Helfer brauchen Hilfe:"Die Notfallsanitäter krebsen da am Rand der Legalität dahin"

Sanitätsdienst auf der Wiesn

Erfahrungsgemäß, so betont Robert Hinke von der Gewerkschaft Verdi, treffen Notärzte in Bayern "in 20 Prozent der Fälle mehr als zehn Minuten nach dem Rettungswagen am Einsatzort ein".

(Foto: dpa)
  • Die Interessenvertretung der Notfallsanitäter hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einem Brief um Hilfe gebeten.
  • In kritischen Situationen, wenn noch kein Notarzt eingetroffen ist, könne es für den Sanitäter aufgrund der Rechtslage riskant sein, notwendige Medikamente zu spritzen.
  • Verdi und das BRK fordern daher, die Kompetenzen der Notfallsanitäter per Bundesgesetz zu erweitern.

Von Dietrich Mittler

Vor wenigen Tagen hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Post von der Interessenvertretung der Notfallsanitäter bekommen. Die Helfer brauchen selber Hilfe. Robert Hinke von der Gewerkschaft Verdi, einer der Unterzeichner des Briefes an Söder, erklärt warum: "Notfallsanitäter stehen gemäß bestehender Rechtslage mit einem Bein im Gefängnis", sagte er am Montag. Es gehe dabei um kritische Situationen - nach schweren Unfällen etwa, wenn noch kein Notarzt eingetroffen ist, der vor Schmerzen schreiende Patient aber dringend Medikamente braucht. Diese Medikamente dann auch ohne ärztliche Aufsicht zu spritzen, könne für Rettungsteams riskant werden, heißt es seitens Verdi. "Die Notfallsanitäter krebsen da am Rand der Legalität dahin", bestätigt BRK-Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk.

Erfahrungsgemäß, so betonte Hinke, treffen Notärzte in Bayern "in 20 Prozent der Fälle mehr als zehn Minuten nach dem Rettungswagen am Einsatzort ein". "Oft genug geht es hier aber um Sekunden", sagt er. Zwar seien Notfallsanitäter durch ihre profunde Ausbildung auch für einige tiefgreifendere Maßnahmen qualifiziert, aber die dürfen sie ohne ärztliche Aufsicht nicht anwenden. Ein Dilemma, wie Hinke verdeutlicht: "Handeln die Sanitäter, machen sie sich potenziell strafbar, weil sie lebensrettende Maßnahmen ergreifen, die unter dem ärztlichen Heilkundevorbehalt stehen. Handeln sie nicht, so machen sie sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig."

Kürzlich erst, über die Weihnachtsfeiertage, war im schwäbischen Landkreis Aichach-Friedberg gar kein Notarzt im Dienst. Zu allem Übel sei dann auch noch vom 2. bis 5. Januar tagsüber und 1. und 4. Januar nachts kein Notarzt in Aichach verfügbar gewesen. "Noch sind das Einzelfälle, aber es kommt landesweit gesehen immer häufiger vor, dass zwar das Rettungsteam rechtzeitig an der Einsatzstelle ist, aber kein Notarzt", sagt BRK-Landesgeschäftsführer Stärk. In solchen Situationen müssten Notfallsanitäter auch von sich aus tätig werden dürfen. Aber für Stärk ist klar: "Der Notarzt ist und bleibt unverzichtbarer Teil der Rettungskette." Es gelte also dringend sicherzustellen, dass die Notarzt-Dienstpläne verlässlich sind.

In der Diskussion darüber, welche Kompetenzen Notfallsanitäter bei der Versorgung von Patienten haben dürfen, gehen die Meinungen unter Bayerns Ärzten auseinander, wie es seitens der Bayerischen Landesärztekammer heißt. Während einige noch auf den "Arztvorbehalt" bestünden, seien zum Beispiel etliche Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte dafür offen, die Kompetenzen der Notfallsanitäter zu erweitern. Wieder andere Ärzte - zu ihnen zählt der Notfallmediziner Peter Sefrin - halten die aktuelle Diskussion in ihrer jetzigen Form für überspitzt. Zumindest, was Bayern betrifft. Ende letzten Jahres erst hätten sich die Ärztlichen Leiter Rettungsdienst auf einen Maßnahmenkatalog geeinigt, der Notfallsanitätern im Freistaat die Ausführung bestimmter invasiver Maßnahmen sowie die Gabe einiger Medikamente erlaube.

Verdi, aber auch das BRK, fordern indes, per Bundesgesetz die Kompetenzen der Notfallsanitäter zu erweitern. Eine vom Freistaat und von Rheinland-Pfalz initiierte Bundesratsinitiative, die dieses Ziel verfolgt, geriet jedoch ins Stocken. Folglich liegt nun die Hoffnung auf Ministerpräsident Söder, die Angelegenheit wieder ins Rollen zu bringen.

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