Anton Freiherr von Cetto ist nicht nur ein kerniger Niederbayer, sondern auch ein leidenschaftlicher Europäer. Aber wenn, wie kürzlich bei der Vergabe des Kurfürst-Karl-Theodor-Preises, die Rede auf die Pfalz kommt, dann geht ihm das Herz so richtig auf. "Einer meiner Urahnen war Diplomat in Diensten des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken", erklärte er dem Reporter sichtlich stolz. In der Tat wirkte sein gleichnamiger Vorfahr Anton Freiherr von Cetto (1756-1847) jahrelang als Gesandter in Paris. Damit der Reporter gar nicht erst auf die Idee kam, diesen Hinweis als belanglos abzutun, spielte Cetto einen weiteren Trumpf aus. Sein Ahnherr, sagte er, habe anno 1806 als erster deutscher Diplomat die Rheinbundakte unterzeichnet. Fürwahr, das ist bemerkenswert.
Bemerkenswert ist auch die Leistung des Münchner Historikers Stefan Schnupp, der im Lesesaal des Maximilianeums den bereits erwähnten Kurfürst-Karl-Theodor-Preis entgegennehmen durfte. Jahrelang erforschte er für seine Dissertation am Lehrstuhl für Bayerische Landesgeschichte der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität das pfälzische und bayerische Gesandtschaftswesen unter dem Kurfürsten Karl Theodor (1777-1799). Das Thema klingt zwar etwas speziell, aber das Ergebnis ist "eine sehr verdienstvolle Grundlagenforschung par excellence", wie Schnupps Doktorvater Ferdinand Kramer und Jurymitglied Daniela Neri-Ultsch (Historikerin an der Universität Regensburg) bei der Feierstunde betonten.
Schnupps Arbeit führt mitten hinein in jene Turbulenzen des späten 18. Jahrhunderts, die nicht nur den alten Cetto auf Trab hielten, sondern auch Bayern und die Pfalz zusammenführten. Nachdem der bayerische Kurfürst Max III. Joseph im Jahr 1777 von den Pocken hinweggerafft und damit die bayerische Linie der Wittelsbacher erloschen war, rückte der pfälzische Kurfürst Karl Theodor (1724-1799) an die Spitze des Kurfürstentums Bayern. Aus der Vereinigung der beiden wittelsbachischen Territorien ging quasi Pfalzbayern hervor.
Ganz allgemein ist die enge Verbandelung zwischen Bayern und der Pfalz etwas aus dem Blick geraten. Dabei stammt sogar der Löwe im bayerischen Wappen aus der Pfalz. Im 13. Jahrhundert hatte der Stauferkönig Friedrich II. den Bayernherzog Ludwig mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein belehnt und somit dem Pfälzer Löwen ins Wappen verholfen.
Dass die Pfalz von Bayern weit entfernt liegt, machte das Miteinander nicht leicht. Trotzdem: Nachdem die Siegermächte 1946 die Pfalz von Bayern abgetrennt hatten, setzte der Freistaat alles daran, die unter französischer Besatzung stehende Region wieder an sich zu binden. Immerhin lockte am Rhein die Wirtschaftskraft großer Konzerne.
Dass bayerische Landtagsabgeordnete 1950 den Bund der Pfalzfreunde in Bayern gründeten - alles vergeblich. Die Pfälzer wollten gar nicht mehr zurück. Bei einem Volksbegehren im Jahre 1956 votierten nur 7,6 Prozent der Stimmberechtigten für eine Wiederangliederung an Bayern.
Trotzdem sind die Verbindungen nicht abgerissen. Auf vielen Ebenen wurde das enge Verhältnis weiter gepflegt. Nach wie vor gibt es im Stab der Staatsregierung einen Pfalzbeauftragten, und seit 1949 bemüht sich der Landesverband der Pfälzer in Bayern um ein gedeihliches Miteinander. Auch der ähnlich klingende Bund der Pfalzfreunde in Bayern fördert auf vielfältige Weise die historisch gewachsenen Beziehungen. Unter anderem fördert er junge Künstler, und vor wenigen Tagen verlieh er zum dritten Mal den Kurfürst-Karl-Theodor-Preis für eine herausragende wissenschaftliche Arbeit zum Thema Bayern und Pfalz.
Da die Vorsitzende des Bunds der Pfalzfreunde, Landtagspräsidentin Ilse Aigner, verhindert war, oblag die ehrenvolle Aufgabe der Preisverleihung ihrem Stellvertreter Anton Freiherr von Cetto. Er würdigte Schnupp schon deshalb als idealen Preisträger, weil dessen Arbeit den Namensgeber Karl Theodor direkt in den Blick rücke.
Zurzeit richten sich die Blicke verstärkt auf diesen Kurfürsten, steht doch im Dezember dessen 300. Geburtstag an. Karl Theodor war ein Förderer der Gelehrsamkeit und der Naturwissenschaften und ein Mann, der, wie der Historiker Frank Matthias Kammel bei der Veranstaltung vortrug, viel zur Förderung des Spazierengehens beigetragen hat.
Spaziergänger dürfte es auch im ausgedehnten Gesandtschaftsnetz gegeben haben, das die Pfalz und Bayern in ganz Europa unterhielten. Mit 30 eigenen Gesandtschaften und bis zu neun ständigen Vertretungen am Münchner Hof besaß der Kurfürst ein großes Kommunikationsnetzwerk. Über die Politik hinaus verrät Schnupps Arbeit auch manchen Klatsch und Tratsch, zum Beispiel, dass etliche Diplomaten Freizeitstress hatten und eigene Boote auf dem Starnberger See besaßen. Über Philipp Nerius Graf von Lerchenfeld, den Gesandten am Reichstag, schrieb dessen Schwiegervater, der jülich-bergische Kanzler Nesselrode: "Therese heiratet den Grafen L., nicht gerade eine Leuchte, aber das Beste was sich in jenem Lande findet."
Aus der Arbeit geht zudem hervor, dass selbst Mozart in Paris und London in Kontakt mit den Diplomaten der Wittelsbacher kam. Während ihres Paris-Aufenthaltes 1763/64 übernachteten die Mozarts beispielsweise im Wohnsitz des kurbayerischen Gesandten Maximilian van Eyck.
Bei allem Aufbruch nach Europa aber bleibt auch festzuhalten, dass Karl Theodor in Bayern höchst unbeliebt war. Ihm blieb das Land fremd, er liebäugelte sogar damit, es gegen die österreichischen Niederlande zu tauschen. Sein Tod im Februar 1799 soll in München mehr Freude als Trauer ausgelöst haben. "Das Jubelgeschrey und das Vivatrufen des Volkes durchdrang die Wolken", notierte der Aufklärer Lorenz Westenrieder.