Neuer DoppelhaushaltNaturschützer fordern 200 Millionen Euro mehr im Jahr

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Der Egglburger See nahe dem oberbayerischen Ebersberg. Dort präsentierte ein Bündnis aus Naturschutz- und Umweltverbänden seine Forderungen.
Der Egglburger See nahe dem oberbayerischen Ebersberg. Dort präsentierte ein Bündnis aus Naturschutz- und Umweltverbänden seine Forderungen. (Foto: Christian Endt)

Ohne das zusätzliche Geld sind all die Ziele nicht erreichbar, die sich Staatsregierung und Landtag für den Erhalt der Artenvielfalt gesetzt haben, sagt das Verbändebündnis, das die Forderung aufstellt.

Von Christian Sebald

Es ist ein denkwürdiges Zusammentreffen. In Nürnberg verkündet Finanzminister Albert Füracker (CSU) an diesem Freitag bei der Präsentation der neuen, düsteren Steuerschätzung, dass er im Doppelhaushalt 2026/2027 „keinen Spielraum für größere Ausgabensteigerungen“ sieht. Kurz darauf fordert ein breites Bündnis aus Naturschutz- und Umweltverbänden im oberbayerischen Ebersberg, das Geld für Naturschutzprojekte um 200 Millionen Euro aufzustocken – pro Jahr. Ohne die zusätzlichen Millionen seien die Naturschutz-Ziele nicht erreichbar, zu denen sich die Staatsregierung und der Landtag in den zurückliegenden Jahren verpflichtet haben, so die Begründung, die sich durch alle Statements der Verbandsvertreter zieht.

Aber nicht nur das zeitliche Zusammentreffen von Steuerschätzung und Forderung ist denkwürdig. Sondern außerdem das Bündnis selbst, das letztere vorbringt. Es umfasst außer dem Bund Naturschutz (BN) und dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) nämlich den Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL) und den Naturparkverband in Bayern. Damit reicht es weit über die klassische Naturschutzszene hinaus und ist über jeden Verdacht erhaben, nur ein städtisch-grünes Milieu zu repräsentieren.

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In den Landschaftspflegeverbänden, die es inzwischen beinahe flächendeckend über den ganzen Freistaat hinweg gibt, sind nämlich außer lokalen Naturschützern zu jeweils einem Drittel Kommunen und Landkreise, aber auch Landwirte und ihre Organisationen Mitglied. Sie stehen beispielhaft für den partnerschaftlichen Naturschutz, wie ihn ländliche Kommunen, Landwirte und Naturschützer vielerorts in Bayern praktizieren. Dem Naturparkverband, dem Dachverband der 19 Naturparks im Freistaat, gehören ebenfalls viele Kommunen und Landkreise an, sein Vorsitzender Heinrich Schmidt ist ein kämpferischer Freie-Wähler-Kommunalpolitiker aus dem Bayerischen Wald.

Auch die 200-Millionen-Forderung ist bei Weitem nicht so hoch gegriffen, wie sie beim ersten Hören wirkt. Und zwar auch dann, wenn man weiß, dass das Geld für den Naturschutz im laufenden Doppelhaushalt ungefähr 160 Millionen Euro im Jahr beträgt. Aber der Freistaat müsste die zusätzlichen 200 Millionen Euro ja nicht alleine finanzieren. So sagt es der LBV-Chef Norbert Schäffer. Sein Anteil beliefe sich auf etwa zwei Drittel, also etwa 130 Millionen Euro. Das andere Drittel entfiele auf den Bund und die EU. „Und die 130 Millionen sind bezogen auf die bayerische Bevölkerung etwa zehn Euro pro Kopf und Jahr“, sagt Schäffer. „Das ist nicht wirklich viel.“

Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz.
Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz. (Foto: LBV)

Den 200 Millionen liegt eine Berechnung zugrunde, wie viel es kosten würde, wenn Ministerpräsident Markus Söder und sein Kabinett ab sofort ernst machen würden mit den vier zentralen Naturschutzzielen, die sie sich gesteckt haben.  Der größte Batzen entfällt demnach auf die Renaturierung von 55 000 Hektar Moorland bis 2040, die Söder schon vor vier Jahren versprochen hat. Die Kosten dafür belaufen sich Schäffer zufolge auf etwa 120 Millionen Euro im Jahr.

Außerdem ist da der Biotopverbund auf 15 Prozent des Offenlandes im Freistaat, der bis 2030 geschaffen werden soll und der sogar in das bayerische Naturschutzgesetz aufgenommen worden ist. Für ihn müsste der Freistaat ab sofort 52 Millionen Euro im Jahr aufwenden, sagt Schäffer. „Sonst wird daraus nichts!“  Der dritte Punkt ist der Streuobstpakt. In ihm hat die Staatsregierung zugesichert, bis 2035 bayernweit eine Million Streuobstbäume zu pflanzen, um die Artenvielfalt zu fördern. Die Kosten: 36 Millionen Euro im Jahr. Im Vergleich dazu nehmen sich die zusätzlichen drei Millionen Euro im Jahr für Artenschutzmaßnahmen – den vierten Punkt – kaum noch nennenswert aus.

Mit ihrem Vorstoß knüpfen die Verbände an den heftigen Streit um die finanziellen Einschnitte im Naturschutz von der Jahreswende und den Sparkurs an, den Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) bereits damals angekündigt hatte. Anfang Dezember 2024 hatte das Umweltministerium einen vorläufigen Stopp für neue Naturschutzprojekte verkündet. Die Folge war eine immense Verunsicherung und Verärgerung bei den Verbänden. Zwar rechnete Glauber ihnen schnell vor, dass der Freistaat 2025 erneut fast genauso viel Geld in den Naturschutz stecken werde wie 2024, in einzelnen Bereichen sogar etwas mehr Geld. Aber seither geht in der Naturschutzszene die Furcht vor Einschnitten um.

Nun sagt Glauber: „Wir stehen zum Naturschutz in Bayern.“ Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Artenvielfalt sei für die Staatsregierung von „zentraler Wichtigkeit“. Zugleich reicht er den Schwarzen Peter an den Bund weiter. Die neue Bundesregierung müsse die Kürzungen der Ampelregierung beim Naturschutz zurücknehmen. In Bayern fehlten dadurch nämlich inzwischen Mittel im zweistelligen Millionenbereich. „Wir setzen alles daran, die Lücke zu schließen“, sagt Glauber. „Aber die ausbleibenden Bundesmittel kann der Freistaat nicht dauerhaft kompensieren.“

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