Abgesagtes Staatsexamen:Junge Mediziner fürchten Nachteile

Lesezeit: 3 Min.

Frederik Hartz hätte Mitte April eigentlich sein zweites Staatsexamen gehabt. (Foto: Privat)

Bayerns Studenten sollen gleich ins Praktische Jahr und das Examen 2021 nachholen. Sie ärgern sich über die neue Regelung und fordern eine Aufwandsentschädigung.

Von Anna Günther, München

Frederik Hartz weiß, wie er punktgenau fit wird. Hartz, 25, spielte bis 2019 in der dritten Liga Handball. Nun hat er wieder trainiert, 100 Tage lang, um fit zu sein fürs Zweite Staatsexamen Mitte April. Das sogenannte M2 ist Voraussetzung für Medizinstudenten, damit sie ins Praktische Jahr gehen können. Eigentlich. Dann kam Corona - und die Mitteilung von Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU): Das Examen in Bayern fällt aus, die Medizinstudenten sollen sofort mit dem Praktischen Jahr (PJ) beginnen und ihre Prüfung im April 2021 nachholen. Der Plan klingt logisch: 836 Studenten hätten in Bayern Examen geschrieben, bundesweit sind es 4600. Sie kommen nun einige Wochen früher als geplant in die Kliniken und helfen, Covid-19-Patienten und andere Kranke zu versorgen.

Humls Argument, man müsse Studenten vor Infektionen schützen, nennt Hartz "zynisch". Das Examen falle ja aus, um die Studenten schneller in die Kliniken zu schicken. "Wir wären gern früher ins PJ gegangen, wenn das Examen vorher stattgefunden hätte", sagt Hartz. Seit Wochen protestieren angehende Ärzte gegen die Änderung der Approbationsordnung für eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite". Eine an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) adressierte Petition dagegen hatte am Dienstag fast 107 000 Unterstützer. Die neue Approbationsordnung trat am 1. April in Kraft, darin legt Spahn fest, dass die Medizinstudenten das Examen nach dem PJ ablegen.

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Die Entscheidung überlässt er aber den Ländern. Das Ergebnis: Neun Bundesländer ziehen das Staatsexamen durch, drei lassen die Studenten entscheiden. Allein Bayern und Baden-Württemberg, beide besonders von der Epidemie betroffen, folgen Spahns Vorschlag. Genau darin liegt ein Problem der Studenten. Hartz nennt das die "mit Abstand schlechteste Lösung". Die Medizinerausbildung ist in Deutschland zentral geregelt. Alle schreiben an den gleichen Tagen die gleiche Prüfung. Dass es nun keine einheitliche Linie gibt, widerspricht aus Sicht der Studenten der Gleichbehandlung. Prüflinge in Bayern und Baden-Württemberg haben 2021 nach ihrem verkürzten PJ deutlich weniger Zeit fürs Examen zu lernen als alle anderen Studenten, mit denen sie dann Examen schreiben. Kurz danach müssen sie das dritte Examen ablegen.

Der neue Rhythmus sprengt die Pläne vieler Studenten, die jetzt nicht wie gedacht in anderen Bundesländern ihre Station absolvieren können. Dazu kommen finanzielle und juristische Probleme. Frederik Hartz etwa wollte das erste Drittel in Lübeck absolvieren, und, um Geld zu sparen, wieder in sein Kinderzimmer ziehen. Seine Münchner Wohnung hätte er untervermietet und so das zweite Drittel des PJ in München finanziert. Aber Schleswig-Holstein zieht das Examen durch, er kann seine PJ-Station dort nicht früher anfangen.

"Viele sorgen sich, dass sie das PJ finanziell nicht stemmen können", sagt auch Jannik Alomo, Fachschaftssprecher der Erlanger Medizinstudenten. Viele Fragen laufen bei ihm auf, Antworten habe er aber kaum. "Die Informationsdichte ist gering." Er meint aus dem Gesundheitsministerium. Wie Hartz erzählt er von Kommilitonen, die das PJ so nicht antreten wollen. Bis Ende dieser Woche muss Hartz sich entscheiden. Alomo rechnet wie der Bundesverband der Medizinstudenten damit, dass ein Drittel der 836 Prüflinge auf das Examen im Herbst warten könnte. Die Entscheidung der Landesregierungen in München und Stuttgart ist für Alomo eine "offensichtliche Benachteiligung" von mehr als 3000 Medizinstudenten gegenüber denen in anderen Bundesländern.

Jannik Alomo ist Fachschaftssprecher an der FAU. (Foto: privat)

Gemeinsam fordern daher die Fachschaften aller süddeutschen Universitäten die Regierungen in Stuttgart und München auf, Abhilfe zu leisten. Die Studentensprecher wollen einbezogen werden und fordern für diese PJler unter anderem Studientage, eine Aufwandsentschädigung in Höhe des Bafög-Höchstsatzes von 850 Euro, und das Zweite sowie Dritte Staatsexamen müsse "in Inhalt und Umfang gekürzt" werden.

Das Gesundheitsministerium verweist an die Unis. Diese seien für die Gestaltung des PJ verantwortlich, dort würden die PJ-Studenten eingeteilt und es habe ja auch bisher Ausnahmen vom Takt gegeben. Bayerische Studenten könnten alle Wunschstationen anpeilen - ob sie aber "für die gewünschte Zeit einen PJ-Platz erhalten können", liege bei der Uni. Abweichungen in Inhalt und Ablauf der Ausbildung will das Ministerium anerkennen. Alles kein Problem?

Auch Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät an der Würzburger Uni, sagt, dass die Mobilität der Studenten "ein ganz großes Stück" eingeschränkt sei. Als Präsident des Medizinischen Fakultätentages habe er gefordert, dass es "um Himmels willen" eine bundeseinheitliche Regelung gebe. Trotzdem hat Frosch Verständnis für beide Seiten. Der Infektionsschutz lasse kein Examen zu. Frosch betont lieber die Chance: "Die Studenten können froh sein, in solch einer Situation ihre Ausbildung zu machen. Was sie jetzt sehen, wird sie fürs Leben prägen." Außerdem hätten die Unikliniken eine "gewisse Flexibilität" bei der Gestaltung des Praktischen Jahres und müssten ohnehin "zweigleisig" fahren, weil einzelne Studenten nach dem Herbst-Examen jetzt erst ihr PJ antreten.

© SZ vom 08.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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