Die Umsiedlung von Behörden aus München in den ländlichen Raum in Bayern schreitet voran. Seit dem Jahr 2014 wurden als Teil der Heimatstrategie der Staatsregierung 80 Projekte für Behördenverlagerungen forciert. Das gab Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU) am Montag in Nürnberg bekannt. Dort zog er für das zehnjährige Bestehen der Strategie eine Bilanz. „Hierdurch bringen wir rund 5200 attraktive Arbeitsplätze und über 1300 interessante Studienplätze in alle Regionen Bayerns“, sagte Füracker. Derzeit läuft das Vorhaben in einer zweiten Stufe. Die Heimatstrategie, zu der nicht nur die Ämter-Umzüge gehören, soll die mitunter auseinanderklaffenden Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land im Freistaat angleichen.
Was am Rande des Pressetermins auch publik wurde: Der Plan von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), einen achten eigenständigen Regierungsbezirk in Bayern zu gründen und dafür München aus Oberbayern herauszulösen, scheint erst mal auf Eis zu liegen. Diese Idee wurde oft im Kontext der Ämter-Umzüge genannt, weil damit die Regierung von Oberbayern in die Fläche wandern sollte. Söder hatte das Vorhaben 2020 in einer Grundsatzrede vor der CSU-Landtagsfraktion erstmals angekündigt, er begründete es mit dem enormen Wachstum der Landeshauptstadt. Man müsse überlegen, ob die Verwaltungsstruktur noch gestalterisch zeitgemäß sei. Als Zieljahr der Umsetzung wurde damals 2025 genannt.
Danach war es still um das Vorhaben geworden. Dem Vernehmen nach kam Kritik vor allem vom CSU-Koalitionspartner Freie Wähler. „Wenn man München aus Oberbayern raus nimmt, reißt man fast das Herz raus“, ließ sich FW-Fraktionschef Florian Streibl mal zitieren. Im Koalitionsvertrag von CSU und FW nach der Landtagswahl 2023 tauchte das Projekt gar nicht auf – anders als die Strukturpolitik über Behördenverlagerungen an sich. Füracker umschiffte am Montag auf Nachfrage das Thema Regierungsbezirk München und verwies auf das Innenministerium.
Das Haus von Minister Joachim Herrmann (CSU) teilte auf Nachfrage der SZ mit: „Bei dem achten Regierungsbezirk handelt es sich um ein längerfristiges Vorhaben.“ Genauer Termin? Offensichtlich völlig unklar. Zumindest aber läuft die Teilverlagerung der Regierung von Oberbayern als Baustein des nun theoretischen Großvorhabens; diese werde jetzt „vorrangig betrieben“, so das Innenministerium. Es soll bereits temporäre Anmietungen geben, am Ende würden es jeweils 500 Arbeitsplätze in Ingolstadt und Rosenheim sein.
Das Grundsteuerfinanzamt bringt 300 Stellen nach Niederbayern
Bis 2030 sollen weitere Verlagerungen von Behörden und staatlichen Einrichtungen umgesetzt sein, vielfach seien die Projekte in dieser zweiten Stufe schon am neuen Standort in Betrieb gegangen, hieß es. Einer Liste des Heimatministeriums zufolge kommt unter anderem das Grundsteuerfinanzamt, 300 Stellen, nach Zwiesel und Viechtach in Niederbayern. In Oberfranken wandert ein Fachbereich der Hochschule für den öffentlichen Dienst nach Kronach (470 Personen), das neue Logistikzentrum der Polizei ist in Hof mit 300 Jobs angesetzt. Den Bedarf für das Zentrum zeigte jüngst eine kuriose Debatte über den Mangel an Diensthosen für Polizeibeamte. Die Umzüge gehen durch viele fachliche Ressorts und Verwaltungsbereiche und betreffen alle Regierungsbezirke.
Die Projekte seien, sagte Füracker, generell auf Jahrzehnte angelegt, es gehe nicht darum, Menschen gegen ihren Willen zu einem Umzug zu bewegen. In ländlichen Kommunen sei die Verlagerung einer Behörde, selbst wenn es nur 30 Mitarbeiter seien, vergleichbar mit Ansiedlungen eines Mittelständlers. Für große Städte sei der Verlust dagegen „kein Problem“, im Gegenteil: „Wir wollen die Ballungszentren entlasten und den ländlichen Raum stärken.“ Füracker nannte die Ämterverlagerung eine „echte strukturpolitische Fortschrittsentscheidung“, sie bringe Kaufkraft und Investitionen in die Regionen. Die Strategie sei eine „Erfolgsgeschichte“.

Bevölkerungsprognose:Bayern wächst weiter - aber längst nicht überall
Nach Berechnungen des Landesamts für Statistik wird der Freistaat im Jahr 2042 an der Marke von 14 Millionen Einwohnern kratzen. Doch nicht alle Regionen sind im Aufwind, die Staatsregierung will das Wachstum weg von überhitzten Ballungsräumen lenken.
In Zahlen zeige sich der Erfolg der gesamten Heimatstrategie auch daran, dass Bayern nicht nur in München und Oberbayern wachse, sondern es in allen Regionen eine positive Entwicklung gebe. So sei die Bevölkerungszahl 2023 trotz rückläufiger Geburtenzahlen in allen Regierungsbezirken gestiegen: insgesamt seit 2013 auf gut 13,4 Millionen Menschen, plus 6,6 Prozent. Zudem würden rund 317 Milliarden Euro des bayerischen Bruttoinlandsprodukts im ländlichen Raum erwirtschaftet, ein Anteil von 44 Prozent. Es gehe um Gleichwertigkeit, nicht Gleichartigkeit, betonte Füracker. In Dörfern führen keine U-Bahnen, in Städten sei es schwieriger, Wohneigentum zu erwerben. Ziel seien aber „die gleichen Chancen“.
Die wirtschaftlichen Daten der Bilanz beziehen sich jedoch auf das Erfassungsjahr 2022 – also vor der aktuellen Wirtschaftskrise. Füracker hatte die konjunkturelle Flaute kürzlich etwa bei den Verhandlungen über den kommunalen Finanzausgleich angesprochen – trotz der Lage erhalten Städte und Gemeinden, Landkreise und Bezirke aber 2025 mehr Geld vom Freistaat.
Ein kritisches Fazit zogen am Montag die Grünen im Landtag. „Viele schöne Zahlen, viele Prestigeprojekte, aber zu wenige konkrete Ergebnisse – so lassen sich zehn Jahre Heimatstrategie in Bayern auch zusammenfassen“, teilte Fraktionschefin Katharina Schulze mit. Der Finanzminister habe eine „Eigenlob-Hymne“ geboten. Dagegen sei etwa in der Kinderbetreuung „die Lage seit Jahren katastrophal. Kita-Plätze sind überall Mangelware“. Der Rosenheimer AfD-Abgeordnete Andreas Winhart, der kürzlich eine Anfrage an die Staatsregierung zur Reform der Regierungsbezirke stellte, sagte: Söder wolle „das Thema offenbar stillschweigend beerdigen“.

