Kultur und Kulinarik:Die Oberpfalz, fein abgeschmeckt

Lesezeit: 4 Min.

Sterneküche? Nein, Hausmannskost aus der Oberpfalz, präsentiert auf eigens designtem Oberpfälzer Glasgeschirr zeigen die Fotografen Antonia und Alexander Feig in ihrem Bildband "Guad & gnou - Kochkultur & Mundart im Herzfleck Bayerns". (Foto: Antonia & Alexander Feig)

Das Fotografen-Ehepaar Alexander und Antonia Feig hat in die Kochtöpfe der Region geschaut. Entstanden ist ein opulenter Bildband, der nicht nur viele Spezialgerichte enthält, sondern auch viel über Kultur und Lebensart eines bodenständigen Menschenschlags verrät.

Von Hans Kratzer

Sich über die Oberpfälzer lustig zu machen, ist seit jeher ein beliebter Brauch. Houhou lästert man nach Herzenslust, vor allem die Mundart ist eine Zielscheibe des Spotts. Besonders gern äffen Kalauer-Produzenten die althergebrachten ou-Laute nach. Es ist kurios genug, dass die Werke des großen Shakespeare wegen ihrer ou-Laute pathetisch gerühmt werden, während sie mit Blick auf die Oberpfälzer als Beleg für deren angebliches Hinterwäldlertum herhalten müssen. Was wiederum völlig gaga ist, denn allein schon wegen ihrer Architektur- und Kulturszene zählt die Oberpfalz zu den originellsten Landstrichen in ganz Deutschland.

Die Oberpfälzer lassen derlei Anfechtungen kalt. Auch wenn manche "Feierwehrkapelln" das Klischee lustvoll pflegt, wissen sie um den Wert ihrer Kultur und ihrer Mundart, außerdem ist diese Region von Beharrlichkeit geprägt. Glück und Anerkennung in der Ferne zu suchen, zählt nicht zu den Grundbedürfnissen der hiesigen Bevölkerung. Natürlich gibt es Ausnahmen wie die tapfere Bertha von Sulzbach, die das Kunststück schaffte, anno 1146 auf dem byzantinischen Kaiserthron zu landen. Ansonsten verharren die Menschen gern in diesem Landstrich, mag auch der alte Name Steinpfalz auf die schweren steinigen Böden hinweisen, denen man einst das tägliche Brot abringen musste.

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Dass der Mangel aber auch viel Gutes mit sich bringt, das haben die Fotografen Antonia und Alexander Feig bei ihren Recherchen zu einem neuen Bildband erfahren. Besonders in der Küche der Oberpfalz offenbart sich, dass Glück nicht nur durch materiellen Überfluss entsteht. Die Esskultur war und ist eine der wichtigsten Glücksmanufakturen der Region, vor allem, weil man es dort vorbildlich versteht, aus einfachsten Zutaten intensive Geschmackserlebnisse zu zaubern.

Das Ehepaar Alexander und Antonia Feig hat in die Kochtöpfe der Oberpfalz geschaut. Und dabei die ganze Lebensphilosophie mit abgebildet. (Foto: Antonia & Alexander Feig)

Dieser Küchenkultur haben die Fotodesigner Feig nun einen Bildband gewidmet, der die Spezialgerichte der Oberpfalz in einem ganz neuen Licht erstrahlen lässt. Wohl selten sei der Oberpfälzer Küche ein solches Denkmal gesetzt worden, schwärmen die Rezensenten. Das Lob kommt nicht von ungefähr, denn die Fotokünstler haben das Projekt mit einer beeindruckenden Detailfreude verwirklicht.

Antonia und Alexander Feig legten bei ihren Recherchen weite Strecken zurück, sie schauten dabei neugierig in die Töpfe der Bauernküchen und entdeckten dort so manche über Generationen hinweg begehrte "Leibspeis", aber auch Gerichte, die bei aller Schlichtheit reichlich Energie für die harte körperliche Arbeit spendeten.

Die Kabarettistin Eva Karl Faltermeier hat sich für das Buch im Sonntagsgewand ihrer Urgroßmutter ablichten lassen. (Foto: Antonia & Alexander Feig)

Gleich auf den ersten Seiten des Buchs ist in großen Lettern ein Lebensmotto der Oberpfalz festgehalten: "gnou dou, gnou hom, gnou sei!" Gnou - das heißt genug und bedeutet, das richtige Maß in allen Bereichen des Lebens zu finden, es steckt eine tiefe Weisheit in diesem Wort. In diese Richtung zielt auch das von der Kabarettistin Eva Karl-Faltermeier im Vorwort zitierte Überlebensmotto der Region: "S mou! - es muss einfach!" Grund genug für sie, sich für das Buch extra im schwarzen Sonntagsgewand ihrer ebenfalls aus der Oberpfalz stammenden Urgroßmutter ablichten zu lassen.

So geht es in dem Band letztlich um das Phänomen Oberpfalz an sich, um das Essen, um die Landschaft, um die Mundart, deren schillerndste Begriffe geschickt in die Bilderstrecken eingeflochten wurden. Und damit es auch ein "Preiß" versteht, ist die Übersetzung direkt beigefügt, wenn auch verkehrt herum. "Wir wollten schon mehr rüberbringen als nur die Oberpfälzer Küche", sagt Antonia Feig, "uns ging es auch um die Lebensphilosophie."

Weil das eine ohne das andere nicht zu verstehen ist, wird in dem Buch auch erläutert, wie die Oberpfalz überhaupt entstanden ist. Damals, anno 1329, als sich die Wittelsbacher in eine pfälzische und in eine bayerische Linie verzweigten und fortan eine Geschichte mit allen Ingredienzien menschlicher Größe und Niedertracht weitergesponnen wurde. Woraus aber auch Monumente hervorgingen, welche die Zeiten überdauert haben. Die bis ins 12. Jahrhundert zurückreichende Wurstkuchl an der Steinernen Brücke in Regensburg etwa, "die älteste Streetfoodbude der Welt", wie Antonia Feig sie lächelnd nennt. Schon die Erbauer der Brücke wurden hier verpflegt.

Ein kunstvolles Buch ist entstanden, das weit mehr als die Gerichte der Oberpfalz versammelt. (Foto: Antonia & Alexander Feig)

Essen zu fotografieren, das praktiziert heute jeder Amateurknipser, für einen Post auf Instagram taugt es allemal. Essen stilvoll abzulichten, ist jedoch eine Kunst, die großes Können erfordert. Antonia und Alexander Feig betreiben dieses Geschäft seit mehr als 30 Jahren professionell. "Den Traditionsgerichten mit stimmig inszenierten Fotos ein Gesicht zu geben, war uns eine Herzensangelegenheit", sagt Alexander Feig.

Die Bilder machen deutlich, dass es halt doch noch einen Unterschied zwischen Smartphone-Knipserei und professioneller Food-Fotografie gibt, die mit langen Belichtungszeiten und weicher Lichtmalerei atmosphärisch dicht sämtliche Details herausarbeitet.

Eine Wasserschnalzn, hochdeutsch Brotsuppe, wird in dem Bildband präsentiert wie die Kreation eines Sternekochs. (Foto: Antonia & Alexander Feig)

Das Ergebnis schmeichelt dem Auge durchaus: Schlichtes Essen wie Reiwadotsch (Kartoffel-Reibekuchen), Erpfl-Schnipsl (hausgemachte Kartoffelchips) und Wasserschnalzn (Brotsuppe), aber auch das nur in der Oberpfalz erhältliche Zoigl-Bier strahlen aus dem Buch heraus wie die Paradegerichte eines Sternekochs.

Mit welcher Akribie die Fotodesigner ans Werk gegangen sind, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie das Porzellan, auf dem Gerichte präsentiert werden, selber entworfen haben. Überdies ließen sie in einer Waldsassener Glashütte eigens Glasobjekte anfertigen. Dass es keinen Aufwand scheut, bewies das Ehepaar Feig schon 2019 bei dem Bildband über Mallorca. Für ihre Komposition aus Food-Bildern, Architekturfotografie und Bildreportage wurden die Fotokünstler damals mit dem Deutschen Fotobuchpreis in Gold ausgezeichnet.

Neben dem hohen ästhetischen Anspruch trägt das Buch aber auch eine wichtige Botschaft weiter. Es weist in eine sehr nahe Zukunft, in der sich viele Gewohnheiten werden ändern müssen. Die Art und Weise, wie einst die Urgroßeltern ihr Haus versorgten, könnte aus Spar- und Nachhaltigkeitsgründen bald wieder aktuelle Bedeutung gewinnen. Zero-Waste-Küche, das ist in Zeiten des schwindenden Überflusses und der Teuerung plötzlich wieder ein Thema. Oder Restl essen, wie man in der Oberpfalz seit jeher sagt. Letztlich endet das Buch mit der Erkenntnis: "Vo di Oarma moußt as kocha lerna und vo die Reichen as spoarn!"

Antonia und Alexander Feig: Guad & Gnou - Kochkultur und Mundart im Herzfleck Bayerns, Bavarian Prints Verlag, 256 Seiten, 49,90 Euro.

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