Hochschulpolitik:Wenn die Prüfung in die Ferne rückt

Hochschulpolitik: An der Universität Passau ist ein Jura-Studium möglich, allerdings sollen Referendare von Herbst 2024 an dort das zweite Staatsexamen nicht mehr ablegen können.

An der Universität Passau ist ein Jura-Studium möglich, allerdings sollen Referendare von Herbst 2024 an dort das zweite Staatsexamen nicht mehr ablegen können.

(Foto: Uni Passau)

Wer in Passau Jura studiert, konnte dort bislang auch das zweite Staatsexamen ablegen. Damit ist bald Schluss: Prüflinge müssen dann nach Regensburg reisen. Dagegen regt sich nicht nur an der Uni Widerstand.

Von Maximilian Gerl, Passau

Jura kann man natürlich studieren an der Uni Passau, deren Campus sich längs des Inns schmiegt. Aber hier auch das zweite Staatsexamen schreiben, dessen Bestehen das Prädikat "Volljurist" gewährt? Das soll von Herbst 2024 an nicht mehr möglich sein: Denn das bayerische Justizministerium hat Passau als Prüfungsstandort gestrichen. Die Begeisterung darüber halte sich bei den Studierenden "in Grenzen", sagt Fachschaftssprecher Jakob Freier am Telefon. "Wir haben es auch erst aus der Presse erfahren." Dabei sei Passau beliebt bei Referendaren, ergänzt Sprecherkollegin Theresa Schmitt. Die Warteliste auf einen Platz sei lang, die Uni selbst habe im jüngsten Hochschul-Ranking sehr gut abgeschnitten.

Und trotzdem: Wer in Passau künftig die zweite juristische Staatsprüfung ablegen will, muss zum Beispiel nach Regensburg fahren. Gut 120 Autokilometer sind es von Uni zu Uni oder anderthalb Stunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, bestenfalls. Das stößt nicht nur bei Studierenden auf Unverständnis. Und auf Widerstand. "Mit vereinten Kräften für Passau!" ist eine Petition betitelt, die sich für den Erhalt des Prüfungsstandorts einsetzt. Initiator ist der Passauer Strafrechtsprofessor Holm Putzke. Namentlich als Unterstützer genannt werden unter anderem Uni-Vizepräsidentin Bettina Noltenius und Kanzler Achim Dilling - sowie Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) und Landrat Raimund Kneidinger (CSU). Ein breites Bündnis also, über Partei- und Campusgrenzen hinweg.

Aber es geht ja auch um viel, vor allem für den juristischen Nachwuchs. Das zweite Staatsexamen ist in Bayern besonders schwer und wird gefürchtet, entscheidet es doch über die weitere Karriere. Neun Tests á fünf Stunden sind zu absolvieren; ein Ergebnis von neun Punkten gilt in Juristenkreisen als gut, bei 18 erreichbaren. Auf zusätzlichen Reisestress können Prüflinge da gerne verzichten. Doch genau der könnte Passauer Referendaren bald drohen, fürchten Freier und Schmitt. Ihre Sorgen haben sie auch per Brief ans Justizministerium geschickt. "Die Möglichkeit, an einem Ort das erste und zweite Staatsexamen absolvieren zu können, ist für die Studierenden und Referendare von immenser Bedeutung", heißt es in dem Schreiben. Viele hätten familiäre Verpflichtungen oder arbeiteten an der Uni Passau. Und: Die Streichung des Standorts führe zu einer "Benachteiligung gegenüber denjenigen Prüflingen, die an ihrem Universitätsstandort das zweite Staatsexamen ablegen können". Denn in beispielsweise Nürnberg, Augsburg oder Würzburg bleibt in der Hinsicht alles beim Alten, wird an den dortigen Unis auch künftig wie bisher geprüft.

Gut 200 Menschen schreiben nach Fachschaftsangaben die ersten Staatsprüfungen in Passau mit. Bei den zweiten sind es noch 30 bis 40. Doch nicht nur sie könnte die Ministeriumsentscheidung betreffen, fürchtet man in Passau. So warnt die Petition: Der Entzug der Staatsprüfung schwäche die gesamte Region "als herausragenden Universitäts- und Justizstandort". Die Entscheidung stehe außerdem "im Widerspruch zu politischen Versprechen, anstelle der zentralistischen Bevorzugung von Ballungsräumen den grenznahen und auch ländlichen Raum in Bayern besonders zu fördern". Denn neben Passau steht ebenfalls der Standort Bayreuth zur Disposition. Prüflinge dort müssten dann nach Bamberg oder Nürnberg pendeln. Auch nicht gerade der nächste Weg.

Die große Mehrheit der Prüflinge "wünscht sich ein elektronisches Examen"

Ein Wettbewerbsnachteil also? Dabei begründet das Justizministerium die Entscheidung eigentlich mit einem Vorteil: dem des E-Examens. Diese elektronische Art der Prüfung - bei der dann spezielle Laptops zum Einsatz kommen - soll bald möglich werden. Die große Mehrheit der Prüflinge "wünscht sich ein elektronisches Examen", heißt es auf SZ-Anfrage. Der damit verbundene "personelle und organisatorische Aufwand" mache in einem Flächenland wie Bayern "eine gewisse Konzentration der Prüfungsstandorte notwendig". Passau, Bayreuth und auch Bamberg hätten dabei die mit Abstand geringste Zahl an Prüflingen. Man nehme das Anliegen aber ernst und prüfe deshalb, ob eine Ausweitung des Konzepts auf die ursprünglichen acht Prüfungsstandorte möglich sei. "Dies hängt entscheidend von den Kapazitäten des Dienstleisters ab."

In Passau dagegen fragen sie sich, ob es wirklich Ziel der Digitalisierung sein kann, dass es am Ende einem Teil der Betroffenen schlechter gehe. Und "Kosten- oder Praktikabilitätserwägungen" - so steht es im Schlussteil der Petition - könnten eine Benachteiligung nicht rechtfertigen. Die Entscheidung sei daher schon aus Gründen der Fairness zu revidieren. Einen weiteren Wunsch haben Freier und die Fachschaft in ihrem Brief ans Justizministerium formuliert: "bei solch wichtigen Entscheidungsprozessen" künftig bitte "eingebunden" zu werden.

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