Teurer Sprit:Schöner Blick auf die Preistabelle

Ukraine-Konflikt - Tanktourismus nach Österreich

Zwar steigen die Spritpreise hüben wie drüben, aber am Ende steht drüben trotzdem eine niedrigere Zahl.

(Foto: dpa)

Weil Sprit teurer wird, erwartet der ADAC mehr Tanktourismus. Wälzen sich die Urlaubskolonnen also bald nicht mehr wegen des schönen Blicks auf die Berge gen Süden?

Glosse von Maximilian Gerl

Wenn Archäologen in ferner Zukunft die digitalen Überreste unserer Gesellschaft untersuchen, werden sie die Bedeutung diverser Phänomene hoffentlich nicht anhand der Länge ihrer Wikipedia-Artikel bemessen: Sonst müssten sie nämlich angesichts der Fülle, die in dem Online-Lexikon unter "Tanktourismus" versammelt ist, zu dem Schluss kommen, dass die Menschen damals für ihr Auto einige Strapazen auf sich genommen haben. Eine besonders ausführliche Betrachtung findet in der deutschsprachigen Ausgabe des Artikels das spezifische Reiseverhalten zwischen Deutschland und Österreich. Eine Stelle ist dabei auch für heute Lebende interessant. Demnach sei Treibstoff in den 1980er- und 1990er-Jahren in mehreren Nachbarländern Österreichs günstiger gewesen, weshalb es "lange Wartezeiten an den ersten Tankstellen kurz hinter den Grenzen" gegeben habe - auch auf bayerischer Seite.

Zur korrekten Einordnung des Phänomens müssen sich künftige Archäologen an dieser Stelle vorstellen, wie sich alle anderen recht ungläubig die Augen reiben. Tatsächlich läuft der Tanktourismus ja längst in die andere Richtung, in diesen traurigen Zeiten noch mehr. "ADAC rechnet wegen Ukraine-Krieg mit mehr Tanktourismus", meldeten Medien bereits. Zwar steigen die Spritpreise hüben wie drüben, aber am Ende steht drüben trotzdem eine niedrigere Zahl. Durchschnittlich 1,83 Euro zahlte man Mitte vergangener Woche hierzulande für einen Liter Super, in Österreich dagegen 1,45 Euro.

Noch freilich fallen als Tanktouristen hauptsächlich Einheimische aus grenznahen Gebieten und Durchreisende auf. Denn wessen Hinweg zum Vollmachen zu weit ist, dessen Tank droht am Ende des Rückwegs schon wieder leer zu sein. Allerdings dürften die Spritpreise wohl weiter steigen, könnte der Druck auf den Geldbeutel zunehmen. Und wie manch Hotelier am Alpenrand leidvoll zu beklagen weiß, sind vor allem die Tiroler in Sachen Tourismusmarketing nicht auf den Kopf gefallen. Gut möglich also, dass sich die Urlaubskolonnen bald nicht mehr wegen des schönen Blicks auf die Berge gen Süden wälzen, sondern wegen des schönen Blicks auf die Preistabelle an der Tanke. Sollte das tatsächlich eintreten, könnten sich übrigens die künftigen Archäologen erst recht die Augen reiben.

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