Jetzt tragen nicht mehr nur Bartgeier, Luchse, Rothirsche und andere Wildtiere in Bayern zu Forschungszwecken hochmoderne GPS-Sender auf dem Rücken oder um den Hals. Sondern auch Wildschweine. "Wir haben bereits zwölf Wildschweine am Sender", sagt der Forstwissenschaftler und Chef des Wildtiermonitorings im Nationalpark Bayerischer Wald, Marco Heurich, "weitere 30 folgen bald." Anders als bei Vögeln, bei denen die Geräte unterm Gefieder verborgen sind, sind die Sender der Wildschweine in sehr auffällige, gelbe Halsbänder integriert. Der Grund: Jäger sollen die Wildschweine erkennen können, die an dem Forschungsprojekt teilnehmen, und sie möglichst verschonen. Die Bewegungsdaten selbst werden den Forschern direkt auf deren Smartphones übertragen.
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Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt, Heurich und seine Mitarbeiter wollen dabei möglichst viel über den Aktionsradius von Wildschweinen erfahren. Denn so häufig die Tiere auch vorkommen, so wenig weiß man nach wie vor über die Größe ihrer Streifgebiete, die Strecken, die sie zurücklegen, und etwaige saisonale Wanderungen. "Und zwar vor allem, was die Mittelgebirge anbelangt, wie bei uns im Bayerischen Wald", sagt Heurich. Erste Erkenntnisse liegen bereits vor. Danach kommen die Bayerwald-Wildschweine weit herum in der Region um den Nationalpark und seinem Pendant auf tschechischer Seite, dem Nationalpark Sumava. In einem Fall wanderte eine Gruppe sogar 18 Kilometer an einem Tag in den Sumava hinein.
Der Bayerische Wald ist eigentlich kein idealer Lebensraum für Wildschweine. Das liegt an den nach wie vor vergleichsweise harten und schneereichen Wintern. Die Tiere kommen im hohen Schnee nur mühselig voran und tun sich auch bei der Nahrungssuche schwer. Früher waren Wildschweine denn auch eher selten im Bayerwald. "Lange Zeit galten sie sogar als ausgerottet", sagt Heurich. "Aber seit 1987 wieder eines geschossen worden ist, steigen die Bestände kontinuierlich an." In guten Jahren, wenn die Buchen Massen von Bucheckern tragen, kann sich die Population laut Heurich auf einen Schlag verdoppeln oder sogar verdreifachen. Die Jagdstrecke im Nationalpark steigt dann auf bis zu 300 Stück.
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Von dem Forschungsprojekt, das vom Umweltministerium finanziert und vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit begleitet wird, erwartet sich Heurich auch wichtige Erkenntnisse für die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Die Tierseuche, die 2007 aus Afrika nach Georgien eingeschleppt worden ist und sich seither rasant nach Westen ausbreitet, ist für Wild- und für Hausschweine in der Regel tödlich. Für den Menschen und andere Tierarten ist sie ungefährlich. Die Übertragung geschieht von Schwein zu Schwein oder durch kontaminierte tierische Produkte, etwa Speiseabfälle. Zu den wichtigsten Mitteln zur Bekämpfung von ASP-Ausbrüchen zählen Sperrzonen. Zu deren Berechnung muss man unter anderem den Aktionsradius von Wildschweinen möglichst gut kennen.
Die gelben Halsbänder mit den Sendern und den Batterien sind für die Wildschweine übrigens harmlos. Die Forscher passen sie den Tieren so genau an, dass sie zwar ausreichend fest sitzen, ihnen aber zugleich genügend Spielraum lassen und sie nicht drücken. Sollte dennoch einmal ein Notfall passieren, kann man so ein Halsband jederzeit per Funksignal von dem jeweiligen Wildschwein lösen. Nach einem halben Jahr fällt es außerdem automatisch vom jeweiligen Tier ab.