Maskenaffäre:Zu spät für geschäftstüchtige Abgeordnete

Georg Nüßlein

Georg Nüßlein, damals CSU-Mitglied und Abgeordneter im Bundestag, spricht im vergangenen Jahr während einer Bundestagssitzung. Inzwischen ist er aus der CSU ausgetreten und aus dem Bundestag ausgeschieden, nachdem ihn die CSU nicht mehr aufgestellt hat.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Der Bundestag hat neue Regeln für allzu fleißige Politiker erlassen - doch sie greifen bei Georg Nüßlein nicht. 660 000 Euro bekommt der ehemalige CSU-Politiker aus den Maskendeals zurück, weitere 540 000 Euro dürften folgen.

Von Johann Osel und Klaus Ott

Sein Mandat im Bundestag ist der langjährige CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein wegen der Maskenaffäre los, aber finanziell hält sich der Schaden für ihn in Grenzen. Da das Oberlandesgericht (OLG) München Nüßleins Honorar für Maskendeals nicht als strafbar erachtet, bekommt der Ex-Politiker die bei ihm zwischenzeitlich sichergestellten 660 000 Euro zurück. Und ihm dürften nun auch jene 540 000 Euro zustehen, die er für die Vermittlung von Maskenkäufen des Staates noch bekommen sollte, bevor diese Deals bekannt wurden und sich zu einem Skandal auswuchsen.

1,2 Millionen Euro, das entspricht den Einkünften eines einfachen Abgeordneten, also ohne Zulagen, in zehn Jahren im Bundestag. Und von seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem Parlament, sprich dem Volk, hat Nüßlein mutmaßlich auch nichts mehr zu befürchten. In Paragraf 44a des Abgeordnetengesetzes finden sich zwar Regeln, die so wirken, als passten sie bestens zum Fall Nüßlein. Dort steht unter anderem, eine "entgeltliche Interessenvertretung für Dritte gegenüber ... der Bundesregierung" sei unzulässig. Und wer das als Abgeordneter trotzdem mache, müsse das, was dabei herausspringe, an die Staatskasse abführen.

Das könnte gut passen zu den Erkenntnissen der Generalstaatsanwaltschaft München. Die Ermittler legen Nüßlein und dem ebenfalls aus Schwaben stammenden Landtagsabgeordneten Alfred Sauter zur Last, "gegen die Zusage einer Gewinnbeteiligung" ihren Einfluss und ihre Stellung als Parlamentarier dazu genutzt zu haben, Bundes- und Landesbehörden zum Ankauf von Corona-Schutzmasken zu bewegen. Das klingt ganz danach, als greife der Paragraf 44a des Abgeordnetengesetzes.

Claudia Roth findet das alles "unfassbar"

Doch davon abgesehen, dass Nüßlein und Sauter alle Vorwürfe bestreiten: Der 44a kommt einfach zu spät. Die Regeln, die Nüßlein 1,2 Millionen Euro kosten könnten, wurden erst vor einem Monat eingeführt, also nach den Maskenaffären. Und da Gesetze normalerweise nicht rückwirkend angewandt werden dürfen, dürfte Nüßlein auch hier davonkommen. Ebenso wie bei der Generalstaatsanwaltschaft München, die den Ex-CSU-Politiker verdächtigt, er habe sich als Abgeordneter bestechen lassen. Der betreffende Paragraf 108e im Strafgesetzbuch ist allerdings so eng gefasst, dass auch er nicht greift. Jedenfalls nach Ansicht des OLG München.

Claudia Roth, bayerische Bundestagsabgeordnete der Grünen und Vizepräsidentin des Parlaments, findet das alles "unfassbar". Der Schaden für die Glaubwürdigkeit der Politik sei "riesenriesengroß, gerade in Zeiten, in denen viele Menschen leiden und Einbußen erleiden". Mit der Not des Volkes Geschäfte zu machen, verbiete sich.

Doch was sich moralisch verbietet und was juristisch verboten ist, sind oft zwei Paar Stiefel. Die Anti-Korruptionsvorschriften für Abgeordnete sollen gleichwohl verschärft werden. So war der Donnerstag, der Tag der Wende durch das OLG, auch ein Tag der angekündigten Tatkraft. Alexander Hold, Landtags-Vizepräsident vom CSU-Koalitionspartner Freie Wähler, teilte mit: "Wir machen unmoralisches Geschäftsgebaren von Abgeordneten unmöglich." Kommende Woche ist im Rechtsausschuss des Landtags einerseits ein Entwurf zum bayerischen Abgeordnetengesetz auf der Tagesordnung, von den Koalitionsfraktionen sowie SPD, Grünen und FDP. Die geplanten Regeln, sagt Hold, "entziehen unlauterer Verquickung zwischen Abgeordnetenmandat und Geschäftemacherei schon im Ansatz jeden Boden".

Zusätzlich gibt es im Ausschuss einen Antrag von CSU und FW für eine grundlegende Reform des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung (Paragraf 108e, Strafgesetzbuch), der voraussichtlich in eine Bundesratsinitiative münden wird. "Wenn zwischen Strafbarkeit und Anstand eine große Lücke klafft, wird es Zeit, die Strafbarkeit zu ändern", sagt Richter Alexander Hold. Den "Aufschrei in der Bevölkerung" nach der Entscheidung vom Donnerstag gebe es "völlig zu Recht". Der Antrag setzt auf Umformulierungen beim Tatbestandsmerkmal, zwecks besserem Nachweis von Verstößen. Hold hofft, dass der Paragraf mit dem bayerischen Vorschlag dann bei Fällen wie Sauter und Nüßlein greife. Er sei aber auch offen für einen anderen Weg, andere Formulierungen, die er selbst "nicht im Köcher" habe. Quasi: ein Fall für Rechtsgelehrte, Ideen willkommen!

Die Rückkehr Sauters in die Fraktion hält Kreuzer für "ausgeschlossen"

Einer der besten Zeugen dafür, wie unzureichend das Bundesgesetz gegen Abgeordnetenbestechung bislang ausfällt, sitzt ausgerechnet bei Gauweiler & Sauter. Bei der gemeinsamen Anwaltskanzlei der beiden CSU-Freunde Peter Gauweiler und Alfred Sauter. Dort ist der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof (BGH) Thomas Fischer als Of Councel tätig, als juristischer Berater. 2014 hat der wortgewaltige Fischer in einem Aufsatz für die Zeit den damals neuen Bestechungs-Paragrafen 108e im Strafgesetzbuch als "Käse minderer Qualität" eingestuft: "Viel Luft, wenig Substanz. Die Löcher machen 95 Prozent des Volumens aus."

Natürlich hat Fischer damals nicht ahnen können, welche Rolle Jahre später Nüßlein und Sauter bei Maskengeschäften spielen würden. Und die von Fischer seinerzeit beschriebenen Schmiergeld-Szenarien haben nichts mit den Fällen Nüßlein und Sauter zu tun. Aber erhellend ist es schon, was Fischer 2014 als BGH-Richter geschrieben hat. "Wenn die Wölfe Gesetze gegen die Wilderei machen, haben die Schafe nichts zu lachen." Die Zeit hat Fischers Gastbeitrag so zusammengefasst: Nur ein Abgeordneter, der sich extrem dumm anstelle, könne überhaupt bestraft werden.

Dumm angestellt, geschäftlich und juristisch betrachtet, haben sich Nüßlein und Sauter nicht. Aber mit ihren politischen Karrieren ist es vorbei. Nüßlein ist aus der CSU ausgetreten und aus dem Bundestag ausgeschieden, nachdem ihn die CSU nicht mehr aufgestellt hat. Und für Sauter, der unter parteiinternem Druck die CSU-Fraktion im Landtag verlassen musste, gibt es wohl keine Rückkehr. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer erklärte, er halte die Rückkehr in die Fraktion für "ausgeschlossen". Die Entscheidung des OLG "ändert für uns nichts an der Tatsache, dass Alfred Sauter seine Stellung als Mandatsträger gebraucht hat, um sich in der Pandemie persönlich zu bereichern". Dieses Verhalten habe "uns als Fraktion" und dem Ansehen des Landtags "sehr geschadet".

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