Bornavirus in Bayern„Sehr selten, dennoch eine ernst zu nehmende Gefahr“

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Sieht niedlich aus, kann dem Menschen aber gefährlich werden, wenn sie das Bornavirus in sich trägt: die Feldspitzmaus.
Sieht niedlich aus, kann dem Menschen aber gefährlich werden, wenn sie das Bornavirus in sich trägt: die Feldspitzmaus. (Foto: Imago/T. Douma)

In Pfaffenhofen an der Ilm haben sich zwei Männer mit dem lebensbedrohlichen Bornavirus infiziert. Der Erreger gibt der Forschung Rätsel auf – und tritt beim Menschen vor allem in Bayern auf. Was bis jetzt bekannt ist und wie man sich schützen kann.

Von Maximilian Gerl, Pfaffenhofen an der Ilm/München

Bevor das Virus mit all seinen Fragezeichen an diesem Donnerstagabend ins Zentrum rückt, spricht Landrat Albert Gürtner den Angehörigen sein Mitgefühl aus. Zwei Männer in Pfaffenhofen an der Ilm haben sich mit dem sogenannten Bornavirus infiziert, einer ist gestorben, einer befindet sich in medizinischer Behandlung. Entsprechend groß ist mancherorts im Landkreis die Verunsicherung, weshalb das Landratsamt zu einer Online-Infoveranstaltung geladen hat. „Obwohl das Virus sehr selten ist, ist es doch eine ernst zu nehmende Gefahr“, sagt Gürtner. Darum sei es wichtig, das Bewusstsein zu schärfen. Denn der Erreger gibt der Forschung noch Rätsel auf – und tritt beim Menschen vor allem in Bayern auf.

Was ist das Bornavirus?

Das Borna Disease Virus 1 (BoDV-1) ist schwer zu greifen. Zwar ist schon lange bekannt, dass es Pferde oder Schafe befällt, Tierhalter fürchten es als Borna'sche Krankheit. Doch erst 2018 wurde der Erreger beim Menschen nachgewiesen. Eine Infektion ist zum Glück selten, seit 1996 sind 57 Fälle bestätigt, viele davon aus Bayern. Dafür wirkt BoDV-1 umso tödlicher. Die Erkrankung beginnt unauffällig mit grippalen Symptomen, es folgen Verhaltensauffälligkeiten, Sprach- oder Gangstörungen. Im Endstadium steht eine Enzephalitis, eine schwere Gehirnentzündung, so beschreibt es auch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) auf einer Infoseite. Bis auf einige wenige, „die teilweise mit schwersten Folgeschäden überlebten“, seien „alle bekannten Fälle an der BoDV-1-Infektion“ gestorben. Eine spezifische Therapie gibt es nicht.

Wie steckt man sich mit dem Bornavirus an?

Das wüsste die Wissenschaft auch gerne. Es gibt aber eine Hauptverdächtige: die Feldspitzmaus. Crocidura leucodon ist das bislang einzig bekannte Säugetier, das BoDV-1 in sich tragen kann, ohne daran zu erkranken. Wie genau das Virus weiter in den Menschen gelangt, ist jedoch unbekannt. Die gängigste These lautet, dass die Übertragung bei Kontakt mit der Spitzmaus und ihren Hinterlassenschaften erfolgt – sprich Kot, Urin und Speichel. Aber auch eine Infektion durch das Einatmen von kontaminiertem Staub kann nicht ausgeschlossen werden. Sicher ist, dass Feldspitzmäuse mehrmals als Ansteckungsquelle identifiziert werden konnten: 2022 etwa erkrankte im Landkreis Rottal-Inn eine Frau am Bornavirus, nachdem ihre Katze ein Exemplar ins Haus geschleppt hatte.

Wie das Ganze in Pfaffenhofen zuging, wird untersucht. Infektionsketten sind mitunter mühsam nachzuvollziehen, die vermutete Inkubationszeit liegt bei mehreren Wochen bis wenigen Monaten. Angeblich kannten sich die beiden erkrankten Männer nicht näher. Dass sich der eine das Virus beim anderen geholt haben könnte, gilt ohnehin als ausgeschlossen, es wird nicht von Mensch zu Mensch übertragen.

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Wie kann man sich vor dem Bornavirus schützen?

Der beste Schutz ist, den Kontakt zu Spitzmäusen zu vermeiden. Die gehören trotz ihres Namens nicht zu den Nagetieren, sondern zu den Insektenfressern. Verglichen mit Mäusen haben Feldspitzmäuse spitzere Nasen, kleinere Ohren und einen klar abgegrenzten weißen Bauch. Außerdem stinken sie ziemlich.

Grundsätzlich wird empfohlen, ein totes Tier nicht mit bloßen Händen anzufassen, egal zu welcher Spezies es gehört. Rötelmäuse zum Beispiel könnten das Hantavirus in sich tragen, davon zeugen aktuell steigende Infektionszahlen im Bayerischen Wald. Das LGL hat deshalb ein Merkblatt zur „sicheren Entsorgung“ von toten Kleinsäugern veröffentlicht. Sollten Spitzmäuse etwa im Garten oder Schuppen auftauchen, dann rät das Landratsamt Pfaffenhofen unter anderem dazu, ihnen die Nahrungsquellen zu entziehen. Dazu zählen insbesondere im Freien stehendes Hunde- und Katzenfutter. Bei staubigen Arbeiten solle man eine FFP2-/FFP-3-Maske tragen. Und: Spitzmäuse, darauf wies in der Online-Veranstaltung des Landkreises Pfaffenhofen eine Expertin des LGL ausdrücklich hin, sollten niemals als Haustiere gehalten werden. „Das ist ein Niemals mit Ausrufezeichen und unterstrichen!“

Wie groß ist die Ansteckungsgefahr?

Das Robert-Koch-Institut geht von jährlich fünf bis zehn BoDV-1-Erkrankungen bundesweit aus. Jede ist tragisch. Insgesamt aber stufen Fachleute die Infektionsgefahr als gering ein – auch wenn sich das derzeit gerade in Pfaffenhofen anders anfühlen kann. Wer Fieber und andere Grippesymptome entwickelt, hat also wahrscheinlich kein Bornavirus, sondern eine Erkältung oder Influenza.

Dennoch ist mehr Wissen über den rätselhaften Erreger nötig. Auffällig ist nämlich, dass die Feldspitzmaus von der Atlantikküste bis aufs Baltikum vorkommt, BoDV-1 aber nur bei einigen Populationen und vor allem in Bayern nachgewiesen wurde. Hierzulande läuft deshalb ein gemeinsames Forschungsprojekt von LGL, Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) und Uniklinik Regensburg. Laut einer Studie des FLI befinden sich die bayerischen Verbreitungsgebiete vor allem im ländlichen Süden des Freistaats. „Anzeichen einer deutlichen Ausbreitungstendenz des Virus über die vergangenen Jahrzehnte gibt es nicht.“

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