Süddeutsche Zeitung

Initiative:Bayern will Tierärzte aufs Land locken

Immer mehr Veterinärmediziner geben auf: Um den Schwund zu stoppen, plant Umweltminister Glauber Niederlassungsprämien und einen neuen Master-Studiengang, um das Wohlergehen von Nutztieren zu fördern.

Von Christian Sebald

Weite Wege zu den Bauernhöfen, regelmäßige Notdienste an Wochenenden und Feiertagen, dazu oft stundenlange nächtliche Einsätze, wenn zum Beispiel eine Kuh Probleme beim Kalben hat, und eine vergleichsweise schlechte Bezahlung: Der Beruf des Landtierarztes ist wenig attraktiv. So wenig attraktiv, dass in den letzten sechs Jahren ein Drittel der Landtierärzte in Bayern aufgegeben haben. 2014 wurden noch etwa 1200 Landtierärzte gezählt, aktuell sind es 820. Weitere Praxisaufgaben sind programmiert, weil viele Landtierärzte kurz vor dem Ruhestand und ohne Nachfolger sind.

Um den Schwund zu stoppen, hat Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) jetzt das "Zukunftskonzept Landtierärzte" gestartet. Es soll die flächendeckende Versorgung mit Landtierärzten garantieren. "Für den bestmöglichen Tierschutz in der Landwirtschaft brauchen wir nicht nur engagierte Bauern und effiziente Kontrollen", sagt Glauber, der als Umweltminister auch für das Tierarztwesen in Bayern zuständig ist. "Sondern eben auch eine gute Versorgung mit Landtierärzten."

Glaubers Konzept umfasst fünf Punkte. Eine groß angelegte Bedarfsanalyse, die an die Ludwig-Maximilians-Universität in München vergeben worden ist, soll die Entwicklung aufzeigen, vor der das Tierarztwesen in Bayern in den kommenden Jahren steht. Analog zur Landarztquote in der humanmedizinischen Ausbildung prüft Glauber die Einführung einer Landtierarztquote. Das heißt, dass eine bestimmte Zahl der Tiermedizin-Studienplätze für Studenten reserviert werden, die sich verpflichten, nach dem Studium eine bestimmte Zeit auf dem Land zu arbeiten. Und es soll Niederlassungsprämien geben und höhere Vergütungen. Letzteres ist freilich Sache des Bundes. Bayern will aber bei der aktuellen Überarbeitung der tierärztlichen Gebührenordnung dort seinen Einfluss geltend machen, dass die Honorare spürbar angehoben werden.

Glauber plant aber auch Fortbildungen für etablierte Landtierärzte. Seine Begründung: "Mehr Wissen heißt mehr Tierschutz." Das ist durchaus vor dem Hintergrund der großen Tierschutzskandale im Allgäu zu sehen. Tierrechtsaktivisten deckten dort von Juli 2019 an etliche massive Verstöße auf insgesamt fünf großen Milchviehbetrieben auf. Unter anderem war auf den Videos zu sehen, wie Kühe wie leblose Gegenstände im Stall herumgeschleift wurden oder in einem Krankenstall verendeten. Gegen zwei Landwirte hat die Staatsanwaltschaft Memmingen bereits Anklage erhoben, die Ermittlungen gegen die anderen dauern an.

Nach Glaubers Überzeugung kommt den Landtierärzten eine Schlüsselrolle beim Tierschutz in der Landwirtschaft zu. Damit sie diese ausfüllen können, will er den neuen Masterstudiengang "Tiergesundheitsmanagement" einrichten. In dessen Zentrum steht das Wohlergehen der Nutztiere. Der Aufbaustudiengang richtet sich an approbierte Tierärzte und soll interdisziplinär angelegt werden. Wenn alles klappt, läuft er schon 2021 an. Außerdem richtet Glauber ein Spezialistennetzwerk ein, das Tierärzte in ihrer Alltagsarbeit unterstützen und fortbilden soll - durch Schulungen ebenso wie durch Fachvorträge.

Von den Tierärzten kommt positive Resonanz. "Die Initiative ist absolut sinnvoll und überfällig", sagt Siegfried Moder. Er ist seit 36 Jahren Landtierarzt im oberbayerischen Steingaden, Präsident des Bundesverbands praktizierender Tierärzte und in zahlreichen anderen Standesorganisationen tätig. Auch der Geschäftsführer der bayerischen Landestierärztekammer, Axel Stoltenhoff, lobt den Vorstoß. Ihm geht es vor allem um den Tierarzt-Nachwuchs. "Der Mangel ist inzwischen so groß, dass bei uns auch Kollegen aus Syrien, Russland und sogar Brasilien arbeiten", sagt er. "Wenn das flächendeckende Landtierarzt-System Bestand haben soll, muss dringend etwas passieren." Der Bauernverband begrüßt die Initiative laut Verbands-Generalsekretär Georg Wimmer ebenfalls als "dringend nötig".

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SZ vom 17.11.2020/van/syn
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