Süddeutsche Zeitung

Oberpfalz:Einzigartige Schönheit aus Basalt

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Von Jasmin Siebert, Parkstein

Man bewundert gerade einen Brocken Phillipsit, wie er in einem Schaukasten angestrahlt wird, während sich sein virtuelles Pendant auf einem Bildschirm dreht. Da grollt es in der Ferne, dazu ein leises Plätschern. Es könnte ein Unwetter sein, das sich draußen zusammenbraut, doch die Katastrophe bahnt sich mitten im Museum an. Monitore zeigen seismografische Aktivität an. Plötzlich flackern die Lichter, das Rumpeln wird stärker und die Wände vibrieren. Da steigt auch schon zischend roter Rauch aus der Fußbodenmitte auf: Der Vulkan bricht aus!

Stündlich wiederholt sich das Spektakel im Vulkan-Museum in Parkstein, einer oberpfälzischen Marktgemeinde, die ihren Namen einem erloschenen Vulkan verdankt. Der Parkstein ist eine 40 Meter hoch aufragende Basaltwand, hartes schwarzes Gestein aus erstarrter Magma. Von Alexander von Humboldt einst als "Europas schönster Basaltkegel" bezeichnet, ist er schon lange ein beliebtes Ausflugziel. Der berühmte Naturforscher hatte sich bereits vor 150 Jahren dafür eingesetzt, dass der Kegel zehn Kilometer westlich der Stadt Weiden geschützt wird. Heute liegt er in einem Flora-Fauna-Habitat-Gebiet, wo der Steinpicker, Felsenschnecken und der Mauerfuchs - ein orangebrauner Schmetterling - zwischen Farnen und weißem Mauerpfeffer leben.

Um den Besuchern noch mehr zu bieten als einen Basaltberg mit einer kleinen Kapelle und Felsenkellern, eröffnete die Gemeinde 2013 ein Museum auf drei Ebenen. 10 000 Besucher pro Jahr waren das Ziel, im vergangenen Jahr waren es schon 14 000. Im Museum erfährt man in kurzen Videos, wie es kam, dass das Magma, das einst im Vulkaninneren nach oben stieg, heute einen Berg bildet, dessen Gipfel immerhin 595 Meter über Seehöhe liegt.

Der Vulkan, der den markanten Parkstein formte, war vor 23 Millionen Jahren aktiv: Aus tiefen Erdschichten kroch das Magma, ein 12 000 Grad heißer Gesteinsbrei, nach oben. Pro Tag legte es einen Kilometer zurück und riss dabei Brocken verschiedener Erdschichten mit sich. Wenn das heiße Gemisch auf Grundwasser traf, dehnte es sich aus und explodierte. Das Magma schleuderte die Trümmer in alle Richtungen. Diese fielen zurück in den Krater, der sich durch die Explosion gebildet hatte. Traf Magma wieder auf Grundwasser, dann knallte es erneut. Vom Rand des Kraters wurde neues Geröll mitgerissen, so dass dieser stets breiter wurde. "All das geschieht immer wieder", erklärt eine Erzählerstimme im Video. So lange, bis das Grundwasser nach einer Million Jahren versiegte.

Was dann geschah, erklärt Kurt Pongratz seinen Gästen gern mithilfe von Schautafeln. Der 63-Jährige macht Stadt- und naturkundliche Führungen, er war einer der ersten, die sich 2006 zum Geopark-Ranger ausbilden ließen. Das Maar auf seiner Tafel erinnert an einen wurzelkanalbehandelten Zahn: Die Trümmer, Brekzie genannt, füllten den Krater fast ganz auf, in der verbleibenden Mulde bildete sich ein See. Auf seinem Weg durch das Geröll erkaltete das Magma und bekam Risse - "wie eine Pfütze, die austrocknet", sagt Pongratz. Das Magma erstarrte senkrecht zum kalten Rand des Schlots. So bildeten sich die charakteristischen senkrechten Basaltsäulen.

Unterschiedliche Gesteine säumen den Geopfad

Danach setzte die Erosion ein: Wind und Wetter trugen die weichen Sand- und Tongesteine ab, der harte Basaltkegel und Teile der Brekzie - einst im Kraterinneren verborgen - blieben als Berg in der Landschaft stehen. Die Einwohner von Parkstein schlugen einst Vorratskeller ins Gestein, drei von ihnen sind öffentlich zugänglich. Die Gesteinsbrocken aus verschiedenen Erdschichten an den Wänden bestätigen die Theorie vom Vulkanausbruch.

Auch den Geopfad zum Gipfel, den selbst ungeübte Wanderer und Kinder leicht bewältigen können, säumen unterschiedliche Gesteine: Granit, Kalkstein, Sandstein und eine Basaltsäule vom Großen Teichelberg, einem Basaltberg im Landkreis Tirschenreuth. "Es gibt mehr Vulkanismus in Deutschland, als man glaubt", sagt Pongratz. Eine Karte im Museum zeigt die Vulkanlandschaft Bayern-Böhmen. Der Parkstein ist der südlichste der 25 bayerischen Vulkane, die vor 18 bis 26 Millionen Jahren aktiv waren. Wer die anderen besuchen will, findet auf einem Bildschirm Infos. Empfehlenswert ist zum Beispiel ein Abstecher zum Rauhen Kulm, der nur 30 Kilometer entfernt liegt und gut 100 Meter höher ist.

In Tschechien ist der Vulkanismus deutlich jünger: Der Eisenbühl und der Kammerbühl brachen zuletzt vor etwa 200 000 beziehungsweise 600 000 Jahren aus. Ganz erloschen ist die vulkanische Aktivität bis heute nicht. Manchmal bebt im Grenzgebiet die Erde, ungefährlich für Menschen, aber spürbar: 2010 zeigte die Richterskala 3,5 an, 1985 sogar 4,6.

Weil der Glaube lange Zeit eine größere Rolle spielte als die Erforschung des Vulkanismus, ist der Geopfad am Parkstein zugleich auch ein Kreuzweg mit Jesusbildern, der zur Wallfahrtskirche "Marien zu den 14 Nothelfern" führt. In früheren Jahrhunderten stand dort eine Burg. Der Legende nach verfolgte einst ein Ritter ein Wildschwein bis auf den Gipfel. Die "Parake", ein altes Wort für Wildschwein, entkam, doch der Ritter blickte umher und verliebte sich in den weiten Ausblick. So baute er eine Burg auf den "Parakstein", 1050 erstmals urkundlich erwähnt. Der schwarze Eber auf dem Gemeindewappen erinnert an die Legende. Um die verschwundene Burganlage anzudeuten, wurden im Jahr 2008 Steine aufgeschichtet. Im ehemaligen Burghof spielt nun der Wind auf einem Kunstwerk aus Orgelpfeifen. Auch zu der kleinen Kirche, in der Taufen und Hochzeiten gefeiert werden, weiß Pongratz eine Geschichte: In ihr steht eine Marienfigur aus dem 12. Jahrhundert, die 600 Jahre in einem Weiher zugebracht hatte. Zu der Zeit, als die Calvinisten die Heiligenverehrung verboten hatten, war sie wohl im Wasser versteckt und vergessen worden.

Im Museum erfährt man Näheres zu den Religionswirren, als jeder Herrscher den Untertanen seinen eigenen Glauben aufdrängte. Mitte des 17. Jahrhundert war Schluss mit den ständigen verpflichtenden Religionswechseln: In Parkstein wurde das Simultaneum eingeführt, das Recht der evangelischen und katholischen Kirche, gleichberechtigt nebeneinander zu existieren. Die Kirchengüter wurden per Los verteilt. Später wurde das Simultaneum auf die ganze Oberpfalz ausgeweitet, noch heute gibt es dort Simultankirchen und einen Radweg, der sie verbindet.

Zwar trägt das Parksteiner Museum den Vulkan im Titel, doch es ist zugleich auch ein Heimatmuseum. Neben Religions- und Wirtschaftsgeschichte dürfen berühmte Sprösslinge des Ortes wie der Komponist Richard Strauss nicht fehlen. Mit gesammelten Fotos und Zeitungsausschnitten wird es stellenweise sehr lokal. Doch die Ortsgeschichte ist so liebevoll und mit überraschenden Informationen aufbereitet, dass sie auch für Fremde interessant und amüsant ist. Während man Videoclips anschaut, in denen "Vulkanbewohner" von der intakten Gemeinschaft und dem idyllischen Landleben in Parkstein schwärmen, grummelt und plätschert es in der Ferne. Gleich wird der Vulkan wieder ausbrechen.

Bis Oktober ist das Vulkanerlebnis-Museum dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Das Museum ist barrierefrei. Für Schulklassen oder Gruppen ab zehn Personen können Führungen gebucht werden. Vulkanerlebnis Parkstein, Schlossgasse 5, 92711 Parkstein, Telefon: 09602/6163910

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Quelle:
SZ vom 18.06.2019
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