Lehrermedientag:Der gute Umgang mit schlechten Nachrichten

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Wie funktionieren die ominösen Algorithmen der sozialen Medien? Eine Antwort auf diese Frage zu haben ist wichtig, zumal Tiktok, Instagram und Co. für Schülerinnen und Schüler oft die einzige Informationsquelle sind. (Foto: Yui Mok/dpa)

Nachrichten voller Kriege, Krisen und Katastrophen belasten Lehrer wie Schüler. Auf dem Lehrermedientag wurde diskutiert, wie man damit umgehen kann – und warum wir uns mit Nachrichten wie Kinder im Süßwarenladen verhalten.

Von Klaus Kloiber

Wie die berühmte Faust aufs Auge passte das Motto des diesjährigen Lehrermedientags zur Weltlage: „Vom guten Umgang mit schlechten Nachrichten“ soll die gemeinsame Aktion der bayerischen Tageszeitungen unter Schirmherrschaft von Kultusministerin Anna Stolz handeln. Mit dem Bruch der Ampelregierung, der Wiederwahl Trumps sowie der Lage in der Ukraine und dem Nahen Osten mangelt es derzeit wahrlich nicht an Katastrophenmeldungen. Da ist es durchaus angebracht zu fragen: Wie wird man davon eigentlich nicht verrückt? Warum ist es trotzdem wichtig, informiert zu bleiben? Und wie funktionieren die ominösen Algorithmen der sozialen Medien?

Moderiert von Lea Thies (Augsburger Allgemeine) und Joanna de Alencar Baban (Mediaschool Bayern) kam im Livestream zunächst Mareike Makosch zu Wort. Sie war Redakteurin, bis ihr die Nachrichtenflut zu viel wurde und sie kündigte. Im Psychologiestudium lernte sie dann, „wie mit dem Ohnmachtsgefühl umzugehen ist“. Jetzt arbeitet Makosch wieder im Journalismus, auch weil sie nun weiß: Objektiv war die Welt noch nie besser, die extreme Armut ist auf einem Tiefstand und die Lebenserwartung steigt ständig. Die erste Erkenntnis des Tages lautet deshalb: Unser Eindruck von der Welt ist verzerrt. „Das müssen wir uns klarmachen, dann fühlen wir uns besser“, sagt sie. Über das Smartphone nehmen wir „an allen Krisen der Welt gleichzeitig teil“.

Der Grund für die verstärkte Wahrnehmung des Negativen, dem sogenannten Negativity Bias, liege in der Evolution – den Säbelzahntiger im Gebüsch zu erkennen, war über Jahrtausende überlebensnotwendig. Heute funktioniert das Leben anders, unser Gehirn aber noch wie damals. Das führt zu Überreizung: „Wir gehen mit Informationen so um wie ein Kind mit der Visa-Karte im Süßwarengeschäft“, zitiert sie Florence Gaub. Wir wollen immer mehr, obwohl wir wissen, dass es uns nicht guttut. Sie plädiert deshalb dafür, auch mal abzuschalten und Langeweile zuzulassen. Ein kompletter Rückzug ins Private könne aber auch keine Lösung sein, ist eine freie Presse doch Privileg funktionierender Demokratien. „Langfristig funktioniert Demokratie nur, wenn Bürger sich informieren und beteiligen“, sagt Makosch. Je besser Menschen informiert sind, desto weniger fühlen sie sich den Ereignissen hilflos ausgesetzt. Diese Werte sollen Lehrer ihren Schülern vermitteln. Ihr Fazit: Sich über die verzerrte Wahrnehmung bewusst werden, seriöse Medien gezielt konsumieren, und: immer auch das Positive sehen.

SZ-Journalist Simon Hurtz erklärte im Anschluss, wie die Algorithmen hinter Tiktok und Instagram funktionieren. Ähnlich einem sehr komplexen Kochrezept geben sie den Programmen Handlungsanweisungen und versuchen Inhalte so zu gewichten, dass Nutzer möglichst viel Zeit dort verbringen. „Durch meine Interaktion, jedes Like, Kommentieren, oder längeres Anschauen gebe ich Signale an die Algorithmen, dass mich diese Art von Inhalten interessiert“, sagt er. Man sei dem Feed deshalb nicht hilflos ausgeliefert, sondern könne ihn bewusst in Richtung positiver und seriöser Inhalte steuern. Das sei für Lehrer durchaus wichtig zu wissen, zumal soziale Medien für Schüler oft die einzige Informationsquelle sind. Hurtz wirbt deshalb dafür, Tiktok einmal auszuprobieren, um zumindest „ein bisschen zu verstehen, was da los ist“.

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