Ein schmaler, spitzer, roter Schnabel, der an seinem Ende wie ein kleiner Haken nach unten gebogen ist, ein weißes Federkleid und ein schwarz oder – bei Weibchen – rotbraun gefiederter Kopf: Das ist der Gänsesäger. Hauptverbreitungsgebiete des massigen Entenvogels sind Island, Skandinavien und Norddeutschland. In Bayern ist der Gänsesäger eher selten anzutreffen, er steht aber nicht auf der Roten Liste bedrohter Arten. Vor allem ist er an den kleinen und größeren Flüssen südlich der Donau heimisch. Der Bestand wird bisher auf maximal 550 Brutpaare geschätzt. In der kalten Jahreszeit kommen eine große Zahl Wintergäste dazu.
Die Fischer haben ein Problem mit dem Gänsesäger. Denn der Entenvogel frisst vor allem Fische. Zu seiner wichtigsten Beute hierzulande zählt die Äsche. Das ist ein 30 bis 50 Zentimeter großer Forellenfisch, der in sauerstoffreichen Bächen und Flüssen mit steinig-kiesigem Untergrund und starker Strömung lebt. Dort halten sich die Äschen gerne in Gruppen auf. Sie schwimmen offen im Fluss und verstecken sich – anders als Forellen – nicht unter großen Steinen, an einem umgestürzten Baum oder in einer Rinne am Flussboden. Das macht sie zu einer leichten Beute für die Gänsesäger.
Wie viele andere heimische Fischarten in Bayern ist die Äsche auf der Roten Liste als stark gefährdet eingestuft. In der Isar und der Iller, aber auch in kleineren Flüssen wie der Alz, der Traun oder der Leitzach, in denen einst zuhauf Äschen lebten, sind die Bestände massiv geschrumpft. Naturschützer wie Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) nennen als Grund vor allem die Zerstörung der Fisch-Lebensräume in den Gewässern. Zum Beispiel durch die vielen Wehre, Flussschwellen und andere Querbauwerke, aber auch durch die zunehmende Verschlammung und das Aufheizen des Flusswassers durch die Klimaerwärmung. Die Fischer wiederum machen den Gänsesäger für den Äschen-Schwund verantwortlich.
Jetzt ist es zum Eklat zwischen Naturschützern und Fischern gekommen. LBV und Bund Naturschutz (BN) haben ihre Mitarbeit in einem Forschungsprojekt über Gänsesäger und Äschen aufgekündigt und die Arbeitsgruppe aus Forschungseinrichtungen, Behörden und Fachverbänden unter Protest verlassen. „Das Projekt ist völlig aus dem Ruder gelaufen, es hat sich zu einer einzigen Abschussorgie von Gänsesägern entwickelt“, sagt LBV-Chef Schäffer. „Das haben wir nicht länger hinnehmen wollen und können.“ Auch von den Mitgliedern seines Verbands in den Projektregionen sei immer massiverer Druck gekommen, die Zusammenarbeit zu beenden.
„Es darf nicht sein, dass unter dem Vorzeichen des Artenschutzes ganze Flussabschnitte gleichsam Gänsesäger-frei geschossen werden“, sagt Schäffer. Allein an zwei kurzen Flussabschnitten an der oberen und der mittleren Isar seien in den vergangenen beiden Jahren gut 200 Gänsesäger abgeschossen worden. Insgesamt wurden an den sechs Flussabschnitten in dem Forschungsprojekt bisher 342 Gänsesäger getötet. „Das sind einfach viel zu viele“, sagt Schäffer, „wir akzeptieren nicht, dass die Massenabschüsse noch mindestens ein Jahr so weitergehen.“
Die Arbeitsgruppe ist von dem Ausstieg der Naturschützer überrascht worden. „Denn das Projekt läuft ja schon seit 2020“, sagt Michael Schubert vom Institut für Fischerei an der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), der es koordiniert. „Und es war von vorneherein klar, dass in seinem Rahmen Gänsesäger abgeschossen werden.“ Der Grund: Das Projekt soll die Streitfrage ein für alle Mal klären, welchen Einfluss Gänsesäger auf den Äschen-Schwund haben. „Dazu braucht man aber Flussabschnitte mit Gänsesägern und welche, an denen möglichst keine leben“, sagt Bernhard Gum, Fischerei-Fachberater in Oberbayern. „Die Gänsesäger-freien Flussabschnitte bekommt man aber nur, indem man die Gänsesäger dort abschießt.“
„Eine flächendeckende Jagd auf den Gänsesäger ist nicht das Ziel“
Schubert und Gum weisen den Verdacht der Naturschützer zurück, dass unter dem Deckmantel der Wissenschaft die Jagd auf den Gänsesäger als Schutzmaßnahme für die Äsche etabliert werden soll. „Das wäre ja nicht nur gegen den Vogelschutz“, sagt Gum, „sondern außerdem logistisch gar nicht möglich.“ Das Projekt zeige nämlich schon jetzt sehr deutlich, dass die Gänsesäger-Jagd viel zu anstrengend und zeitintensiv sei, als dass sie in größerem Stil praktiziert werden könnte. Auch LfL-Mann Schubert betont: „Eine flächendeckende Jagd auf den Gänsesäger ist nicht das Ziel, die Jäger würden das nicht durchhalten.“
Für die Fischerei-Fachleute sind zwei andere Aspekte wichtig. „Das Projekt macht deutlich, dass die Gänsesäger-Population hier bei uns deutlich höher ist als angenommen“, sagt Gum. „Und zwar um ein Mehrfaches.“ Der LfL-Mann Schubert betont, dass sich sehr klar ein Einfluss der Gänsesäger auf die Äschen in einem Flussabschnitt nachweisen lasse. „In den Gänsesäger-freien Bereichen haben wir deutlich mehr Äschen als in denen mit Gänsesägern“, sagt er. „Und zwar genau in den Größenklassen, die ein Gänsesäger von seinem Schnabel her am besten jagen kann.“
Naturschützer Schäffer nennt das eine Binse. „Jedem Laien ist klar, dass es dort, wo fischfressende Vögel leben, weniger Fische gibt als dort, wo keine Fischfresser unterwegs sind“, sagt er. „Dafür brauche ich kein mehrjähriges Forschungsprojekt.“