Süddeutsche Zeitung

Fall Genditzki:Online-Petition für wegen Mordes verurteilten Hausmeister

Der Tod einer Seniorin in Rottach-Egern im Jahr 2008 beschäftigt die bayerische Justiz bis heute. Viele Menschen halten den Mann, der vom Gericht verurteilt wurde, für unschuldig.

Von Hans Holzhaider, Tegernsee

"Diese Geschichte ist uns damals schon sehr nahe gegangen", sagt Peter Janssen, 72. "Diese Geschichte" ist ein Kriminalfall, der die bayerische Justiz bis heute beschäftigt. Am 28. Oktober 2008 wurde die 87-jährige Lieselotte Kortüm tot in ihrer Wohnung in Rottach-Egern aufgefunden. Sie war in ihrer Badewanne ertrunken. Am 17. Januar 2012 wurde der Hausmeister Manfred Genditzki zu lebenslanger Haft verurteilt, weil das Gericht überzeugt war, dass er die Frau, die er als Hausmeister der Wohnanlage jahrelang betreut hatte, ermordet habe.

Peter Janssen war, als der angebliche Mord geschah, Bürgermeister der Gemeinde Tegernsee. Seine Ehefrau Ursula war Hausärztin des Hausmeisters Genditzki; sie habe sich, sagt Janssen, schon damals nicht vorstellen können, dass der Mann ein Mörder sei. Er verfolgte intensiv die Berichterstattung über den Prozess in den Medien, "und das Urteil", sagt er, "hat mich sehr befremdet".

Es gab keinen Beweis, keinen Zeugen, und das Motiv, das die Staatsanwaltschaft unterstellte, wurde durch die Beweisaufnahme eindeutig widerlegt. Als im Juni 2019 Genditzkis Rechtsanwältin Regina Rick beim Landgericht München die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragte, überlegte Janssen, seit 2012 im Ruhestand, wie er diesen Antrag unterstützen könnte. "Die Bedeutung dieses Verfahrens geht weit über den Einzelfall hinaus", sagt er. "Wenn dieses Urteil Bestand hat, dann steht jeder, der einen alten Menschen betreut, mit einem Bein im Gefängnis, wenn seinem Schützling etwas zustößt."

Janssen richtete eine Online-Petition ein, die Justizminister Georg Eisenreich auffordert, sich für die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Manfred Genditzki einzusetzen. Peter Janssen ist Jurist. "Die Neigung der Justiz, Wiederaufnahmeverfahren zu vermeiden, ist bekannt", sagt er. Janssen erinnert an den Fall Mollath, in dem die Staatsanwaltschaft erst auf ausdrückliche Weisung der damaligen Justizministerin Beate Merk die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragte.

Die Reaktionen auf die Petition seien positiv, sagt Janssen. "Ich werde oft darauf angesprochen, auch von Leuten, die mir eigentlich distanziert gegenüberstehen". Bisher haben fast tausend Personen unterschrieben, davon mehr als 200 aus dem Landkreis Miesbach.

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SZ vom 04.09.2019/pvn
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