Süddeutsche Zeitung

Bayern:Marktl

Hinter dem Schaufenster, wo damals die Vatikan-Brote lagen, die Ratzinger-Schnitten und die Benedikt-Torten, hinter diesem Schaufenster blättert nun der Putz, ein paar schiefe Regale stehen noch rum. Die Bäckerei Winzenhörlein am Marktplatz hat dicht gemacht, genauso wie der Kerzenladen in der Straße um die Ecke, wo es damals Kerzen mit Papstaufdruck zu kaufen gab, in allen Größen und Farben. So hübsch sich Marktl am Inn gemacht hatte, als Papst Benedikt XVI. am 11. September 2006 zu Besuch in seinen Geburtsort kam, so jämmerlich wirkt das 2600-Seelen-Örtchen heute. Immerhin, das Geburtshaus des Papstes hat nicht zugemacht, es ist immer noch ein Museum. In der Museumstür lehnt die Kassiererin, unterhält sich mit einer Bekannten, die gerade vorbeigeradelt ist. Ein paar Tausend Museumsbesucher sollen jedes Jahr noch kommen, da bleibt jede Menge Zeit zum Ratschen.

Über die "Marktlwirtschaft" wurde gespöttelt, als die Marktler Geschäftsleute nach der Papstwahl 2005 ihre Waren einfach umetikettierten. Statt Bier gab es Papstbier, statt Wurst gab es Papstwurst, statt Honig gab es Papsthonig zu kaufen. Doch die Hoffnung, aus der anfänglichen Papst-Begeisterung dauerhaft Kapital zu schlagen, hat sich für die Marktler nicht erfüllt. Am kommenden Wochenende steht das Dorf noch mal im Blickpunkt, wenn Kurienerzbischof und Papstsekretär Georg Gänswein kommt, um an den Papstbesuch zu erinnern. Danach wird in Marktl wieder die gewohnte Tristesse einkehren. GLA

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SZ vom 03.09.2016 / GLA
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