Zu den ersten italienischen Glasschleifern, die 1959 von der Spiegelauer Glasfabrik angeworben wurden, zählte der damals 23-jährige Giuseppe Guarino aus Neapel. Sein Plan, nach ein paar Jahren wieder in die Heimat zurückzukehren, wurde über den Haufen geworfen, als er in der Glashütte seiner großen Liebe Erika begegnete. Mit ihr zusammen eröffnete er 1971 in Grafenau die erste Pizzeria im Bayerischen Wald. Drei Sorten Pizza bot er damals an, dazu Spaghetti mit Tomaten- und mit Hackfleischsoße. „Mehr hat’s ned gebn“, sagte er in einem Interview.
Über die Familie Guarino lernten die Waidler nicht nur die Pizza kennen, sondern auch das italienische Speiseeis. Zum Beispiel die Sorte Stracciatella, die wegen ihres zungenbrecherischen Namens von der Grafenauer Kundschaft kurzerhand in Stracula umbenannt wurde. Der erste Eiswagen, mit dem Guarino seine Ware auf dem Grafenauer Volksfest verkaufte, ist heute im Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg zu bestaunen.
1996 übergab Guarino das Lokal an seine Söhne, aber als Padrone war er dort immer noch täglich anzutreffen, quasi als eine Art Inkarnation italienischer Grandezza mitten in Grafenau. Seine Lieblingslektüre war stets die Gazzetta dello Sport, die ihn täglich über das Fußballgeschehen in Neapel informierte. Auf vielen beeindruckenden Fotografien, die sein Sohn Raphael von ihm machte und im Internet zu bestaunen sind, hält er das Blatt in Händen. So ist Guarinos Biografie auch ein wunderbares Zeugnis eines geglückten Zusammenwachsens zweier europäischer Milieus, in deren Mitte sich Guarinos neapolitanische Sprachmelodie mit dem Bairischen zu einem originellen Klangbild vermischen konnte.
Am vergangenen Dienstag ist das italienisch-bayerische Original Giuseppe Guarino im Alter von 88 Jahren gestorben.