchen und wieder andere die Wohnungsknappheit mit hohen Mietforderungen ausnutzen".

Dass es Baulandmangel keineswegs nur in Großstädten gibt, erörterte Uwe Brandl (CSU), Gemeindetagspräsident und Bürgermeister im niederbayerischen Abensberg, kürzlich in einem Aufsatz in der Bayerischen Staatszeitung. Eine mittelgroße Gemeinde in Oberbayern etwa habe dem Gemeindetag mitgeteilt, ihr lägen für ein kleines Grundstück zum Einfamilienhausbau 750 Interessenbekundungen vor. Und Städte und Gemeinden müssten nun erleben, wie das Bundesgesetz "mitsamt seiner gemeinwohlorientierten Steuerungselemente für mehr Innenentwicklung und preisgedämpften Wohnraum torpediert" werde.

© SZ vom 16.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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