Umwelt:"Jeder Polder kann Leben retten"

Bilanz der Flutkatastrophe

Der Deggendorfer Stadtteil Fischerdorf wurde völlig überschwemmt. Etliche Häuser standen meterhoch in der schmutzigbraunen Flut.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Eine Studie belegt die Wirksamkeit der Flutbecken bei Hochwasser. Umweltminister Glauber muss allerdings Gegner überzeugen - auch in den eigenen Reihen.

Von Christian Sebald

In der Debatte um den Hochwasserschutz an der Donau hat Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) abermals auf einen schnellen Bau der umstrittenen Polder Bertoldsheim und Wörthhof gedrängt. Die weitläufigen Bauwerke mit einem Fassungsvermögen von bis zu 30 Millionen Kubikmeter Wasser seien ohne Alternative, wenn es darum gehe, die Bevölkerung vor Katastrophen wie dem Jahrtausendhochwasser 2013 an der Donau bei Deggendorf und Passau zu schützen. "Wir setzen beim Hochwasserschutz auf die Wissenschaft", sagte Glauber anlässlich der Präsentation einer neuen Untersuchung. "Die aktuelle Polderstudie zeigt: Flutpolder wirken und sie sind notwendig für den bestmöglichen Hochwasserschutz an der Donau. Jeder Polder kann Leben retten."

Der Streit um die Flutpolder an der Donau geht seit vielen Jahren. Bei den Bauwerken handelt es sich um mehrere Hundert Hektar große Rückhaltebecken für ein extremes Hochwasser. Sie sollen nur dann geflutet werden, wenn die anderen Dämme und Deiche nicht mehr ausreichen. Die Hochwasserschützer versprechen sich von den Bauwerken zwei Effekte. Zum einen soll mit ihrer Hilfe der Scheitel der jeweiligen Hochwasserwelle gekappt werden - durch den Polder Bertoldsheim (Kreis Neuburg-Schrobenhausen) um etwa 20 Zentimeter bei Ingolstadt, und durch den neuen Polder Wörthhof (Kreis Regensburg) um bis zu 40 Zentimeter bei Straubing und ebenfalls 20 Zentimeter bei Deggendorf. Mit der Kappung des Scheitels geht ein Zeitgewinn von bis zu 60 Stunden für eine gefahrlose Durchleitung eines Hochwassers in der Donau einher.

Alternativen zu den Poldern, wie sie deren Gegner fordern, gibt es laut der neuen Studie nicht. Kleinere, dezentrale Rückhaltebecken an den Zuflüssen der Donau hätten bei einem insgesamt gleich großen Volumen nur einen halb so großen Effekt wie die Polder, besagt das Gutachten. Noch viel schlechter ist das Ergebnis für die Forderung nach einem besseren Management der Staustufen in der Donau, welche die Polder-Kritiker ebenfalls vehement vorbringen. Es brächte laut Studie nur zehn Prozent der Schutzwirkung von Poldern und sei nur für die Bewältigung kleiner Hochwasser geeignet.

Die Studie spricht sich denn auch klar für den Bau von neun Poldern entlang der Donau aus. Neu ist einzig, dass die bisher zwei Polder, die im Kreis Regensburg geplant waren - Eltheim und Wörthhof - zu einem in Wörthhof zusammengefasst werden sollen. Mit 30 Millionen Kubikmetern soll er das gleiche Fassungsvermögen haben wie die vormals zwei Polder. Allerdings soll er nur etwa halb so viel Fläche brauchen, weil das Wasser in ihm doppelt so hoch aufgestaut werden soll wie in dem vormals an der Stelle geplanten Bauwerk.

Den Widerstand der Polder-Gegner, allen voran der Regensburger Landrätin Tanja Schweiger und ihres Kollegen im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, Peter von der Grün (beide FW) wird Glauber nicht brechen können. Sie zweifeln die Schutzwirkung der Polder grundsätzlich an, außerdem haben die Bauwerke aus ihrer Sicht gravierende Nachteile für die örtliche Bevölkerung. Deshalb halten sie ihre Forderung nach dem Verzicht auf die Polder aufrecht, so wie ihn CSU und Freie Wähler in ihrem Koalitionsvertrag 2018 beschlossen haben. Auch CSU-Politiker, wie die Bundestagsabgeordneten Peter Aumer und Sylvia Stierstorfer, verlangen von Ministerpräsident Markus Söder, bei dem Aus für die Polder zu bleiben. Vize-Ministerpräsident und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der ebenfalls gegen die Polder war, hat indes seinen Widerstand aufgeben.

Wenn es nach Glauber gegangen wäre, hätte das Kabinett das neue Polder-Konzept bereits beschließen sollen. Angesichts des anhaltenden Widerstands hat Söder den Punkt unlängst aber von der Tagesordnung genommen. Nun soll Glauber erst einmal die Lokalpolitiker und die Bevölkerung in den jeweiligen Regionen informieren. Dazu plant der Minister zwei große Veranstaltungen Anfang nächster Woche, die eine davon digital. Der SPD-Landtagsabgeordnete Christian Flisek aus Passau sprach derweil von einem guten Tag für die Menschen an der Donau. Die Studie zeige: "Wirksamen Hochwasserschutz an der Donau gibt es nur mit Flutpoldern." Es sei gut, dass sich Glauber gegen Aiwanger durchgesetzt habe.

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