Masken-Affäre in Bayern:"Ich würde alles genauso wieder machen"

Masken-Affäre in Bayern: Andreas Scheuer (CSU), Ex-Bundesverkehrsminister, nahm als Zeuge im Bayerischen Landtag an der Sitzung des Masken-Untersuchungsausschusses teil.

Andreas Scheuer (CSU), Ex-Bundesverkehrsminister, nahm als Zeuge im Bayerischen Landtag an der Sitzung des Masken-Untersuchungsausschusses teil.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der frühere Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer muss vor dem Masken-Untersuchungsausschuss des Landtags aussagen. Er verweist auf die "Notsituation" zu Beginn der Pandemie - und sagt einen Satz, der wenig überrascht.

Von Andreas Glas, Johann Osel und Klaus Ott

Es ist früher Nachmittag, Tag 30 im Untersuchungsausschuss zu den CSU-Maskenaffären. Die Promidichte ist hoch an diesem Mittwoch, auf dem Flur zum Konferenzsaal des Landtags bringen sich die Kameraleute in Stellung. Die Tagesordnung sieht, erstens, den Auftritt von Andreas Scheuer (CSU) vor, Ex-Bundesverkehrsminister. Und, zweitens, die Aussage von Karin Baumüller-Söder, Ehefrau des Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Beide spielen Nebenrollen in der Affäre - und sind als Zeugen geladen.

Den Anfang macht Scheuer, der wegen des Debakels ums CSU-Prestigeprojekt "Ausländermaut" stattliche U-Ausschuss-Erfahrung hat. Unvergessen etwa die Szene, als er einen Rollwagen mit Aktenordnern in den Verkehrsausschuss des Bundestags schob. Ich habe nichts zu verbergen, das war die Botschaft. Nun also wieder U-Ausschuss, diesmal im Landtag. Ein Gruß für die Reporter, dann betritt Scheuer den Saal. Ohne Rollwagen, unterm Arm ein paar Dokumente, ein Tablet.

Er nimmt Platz, erzählt vom Beginn der Pandemie, beschreibt sich als Minister im Katastrophenmodus. Er berichtet von Konferenzen, Krisenstäben, "einer dramatischen, einzigartigen Situation". Er erinnert an Hilferufe aus Kliniken, "das Material reicht nur noch ein paar Tage, wir laufen leer". Er habe es als Pflicht gesehen, "mitzuhelfen", Schutzmaterial und Masken zu besorgen. Hätte er dies nicht getan, hätte er sich dem "Vorwurf der Untätigkeit" schuldig gemacht. "Ich würde alles genauso wieder machen." Ein Satz, den Scheuer schon öfter in seinem Leben gesagt hat.

Etliche Masken entsprachen nicht den Normen

Scheuer und die Masken, der Fall geht so: Im März 2020, als die Pandemie losrollt, kauft das bayerische Gesundheitsministerium für mehr als 18 Millionen Euro Masken bei einem Passauer Unternehmen - auf Weisung der Staatskanzlei, Dienstsitz von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Der Tipp dazu kam vom damaligen CSU-Bundesminister Scheuer, der aus Passau stammt und den Unternehmer "sehr flüchtig" kannte, wie er am Mittwoch sagt. Anders als etwa bei Alfred Sauter, Ex-CSU-Justizminister und mittlerweile fraktionsloser Abgeordneter, ist nach Lage der Dinge keine Provision geflossen beim Deal, der über Scheuer zustande kam.

Dafür stellte sich später heraus, dass etliche Masken nicht den Normen entsprachen; sie wurden gesperrt. Die mangelhaften Masken seien nach und nach ersetzt worden, heißt es aus dem Gesundheitsministerium, man habe sich im Kaufvertrag abgesichert - das betont auch Scheuer. Doch der Grünen-Abgeordnete Florian Siekmann wirft unter anderem Söder vor, das Geschäft "gegen jeden fachlichen Rat durchgedrückt" zu haben.

Scheuer dagegen verweist, wie zuvor das Gesundheitsministerium, auf die "Notsituation". Dass er vermittelt hat, telefoniert hat, das bestreitet Scheuer nicht. Er bestätigt "direkten Kontakt" mit dem Unternehmer, per Telefon und Mail. Er habe sich informiert, etwa über Liefermengen, nicht über Preise oder Vertragsinhalte. Er habe auch keine Zertifikate kontrollieren können, er sei ja kein "TÜV-Prüfer" und habe nicht "jede der acht Millionen Masken" selbst probiert.

Er habe täglich "50, 60 Mails" zu Angeboten für Schutzmaterial bekommen und "weitergeleitet, was in meinem Ministerium ankam", an unterschiedliche Behörden in Deutschland. Ob er im Fall des Passauer Unternehmens Kontakt zu Söder hatte, der sich ebenfalls für das Geschäft eingesetzt haben soll? Man pflege "regelmäßigen Austausch", sagt Scheuer. Er könne sich aber "nicht erinnern, dass wir über eine Firma geredet haben", nur über die Notlage. Nach zweieinhalb Stunden ist Scheuers Auftritt zu Ende.

Der Fall wiederum, in dem Karin Baumüller-Söder eine Rolle spielt, beginnt am 21. April 2020. Damals schickt das Gesundheitsministerium eine Mail ans Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). "Es wäre sehr eilig, hier handelt es sich um eine ziemlich hochrangige Verbindung", schreibt die Abteilungsleiterin Gesundheitspolitik im Ministerium. Das eilige Angebot stammt von der Baumüller Holding aus Nürnberg, die nach Medienberichten den Geschwistern Andreas Baumüller und Karin Baumüller-Söder gehört.

"Ein ganz normaler Vorgang"

Die Unternehmensgruppe kümmert sich um Automatisierungssysteme für Maschinenbau und Elektromobilität und hat eine Repräsentanz in China - und von dort sollten die 16 Millionen Masken unterschiedlicher Standards kommen, die man dem Ministerium anbot, für insgesamt 28,37 Millionen Euro. Das Geschäft kam jedoch nicht zustande, weil das LGL befand: "Das Angebot ist aus fachlicher Sicht nicht geeignet eine vertragliche Vereinbarung einzugehen!"

Für die Opposition im Landtag stellen sich trotzdem Fragen. Denn am 20. April 2020, einen Tag bevor das Angebot im Ministerium eintraf, hatte Ministerpräsident Söder eine Maskenpflicht in Geschäften und im Nahverkehr angekündigt. Dass gleich am Dienstag das Angebot der Firma von Söders Frau folgte, ließ Florian von Brunn, Chef der SPD-Fraktion, grübeln. "Da interessiert mich schon: War das Zufall?" Auch sei interessant, welche Gespräche und Kontakte es gegeben habe. Das Gesundheitsministerium hatte schon vor Monaten mitgeteilt, das Angebot der Baumüller-Holding sei ein "ganz normaler Vorgang" gewesen und "aller Ehren wert". Die Staatskanzlei erklärte ebenfalls im April 2022, man habe "zu keinem Zeitpunkt Einfluss genommen". Soll heißen: Markus Söder habe sich nicht eingemischt.

Es ist fast 19 Uhr an diesem Tag, als Baumüller-Söder den Saal betritt. Speziell Unternehmen, die gute Kontakte nach China haben, seien beim Masken-Engpass zur Hilfe aufgerufen gewesen. Da habe man sich "verpflichtet" gefühlt, sagt sie. Als sie mit ihrem Bruder Andreas dies andachte, habe sie in einem morgendlichen Gespräch "meinem Mann" mal erzählt, "dass wir eventuell hilfreich sein könnten". Später habe sie für ein "reines Informationsgespräch" einen Anruf durch den Amtschef des Gesundheitsministeriums erhalten, dort einen Kontakt genannt bekommen. Alles Weitere habe dann ihr Bruder übernommen. Sie selbst sei an dem Angebot dann nicht beteiligt gewesen. Und Markus Söder, "selbstverständlich", sowieso nicht involviert - "weil wir das strikt, Unternehmen und das Amt meines Mannes, trennen".

Offene Fragen konnten nicht geklärt werden am Mittwoch: Woher der Anruf des Amtschefs kam, auf Veranlassung des Ministerpräsidenten? In den Augen von Tim Pargent (Grüne) ist das etwas, das auf "gewisse prioritäre Behandlung hindeutet". Dass es in einem späteren Mailwechsel im LGL mit einem Zwinker-Smiley versehen hieß, die "Familie Söder" werde "ungeduldig", kann sich die Zeugin nicht erklären. Sie habe keine weiteren Kontakte gehabt. Natürlich, sagt Andreas Baumüller im Ausschuss auf Nachfrage, sei er sich der Stellung seines Schwagers bewusst gewesen. Aber es "war ein Angebot wie jedes andere auch", anzunehmen oder eben nicht; wie auch geschehen. Er könne "keinerlei Sonderbehandlung erkennen".

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