Süddeutsche Zeitung

Forderung:Der laute Ruf nach Anerkennung

Medizinische Fachangestellte wollen auch einen Corona-Bonus

Von Dietrich Mittler

Die zurückliegende Arbeitswoche steckt Barbara Kronfeldner aus dem niederbayerischen Ratzing noch in den Knochen - am Freitag waren es zwei Überstunden, doch am Donnerstag hatte sie die Hausarztpraxis in Schwarzach erst abends um acht Uhr verlassen. Arbeitsbeginn war um sieben Uhr morgens. Kronfeldner ist medizinische Fachangestellte mit der Zusatzqualifikation als Nichtärztliche Praxisassistentin. Schon in Zeiten, in denen noch niemand von Corona sprach, hatte sie viel Arbeit: Patienten beraten, Blut abnehmen oder auch Hausbesuche machen, um Wunden zu versorgen. Doch jetzt kommen die vielen Corona-Test-Abstriche hinzu. "Zuletzt in zweistelliger Höhe", sagt sie, "das Arbeitsaufkommen ist enorm gestiegen." Doch von öffentlicher Anerkennung für die rund 72 000 medizinischen Fachangestellten in Bayern sei nicht viel zu spüren. Geschweige denn davon, dass sich die Anerkennung finanziell auswirken würde.

Im Kreis Straubing-Bogen, in dem die 44-Jährige tätig ist, steht die Corona-Ampel auf Dunkelrot. "In voller Schutzmontur diese Abstriche zu machen, das ist eine Herausforderung", sagt sie. Der öffentliche Gesundheitsdienst werde dadurch zwar entlastet, aber was sie und zahlreiche ihrer Kolleginnen betreffe: "Wir sind wirklich erschöpft", betont sie. Für ihre Patienten nehme sie das in Kauf, aber warum ihre Berufsgruppe trotz der Corona-bedingten Herausforderungen vom Pflegebonus ausgegrenzt bleibe, verstehe sie nicht.

Weil es vielen medizinischen Fachangestellten so ergeht wie Barbara Kronfeldner, schrieb Stefanie Teifel, die den Verband medizinischer Fachberufe in Süddeutschland vertritt, einen Brief an Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). "Wir waren bereits in der ersten Welle ein wichtiger Schutzwall für die Kliniken", führte Teifel darin auf. Immerhin seien viele der Covid-19-Patienten im Frühjahr von den ambulanten Praxen versorgt worden. Seitdem es im Freistaat die Corona-Tests für jedermann gebe, seien es in vielen Fällen erneut die Praxismitarbeiterinnen, die sich dieser Aufgabe stellen - eine Aufgabe, durch die sie "besonders gefährdet" seien.

"Wo bleibt die Wertschätzung?", fragte Teifel die Ministerin. Antwort gab das Landesamt für Pflege. Es übermittelte "größte Anerkennung und höchsten Dank". Aber den Bonus gebe es nicht. Der sei gedacht "als Anerkennung des besonderen Engagements der professionellen Pflegekräfte in Krankenhäusern, stationären Behinderten-Einrichtungen, Einrichtungen der Langzeitpflege und im Rettungsdienst". Und: Dieser Bonus sei "nicht als Gefahrenzulage konzipiert". Für die medizinischen Fachangestellten geht diese Antwort an der Sache vorbei, da nun auch die Mitarbeiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes einen Bonus erhalten sollen. Hannelore König, Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe, will härtere Maßnahmen nicht mehr ausschließen, um die Staatsregierung zum Umdenken zu bewegen. Denkbar sei, sich "mal für einen Tag aus dem Corona-Testprogramm zurückzuziehen".

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SZ vom 17.11.2020/van
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