Ingolstadt:Die Magie der alten Schlepper

Ingolstadt: In Irgertsheim bei Ingolstadt hat in der Nachkriegszeit die Firma Funk improvisierte Traktoren hergestellt, aus Not und Mangel quasi. Insgesamt nur 33 Stück, 7 sind erhalten.

In Irgertsheim bei Ingolstadt hat in der Nachkriegszeit die Firma Funk improvisierte Traktoren hergestellt, aus Not und Mangel quasi. Insgesamt nur 33 Stück, 7 sind erhalten.

(Foto: Archiv Martin Liebold)

In der Nachkriegszeit hat die Firma Funk aus der Not heraus improvisierte Traktoren hergestellt - sieben Stück sollen noch erhalten sein. Oder existiert noch eine Nummer acht?

Von Johann Osel, Ingolstadt

"Es gibt zu jedem Teil eine Geschichte", sagt Martin Liebold, und das sei eben "das Faszinierende am Alten". In den Garagen und Hütten in seinem Heizungsbaubetrieb kann man in eine Welt der Vergangenheit eintauchen. Da steht zum Beispiel - ganz versteckt - eine Lokomobile, eine Dampfmaschine, wie sie früher in der Landwirtschaft Dienst tat. Oder eine Tankstellensäule aus Buenos Aires, fast hundert Jahre alt, zwischen einstigen Werbeschildern und Öldosen. Er sammle aber nicht wahllos, betont Liebold, "wenn, dann mag ich nur besondere Sachen". Dass er allerdings auch keiner ist, der es übers Herz brächte, Sachen wegzuwerfen, zeigt der Gang die Treppe hinauf: alte Zweiräder reihen sich, man sieht seltene Bierflaschen, Fotoapparate, Mechanisches von Küchenwaagen bis zur Schreibmaschine, Kriegsorden, Marienfiguren - wohl nichts, was es hier nicht gibt. Ein privates Museum ist das in Mühlhausen, das wie Irgertsheim zur Stadt Ingolstadt gehört, aber einer separaten dörflichen Welt gleicht, gut zehn Kilometer vom Zentrum. In einer zweiten Garage steht Liebolds neuester, wohl größter Schatz: ein Funk-Traktor, 25 PS, Baujahr 1953. Gebaut nebenan in Irgertsheim.

Nur 33 Exemplare dieses Traktors wurden damals zusammengebastelt, in einem schmalen Zeitfenster Anfang der Fünfzigerjahre. Er besitzt Nummer 27, ausweislich des Fabrikationsschilds. Und funktioniert das Gefährt mit der grasgrün-matten Haube noch? Als Antwort lässt es der Sammler knattern, bugsiert ihn auf den Vorhof. Nur sieben Stück sollen überhaupt noch existieren, der Rest wurde irgendwann verschrottet oder zerlegt, so weit man weiß. Eine Rarität also. Dass die lokale Presse das einen "Lottogewinn" nannte, lässt Martin Liebold schmunzeln. Aber irgendwie, meint er, stimmte es ja doch.

Funk - das steht für Xaver Funk, geboren 1901. Er muss ein geschäftstüchtiger Mann gewesen sein, wie die ganze Familie: neun Brüder und vier Schwestern, alle hatten ein Geschäft oder heirateten in eines ein. Funk, wegen schwarzer Haare und seines dunklen Teints "da Schwoaz" genannt, machte schon in den Zwanzigerjahren in Getreide, Dünger und Baustoffen, soll mit dem Motorrad über die Dörfer um Irgertsheim getingelt sein für Geschäftsabschlüsse mit Bauern. Im Zweiten Weltkrieg war er "nicht abkömmlich", konnte so beim Wiederaufbau rasch wieder sein eigenes Geschäft vorantreiben. Einerseits der Handel, er baute aber auch Anhänger, zum Teil schon mit Kippvorrichtung, die in der Gegend auf den Höfen die Leiterwagen ersetzen konnten. Und er merkte: Der Markt verlangt nach Schleppern und nach Motorisierung - die großen Firmen wie Deutz oder Fendt konnten den Bedarf aber kaum decken. So entschied er sich dazu, Funk-Traktoren zu produzieren, nach dem Bausatzprinzip. Motor, Achsen, Kotflügel und weitere Teile - beinahe alles kam von anderen Herstellern, wurde in Handarbeit in Irgertsheim montiert und dann verkauft. Das taten damals auch andere Improvisationstalente im Land. Zeitzeugen erinnerten sich später, welch Jubel in Funks Werkstatt ausbrach, als der Motor von Nummer eins erstmals startete. Der wurde 1951 dem Käufer übergeben: für 9550 Mark. Die Auftragslage florierte, beim Barthelmarkt in Oberstimm, den es heute noch gibt, war das Produkt umschwärmt und begehrt. Doch eine Serienproduktion war nicht möglich, es blieb bei vier bis fünf Stück pro Jahr. Und bald schon sollte der Bedarf abflauen, angesichts professioneller Fabriken mit hohem Ausstoß, kurzen Lieferzeiten und günstigeren Preisen. Zudem war das, was Funk in seiner Werkstatt bauen ließ, dann nicht mehr zeitgemäß, allein wegen der fehlenden Hydraulik. Xaver Funk starb 1966.

Ingolstadt: Sammlerstolz: Martin Liebold mit dem seltenen Traktor der Marke Funk.

Sammlerstolz: Martin Liebold mit dem seltenen Traktor der Marke Funk.

(Foto: Johann Osel)

Es scheint das Sammlerfieber ausgebrochen zu sein in und um Irgertsheim, wohl mit einer Portion Regionalstolz. Vier der sieben existierenden Funks stehen mittlerweile in der Region, weiß Liebold, wurden auch "zurückgeholt". Ein Mitglied der örtlichen Oldtimerfreunde stöberte einen in Kroatien auf. Liebolds Traktor hatte keinen weiten Weg, er kommt aus Hallbergmoos im Landkreis Freising. Der Eigentümer, ein Sammler, war gestorben. "Man kennst sich ja in der Bulldogszene". Die Witwe habe zu ihm gesagt: Du kriegst ihn, an einen anderen verkauf' ich nicht. Sie habe aber auch gewusst, dass er fair dafür bezahle. Nicht selten sei es ja der Fall, "dass die Familie von einem Sammler hinten und vorne beschissen wird". Wie viel er gezahlt hat? Martin Liebold grinst: "Vergessen."

Ein Exemplar hat es übrigens weit weg geschafft, es steht in Paderborn im Museum. Dass Funk-Modelle wahre Liebhaberstücke sind, merkt man, wenn man in einschlägigen Traktorenlexika blättert. Nur wenige Zeilen sind dort zu lesen, mangels Informationen. Das freilich will Liebold ändern. Er will eine kleine Chronik über die Firma Xaver Funk verfassen. "Mir fallen immer so verrückte Sachen ein." Seine Gattin nickt, "bei uns wird es nie langweilig". Wenngleich der Sammler klarstellt, dass er ein "Ranking" habe: "erst die Familie, dann die Firma, dann das Hobby".

Ingolstadt: Alte Dinge, auch Werkzeuge, faszinieren Liebold.

Alte Dinge, auch Werkzeuge, faszinieren Liebold.

(Foto: Johann Osel)

Auf die Idee der Chronik ist er am Oldtimerstammtisch gekommen, da wird natürlich über Funk geredet und darüber, wie das alles genau war. "Das muss man jetzt aufschreiben, sonst geht's verloren." Briefe, Rechnungen, Werbemittel, Fotos - alles, was er bekommen kann, will er sammeln. Ihn begeistere grundlegend die Historie, aber "natürlich Technik allgemein, die Meisterleistung der Ingenieurskunst". Von Funks Schwiegertochter war noch Einiges zu ergattern, ein Aufruf über das Kulturamt der Stadt Ingolstadt lief "mäßig". Hoffentlich, meint Liebold, gehe es ihm nicht wie bei seiner Ortschronik Mühlhausen - da seien nach Erscheinen die Leute auf ihn zugekommen, dass sie noch eine Kiste Fotos oder dergleichen hätten. Obwohl er vorher so viele Leute gefragt habe, als Mittelständler und auch Mesner ist er ohnehin bestens verdrahtet in der Region. Als "Heimatpfleger" oder gar "Heimatforscher" sieht er sich aber nicht - "einfach nur heimatverbunden und interessiert".

Ein Rätsel aber treibt Liebold um: Gibt es Nummer acht? Sieben bestehende Traktoren hat er rekonstruiert und die meisten früheren Besitzer zwecks Recherche auch abgeklappert. Es werde aber "geredet" in der Szene - dass ein achter irgendwo stehe, laut Gerüchten in Franken. "Ich bin dankbar für jede Spur."

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