Gesundheitspolitik: "Wo kommen in Zukunft die Menschen her, die am Bett stehen?"

Gesundheitspolitik: Viele Bewohner von Pflegeheimen müssen oft zeitaufwendig versorgt werden. Das zehrt auch an den Kräften der Helfenden selbst.

Viele Bewohner von Pflegeheimen müssen oft zeitaufwendig versorgt werden. Das zehrt auch an den Kräften der Helfenden selbst.

(Foto: Marijan Murat/dpa)

Etwa 580 000 pflegebedürftige Menschen leben derzeit in Bayern. Mehr Plätze sind dringend notwendig, doch die wird es nicht ohne neue Pflegerinnen und Pfleger geben. Wie die Staatsregierung die Arbeitsbedingungen in den Heimen verbessern will.

Von Nina von Hardenberg

Gesundheitsminister Klaus Holetschek sparte am Dienstag nicht an Dramatik. Etwa 580 000 pflegebedürftige Menschen lebten derzeit in Bayern. Eine Millionen dürften es bis zum Jahr 2050 werden. "Wo kommen in Zukunft die Menschen her, die am Bett stehen?", fragte der Minister. Die Pflege könne zur "Schicksalsfrage" einer ganzen Generation werden, "wenn wir nicht jetzt die Weichen stellen".

Handeln aber will die Staatsregierung natürlich. Man werde die Arbeitsbedingungen für heimische Pflegerinnen und Pfleger verbessern. Wer als Ausländer in Bayern als Pflegekraft arbeiten will, soll künftig schneller anerkannt werden, versprach der Minister bei der Pressekonferenz. Zuvor hatte sich das Kabinett unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zum Thema Pflege beraten. Der Freistaat werde auch die Schaffung neuer Pflegeplätze weiter fördern, sagte Holetschek. 4000 neue oder umgebaute Pflegeplätze seien mit staatlicher Hilfe bereits entstanden, 8000 sollten es künftig werden.

Mehr Pflegeplätze sind dringend notwendig. Die Staatsregierung verspricht sie allerdings nicht zum ersten Mal. Innerhalb von fünf Jahren werde es in Bayern einen garantierten Pflegeplatz für jeden Pflegebedürftigen ab Pflegegrad II geben, verkündete der neu angetretene Ministerpräsident Söder 2018. "Damit geben wir den Menschen Sicherheit, die sich fragen, wer sie einmal versorgen wird, wenn die häusliche Pflege nicht mehr möglich ist", so Söder damals. Ein Versprechen, an das ihn auch die Opposition gerne erinnert. "Söder hat den Rechtsanspruch fallengelassen, genauso wie die Menschen, die darauf gehofft haben", sagte die SPD-Landtagsabgeordnete und Gesundheitsexpertin Ruth Waldmann.

Minister Holetschek reagierte denn auch ausweichend auf die Frage, was aus dem Rechtsanspruch geworden sei. "Das Ziel ist nach wie vor, dass jeder Pflegebedürftige einen Platz kriegen soll", sagte er. Man versuche nun aber auch die Pflege zu Hause und mit Hilfe von Stadteil-Schwestern und Ehrenamtlichen stärker zu fördern. Menschen, die das wollten, könnten dann auch zu Hause gepflegt werden.

Denn neue Pflegeheimplätze, das weiß auch der Minister, wird es nicht ohne neue Pfleger geben. Derzeit aber gelingt es Heimen und Kliniken schon kaum, die bestehenden Personallücken zu füllen. Vielleicht auch deshalb zielt das angekündigte Pflege-Paket vor allem auf das Personal. Es soll entlastet, psychisch besser betreut und von lästiger Bürokratiearbeit befreit werden, wie der Gesundheitsminister ankündigte.

Konkret will Bayern 7,5 Millionen Euro ausgeben, um sogenannte Springerpools aufzubauen. In diesen Pools sollen Pfleger angestellt sein, die jeweils spontan dort eingesetzt werden können, wo andere krank geworden sind. Dadurch könnte es weniger kurzfristige Dienstplanänderungen in den Heimen geben, so die Idee. Diese werden von den Mitarbeitern oft als belastend empfunden und gelten auch als einer der Gründe, warum die Arbeit in der Pflege so schwer mit einem Familienleben in Einklang zu bringen ist.

Krankenkassen müssten Kosten für Springer übernehmen

Die Pools werden zunächst nur als Modellprojekte an 30 Einrichtungen getestet. Langfristig aber sollen sie Teil der Regelversorgung werden. Die Krankenkassen müssten dann die Kosten übernehmen. Ein Notnagel sei das, kritisierte SPD-Landtagsabgeordnete Waldmann. Springerpools könnten Engpässe abfedern, aber dadurch werde kein einziger zusätzlicher Pfleger gewonnen. Auch seien die Springer nicht fest in den Alltag der Stationen eingebunden. Aus Sicht der kranken Menschen sei das aber wünschenswert.

Überfällig und wichtig nannte Waldmann dagegen die Pläne der Staatsregierung, die Anerkennungsverfahren bei ausländischen Pflegern zu beschleunigen. Die SPD habe dies seit Langem gefordert. Ausländische Pflegekräfte müssen die einzelnen Schritte ihrer Ausbildung kleinteilig nachweisen. Je nach Routine der zuständigen Anerkennungsbehörde könnten da schon mal eineinhalb Jahre vergehen, bis alles geprüft sei. Künftig sollen nun alle Anerkennungsverfahren von Pflegern zentral beim Landesamt für Pflege bearbeitet werden.

Ebenfalls zur Entlastung der Pflegekräfte soll künftig mehr psychische Hilfe angeboten werden. "Wir wollen in jedem Regierungsbezirk Anlaufstellen für psychosoziale Beratung", sagte Holetschek. Die Pflege der Pflegenden könnte auch helfen, den hohen Krankenstand in dieser Berufsgruppe zu senken. Beschäftigte der Altenpflege waren 2022 im Schnitt rund 33 Tage krank gemeldet. Der Durchschnitt aller Beschäftigten lag bei rund 18 Tagen. "Ein flächendeckendes, breites und niederschwelliges Angebot an psychosozialer Unterstützung sollte für Pflegende ebenso selbstverständlich sein wie beispielsweise für Feuerwehrleute", sagte der Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern, Georg Sigl-Lehner.

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