Naturschutz:Spanische Bartgeier für Berchtesgaden

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Flaumkugel mit Hakennase: Das Bild zeigt einen der zwei jungen Bartgeier aus dem spanischen Guadalentin, die demnächst im Nationalpark Berchtesgaden ausgewildert werden sollen. (Foto: Franziska Lörcher)

Auch dieses Jahr kommen die Jungvögel für das Wiederansiedlungsprojekt in dem bayerischen Nationalpark aus der Zuchtstation im andalusischen Guadalentin. Die Vögel waren in den Alpen einst ausgerottet worden.

Von Christian Sebald, Berchtesgaden

Das Bartgeier-Projekt im Nationalpark Berchtesgaden geht in die nächste Runde. "Jetzt haben wir endlich den Zuschlag für die beiden Jungvögel bekommen, die wir in diesem Frühsommer auswildern wollen", sagt der Biologe und Projektleiter Toni Wegscheider. "Es sind wieder zwei Bartgeier aus Spanien." Wie ihre Vorgänger Wally und Bavaria stammen BG1145 und BG1147 - so die bisherigen Kurznamen der beiden inzwischen einen guten Monat alten Tiere - aus dem andalusischen Zuchtzentrum Guadalentin. Aber das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit der vier Bartgeier. "Ein Junges ist ein echtes Geschwister von Wally", sagt Wegscheider. "Das andere hat die gleichen Großeltern wie Bavaria."

Bartgeier (Gypaetus barbatus) zählen zu den beeindruckendsten Greifvögeln überhaupt. Das hat natürlich mit ihrer Größe zu tun. Ausgewachsene Bartgeier haben eine Flügelspannweite von knapp drei Metern. Wenn sie hoch am Himmel segeln, ist das ein majestätischer Anblick. Aber auch aus der Nähe sind sie eine außergewöhnliche Erscheinung. Das liegt vor allem an ihrem hakenförmigen Schnabel und den schwarzen Federn, die wie Borsten von ihm nach unten abstehen. Von ihnen hat der Bartgeier seinen Namen. So mächtig und gefährlich die Greifvögel aussehen, so harmlos sind sie. Sie fressen ausschließlich Knochen und Aas.

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Dennoch sind Bartgeier überall in den Alpen erbittert gejagt und schließlich ausgerottet worden. Der Grund war der Irrglaube, dass sie Schafe und sogar Kleinkinder durch die Lüfte entführen und töten. Anfang des 20. Jahrhunderts sind in Österreich und kurz darauf im italienischen Aostatal die letzten Bartgeier der Alpen geschossen worden. In den Achtzigerjahren startete die Wiederansiedlung. Die Projekte waren sehr erfolgreich. Inzwischen leben wieder 300 Bartgeier in den Alpen. Nun soll die Lücke zwischen der Population dort und der auf dem Balkan geschlossen werden. Deshalb hat der Landesbund für Vogelschutz (LBV) vergangenes Jahr das Wiederansiedlungsprojekt im Nationalpark Berchtesgaden gestartet. Binnen zehn Jahren sollen dort jedes Jahr zwei bis drei junge Bartgeier ausgewildert werden.

Die SZ begleitete die Aktion mit einer Serie über Wally

Den Anfang haben die beiden Bartgeier-Weibchen Wally und Bavaria gemacht. Die beiden wurden am 10. Juni 2021 in einer speziell hergerichteten Felsnische im Klausbachtal unter dem Knittelhorn freigesetzt. Sie waren alsbald ein Besuchermagnet, wie ihn der Nationalpark bis dahin selten erlebt hat. Tausende Greifvogelfans verfolgten das Gedeihen der beiden - live von einem Beobachtungsstand einige Hundert Meter gegenüber der Felsnische, aber auch im Internet. Und natürlich via Fernsehen und anderen Medien. Die SZ begleitete die Aktion mit einer Serie über Wally. Beim LBV freuten sie sich sehr über die gigantische Resonanz. "Das ist ein Zuspruch gewesen, wie man ihn sonst von Popstars kennt", sagte LBV-Chef Norbert Schäffer.

Wally und Bavaria haben den Rummel cool genommen. Sie sind längst flügge und gut durch den Winter gekommen. Bavaria ist die abenteuerlustigere. Sie hat im Frühherbst Ausflüge bis vor die Tore Wiens unternommen. Seit Kurzem hält sie sich wieder in der Nationalpark-Region auf. Wally ist die allermeiste Zeit dem Nationalpark und seiner unmittelbaren Umgebung treu geblieben. Große Aufregung gab es, als der LBV-Mann Wegscheider die Funkverbindung zu den beiden verlor. Der Grund war, dass die winzigen Solarmodule die GPS-Sender auf ihren Rücken wegen des tiefen Sonnenstands im Winter nicht mehr ausreichend mit Energie haben versorgen können. Mit dem beginnenden Frühjahr und den höheren Sonnenständen hat sich das Problem von alleine gelöst. "Wir können wieder lückenlos verfolgen, was Wally und Bavaria treiben", sagt Wegscheider. "Es geht ihnen richtig gut."

Auch der Tiergarten Nürnberg beteiligt sich am europäischen Bartgeier-Zuchtprogramm

BG1145 und BG1147 geht es ebenfalls sehr gut. Sie haben bereits ordentlich zugelegt. Bei ihrem Schlupf Anfang März haben sie keine 150 Gramm gewogen und in eine große Hand gepasst. Inzwischen sind sie eine jede ein gutes Kilogramm schwer und so groß wie ein Huhn. Das Zuchtzentrum Guadalentin, aus dem sie stammen, ist eine von etwa 40 Zuchtstationen und Tierparks im europäischem Bartgeier-Zuchtprogramm. Die Einrichtung liegt abgeschieden in einem weitläufigen Naturpark in Andalusien auf 1300 Metern Höhe und ist vor 26 Jahren gegründet worden - als man sich in Spanien an die Wiederansiedlung von Bartgeiern machte. BG1145 und BG1147 bleiben bis kurz vor ihrer Auswilderung in Guadalentin. Bis dahin wird man auch ihr Geschlecht kennen. Bartgeier-Männchen und -Weibchen sind sich äußerlich so ähnlich, dass es einen Gentest braucht, um ihr Geschlecht zu bestimmen. "Der wird erst in einigen Wochen gemacht", sagt Wegscheider.

Auch der Tiergarten Nürnberg beteiligt sich am europäischen Bartgeier-Zuchtprogramm. Das Bartgeier-Weibchen dort hat - wie bei den Greifvögeln üblich - auch in diesem Jahr zwei Eier gelegt. Die Brut ließ sich zunächst sehr vielversprechend an. Die Mitarbeiter rund um den Vizedirektor des Tiergartens, Jörg Beckmann, waren guter Dinge, dass sie dem LBV und dem Nationalpark die diesjährigen Jung-Geier für das Auswilderungsprojekt zur Verfügung stellen können. Aber wie 2021 klappte es wieder nicht. Beide Jungvögel sind noch vor dem Schlupf in den Eiern verendet. Beckmann bleibt der Trost, dass BG1145 und BG1147 im Juni auf der Reise von Andalusien nach Bayern im Tiergarten Nürnberg Station machen werden. Dort werden sie noch einmal gründlich durchgecheckt, danach geht's zur Auswilderung.

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