Am Montag hat Martin Huber noch sehr breit gegrinst. In die Linse seiner Handykamera, im Hintergrund das Kapitol in Washington. Der CSU-General war in die US-Hauptstadt gereist, um die Midterms zu beobachten, die Zwischenwahlen, die in dieser Woche stattfanden. Spätestens an diesem Freitag muss ihm das Grinsen dann aber vergangen sein. Da teilt die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) mit: Martin Huber hat beim Verfassen seiner Doktorarbeit getrickst, seine Dissertation hätte gar nicht erst angenommen werden dürfen. Spätestens jetzt ist die Integrität des Mannes, der von Amts wegen die politischen Gegner angreifen soll, selbst schwer angegriffen.
Seit sieben Monaten ist Huber jetzt CSU-Generalsekretär, fast ebenso lange steht er im Verdacht, ein Blender zu sein. Am 8. Mai, keine 48 Stunden nachdem Söder die Personalie präsentiert hatte, ploppte die Nachricht auf: Plagiatsverdacht. Nun also hat die LMU bestätigt, "dass die Handhabung der Formalia als wissenschaftliche Technik nicht den wissenschaftlichen Anforderungen an eine Dissertation entspricht". So steht es in der Erklärung der Uni, die den Promotionsausschuss zitiert, der Hubers Arbeit auf dessen eigene Bitte hin geprüft hat.
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"Dass Fach und Leserschaft über das Verhältnis von Eigenleistung und Leistung anderer Autoren im Unklaren gelassen würden, lege den Verdacht der Täuschung nahe", auch das steht in der LMU-Erklärung. Die Absicht hinter der Täuschung könne dagegen "nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden", Huber habe "seine Vorlagen durchwegs angegeben und der Betreuer der Arbeit diese Arbeitsweise als akzeptabel bewertet". Nur deshalb sieht die Uni offenbar keine rechtliche Handhabe, den Titel zu entziehen. Hinzu kommt, dass die Verjährungsfrist von fünf Jahren abgelaufen ist, Huber hat 2008 promoviert. Zuletzt sagte er noch der SZ demonstrativ gelassen: "Die Uni prüft, ich warte ab."
Wann Huber selbst vom Urteil der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität erfahren hat, bleibt am Freitag zunächst unklar. Auf Nachfrage ist der CSU-General nicht zu sprechen. Er belässt es bei einer dürren Mitteilung. Vier Sätze, aus denen ganz wenig Einsicht spricht, und ganz viel Trotz. Er "akzeptiere und respektiere" die Entscheidung der Uni, teilt Huber mit, und dass er seinen Titel "als persönliche Konsequenz" künftig nicht mehr führen werde. Der Rest seiner Mitteilung kommt nahezu etwas bockig rüber. Das LMU-Urteil sei "überraschend", die Dissertation "nach bestem Wissen und Gewissen verfasst". Also erklärt Huber die Sache direkt für erledigt: "Gut, dass die Prüfung nun abgeschlossen ist, meine volle Konzentration gilt weiter meiner Arbeit als CSU-Generalsekretär." Rücktritt? I wo!
Wobei Huber über sein berufliches Schicksal nicht selbst entscheidet, sondern sein Parteichef: Markus Söder. Auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung sagt Söder am Freitagnachmittag am Rande einer Veranstaltung in Nürnberg: "Ich respektiere seine Entscheidung und damit ist die Sache für mich abgeschlossen." Also kann Huber CSU-General bleiben? "Natürlich."
Dass Huber sein Amt behalten darf, ist nicht unbedingt überraschend. Zumal es sich im Fall des CSU-Generals um ein Partei- und nicht um ein Staatsamt handelt. Dass Huber nun auch ohne Doktorgrad bleiben darf, ist eine rein politische Entscheidung. Und zumindest in der CSU ist die Bereitschaft groß, etwaige akademische Verfehlungen eher milde zu beurteilen. Auch andere Parteien haben inzwischen ihre Erfahrungen mit Plagiatsvorwürfen gemacht, doch die CSU hat da schon eine besondere Historie, zumal in Reihen früherer Generalsekretäre, zu denen etwa Andreas Scheuer und Karl-Theodor zu Guttenberg gehörten, die ebenfalls mal Doktor Scheuer und Doktor Guttenberg hießen, bevor auch sie Titelaffären ( wenngleich verschiedener Art) erlebten.
Der Fall entbehrt nicht einer gewissen Komik
Aber nicht nur deshalb hat der Fall Huber eine gewisse Komik. Er selbst war ja quasi nur General geworden, weil sein Vorgänger Stephan Mayer einen Klatschreporter bedroht haben soll - und deshalb im Frühjahr so skandalumweht zurückgetreten war, dass man fast schmunzeln musste über seinen Nachfolger, der prompt selbst in eine Affäre stolpert. Dass Huber bemüht ist, viel unterwegs, vor allem an der Parteibasis, das sagen fast alle in der CSU, ein "richtig netter Kerl", das hört man auch oft. Öffentlich fällt Huber aber vor allem dadurch auf, dass er wenig auffällt, das sehen viele so. Ein schlimmeres Zeugnis gibt es kaum für einen Mann, der seine Partei nicht nur programmatisch weiterentwickeln und ihren Landtagswahlkampf 2023 organisieren, sondern auch deren Lautsprecher sein soll. Die Frage ist: Wie soll das jetzt erst werden, nach dem Doktor-Urteil, infolgedessen Huber allen Grund haben müsste, erst mal kleinlaut zu sein?
Der Fall Huber ist auch deshalb interessant, weil der 44-Jährige eine Doktorarbeit verfasst hat, die seine Partei zum Thema hat. Titel: "Der Einfluss der CSU auf die Westpolitik der Bundesrepublik Deutschland von 1954 bis 1969 im Hinblick auf die Beziehungen zu Frankreich und den USA." Holm Putzke, Ex-Kreischef der CSU Passau, warf Huber deshalb einen Interessenkonflikt vor, da dieser von 2004 bis 2007 in der Öffentlichkeitsabteilung der CSU-Landesleitung tätig war. "Wenn jemand weniger vom wissenschaftlichen Interesse motiviert ist als eher von einem erhofften Vorteil in der eigenen Politikerkarriere, dann ist das selten ein guter Antrieb und geht oft auch schief", sagte Putzke. Auch der Plagiatsforscher Jochen Zenthöfer, der die Causa Huber ins Rollen brachte, findet: Man könne nicht wissenschaftlich unabhängig über eine Partei schreiben, in der man seinen politischen Aufstieg plane.
Und doch, alle Zeichen in der CSU deuten am Freitag auf "Thema abgehakt". Söder sagt am Freitag noch, nachdem er in Nürnberg dem Spatenstich auf einer Baustelle der staatlichen Bayernheim-Gesellschaft beigewohnt hatte, auf Nachfrage in eine Kamera: Martin Huber leiste als Generalsekretär "sehr gute Arbeit".