Mobilfunknetz:Das vielleicht berühmteste Funkloch Bayerns bekommt Empfang

Mobilfunknetz: Berühmt wurde Mödlareuth als ehemals geteiltes Dorf. Heute schauen sich Zehntausende Besucher an der früheren innerdeutschen Grenze um. Und bald sollen sie dabei auch Handyempfang haben.

Berühmt wurde Mödlareuth als ehemals geteiltes Dorf. Heute schauen sich Zehntausende Besucher an der früheren innerdeutschen Grenze um. Und bald sollen sie dabei auch Handyempfang haben.

(Foto: Jan-Peter Kasper/dpa/dpaweb)

Der Ausbau des bayerischen Mobilfunknetzes geht voran - das legen auch neue Zahlen aus dem Wirtschaftsministeriums nahe. Und doch hemmt manch altes Problem das Tempo.

Von Maximilian Gerl

Das vielleicht berühmteste Funkloch Bayerns liegt ganz im Norden, fast schon in Thüringen. Das ehemals geteilte Dorf Mödlareuth kommt auf rund 50 Einwohner - und auf jährlich Zehntausende Besucher, die im Deutsch-Deutschen Museum den Spuren der innerdeutschen Grenze nachwandeln und sich dabei dank fehlendem Empfang wie einst abgeschnitten fühlen können vom Rest der Welt. Doch mit letzterem soll bald Schluss sein.

"Ja", bestätigt Bürgermeister Alexander Kätzel am Telefon: Ein Netzanbieter wolle am Ortsrand einen Mast errichten. Ein genaues Datum gebe es noch nicht, aber er hoffe, dass es noch in diesem Jahr so weit sein werde. "Mödlareuth hat fast ein Jahrzehnt darauf gewartet", sagt Kätzel.

Tatsächlich, es scheint etwas voranzugehen beim Ausbau des Mobilfunknetzes in Bayern. Das legen auch neue Zahlen des Wirtschaftsministeriums nahe, die diesen Donnerstag vorgestellt werden. Demnach werden nun landesweit 99 Prozent aller Haushalte mit LTE versorgt; 90 Prozent sollen sogar Zugriff auf 5G haben. Und trotzdem bleiben die Bemühungen um besseren Empfang ein Beispiel dafür, wie lange es hierzulande schon mal dauern kann, Absichtserklärungen in Ergebnisse zu überführen.

Auch Mödlareuth wartete lange auf Empfang, für Einheimische wie seine Gäste gleichermaßen. So findet im Ort am Tag der Deutschen Einheit normalerweise ein großes Fest statt, da wäre es mit Handys "einfacher, sich zu verständigen", sagt Kätzel, "auch für den Sicherheitsdienst". Bislang musste man sich bei solchen Gelegenheiten anderweitig behelfen. Als etwa 2019 der US-Außenminister vorbeischaute, wurde ein provisorischer Funkmast aufgestellt - und kurz darauf wieder abgebaut. Der neue Mast aber soll von Dauer sein.

Derzeit werden die ersten Masten aus dem bayerischen Förderprogramm errichtet

Eines von Bayerns wahrscheinlich größten Funklöchern ist laut einem Blogeintrag der Telekom aus dem Februar dagegen schon gestopft. Demnach errichtete das Unternehmen im Deisenhofener Forst bei München eine 50 Meter hohe Sendeanlage, um einen 4,3 Kilometer fassenden "weißen Fleck" zu erschließen.

Dass es vorangeht, hat vereinfacht zwei Gründe: Zum einen dringen die Netzbetreiber inzwischen tiefer in bislang mastlose Gebiete vor. Zum anderen scheinen die politischen Mühen langsam Wirkung zu entfalten. So hat sich laut Wirtschaftsministerium nicht nur der Empfang für viele Haushalte, sondern zuletzt auch entlang von Autobahnen und ICE-Strecken verbessert. Auf nur noch 280 Kilometern gebe es weiter Passagen ohne Verbindung - damit hätten die unversorgten Streckenabschnitte seit 2019 um 73 Prozent abgenommen.

"Wir haben Ausbautempo, Netzabdeckung und Qualität in den letzten Jahren enorm gesteigert", sagt Minister Hubert Aiwanger (FW). Details will er am Donnerstag im Wirtschaftsausschuss vorstellen. Laut Ministerium werden derzeit zudem die ersten Masten aus dem bayerischen Mobilfunkförderprogramm errichtet, rund 90 Kommunen hätten einen entsprechenden Bescheid erhalten. Und 470 Kommunen meldeten "Zusagen für einen eigenwirtschaftlichen Ausbau von den Netzbetreibern".

Das Förderprogramm gilt als ein wichtiger Baustein im Bemühen der Staatsregierung, Empfang auch in jene Ecken des Landes zu bringen, in denen sich für die Netzbetreiber der Bau eines Masts bislang nicht lohnte. Vereinfacht unterstützt es Kommunen, entweder selbst einen Masten zu errichten, auf dem sich dann die Betreiber einmieten, oder eine Konzession für dessen Bau und Betrieb auszuschreiben. Bis Ende 2022 stehen dafür insgesamt 130 Millionen Euro parat.

Der Gemeindetag lehnte das Projekt zunächst ab und bevorzugt das Bundesprogramm

Wie der Mobilfunkausbau selbst startete das Programm aber mit Anlaufschwierigkeiten. Schon der bis 2013 amtierende Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) schlug sich mit Ideen zur Breitbandförderung herum. Unter seiner Nachfolgerin Ilse Aigner (CSU) nahm das Ganze die heute bekannten Formen an, erfreute sich jedoch nur bedingter Beliebtheit. 2017 etwa lehnte der Bayerische Gemeindetag das Vorhaben noch pauschal mit dem Verweis ab: "Was der Staat nicht selbst machen will, schiebt er ab auf die Kommunen." Anschließend musste die EU-Kommission das Projekt absegnen. Der Start erfolgte dann unter Aiwanger im Dezember 2018.

Seine Skepsis gegenüber dem Programm hat der Gemeindetag beibehalten. Besser findet man dort ein inzwischen ebenfalls laufendes Bundesprogramm, in welchem die Mittel direkt an die ausbauenden Unternehmen fließen - und die Kommune daher statt als Bauherrin mehr als Mittlerin auftritt. Man nehme zwar bayernweit eine "erhebliche Ausbauaktivität" wahr, sagt Stefan Graf, beim Verband für das Thema Mobilfunk zuständig.

Vor allem aber die Standortsuche in den Gemeinden sei weiter "oft ein mühsames Geschäft". Tatsächlich berichten Bürgermeister regelmäßig, wie schwierig es sei, geeignete Flächen für Funkmasten zu finden. Mal stören die Anlagen optisch, mal befürchten Anwohner Schäden durch Strahlung. Der Streit darüber hat schon manchen Ort in zwei Lager gespalten. Graf fordert daher mehr Unterstützung und Engagement des Freistaats, um den Bürgermeistern mit "mehr Sachkompetenz vor Ort" unter die Arme zu greifen.

Auch die Opposition ist über Fortschritte beim Mobilfunk prinzipiell weniger begeistert als die Staatsregierung. Ihr geht der Ausbau seit Langem nicht schnell genug. Annette Karl etwa, wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, zieht aus dem Ganzen vor allem eine Lehre: weniger auf den Markt hoffen, mehr als Staat vorausschauen. Dieser müsse von Anfang an "eine planende Funktion" übernehmen und Infrastruktur zielgerichteter bauen, statt so vieles auf die Kommunen abzuwälzen. Allerdings sei dabei genauso der Bund gefragt, etwa um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.

Wenigstens in Mödlareuth kann man das leidige Thema Mobilfunk hoffentlich bald ad acta legen. Die Standortsuche war hier das kleinere Problem, eine geeignete Fläche für den Mast war laut Bürgermeister Kätzel bald gefunden und vermittelt. Das größere Problem war, überhaupt einen Netzanbieter zu finden, der - Museum hin, Feste her - in dem Dorf bauen wollte. Den Ausschlag gab schließlich ein Schreiben, das Käppel zusammen mit dem Hofer Landrat direkt an einen Netzanbieter schickte. Was er am ersten Tag machen werde, sobald der Mast in Betrieb sei? "Home-Office in Mödlareuth."

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