Süddeutsche Zeitung

Brauchtum:Als Mariä Lichtmess in Bayern noch Feiertag war

  • Der Feiertag Mariä Lichtmess am 2. Februar wurde zuletzt 1912 als offizieller Festtag begangen.
  • Erst seit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils in den 1960er-Jahren stehen Weihnachtsbäume nicht mehr bis zu dem Festtag - außer in manchen Kirchen und kleinen Orten.

Von Hans Kratzer

Die Redaktionen der Süddeutschen Zeitung haben am Dienstagnachmittag turnusgemäß eine Rundmail mit der Seitenbelegung der nächsten Ausgabe erhalten. An diesem Tag aber war auf dem Schreiben eine bemerkenswerte, wie aus der Zeit gefallene Notiz zu lesen. Auf dem Seitenkopf hieß es nämlich nicht wie üblich "Plan für Mittwoch", sondern "Plan für Mariä Lichtmess".

Es war wie in längst vergangenen Zeiten, als es in Bayern üblich war, die Tage nach dem kirchlichen Jahreskreis zu benennen. Damals, als man nicht vom 20. Januar sprach, sondern von Sebastiani, nicht vom 23. April, sondern von Georgi, nicht vom 11. November, sondern von Martini. Dementsprechend ist der 2. Februar eben auch als Mariä Lichtmess bekannt.

Lichtmess war einst ein herausragendes, mit Ritualen und Bräuchen gesättigtes Datum. Die Dienstboten erhielten an diesem Tag ihren Jahreslohn, den so mancher Hallodri im Wirtshaus gleich wieder verjubelte. Die freien Tage um Lichtmess herum waren in einer Zeit ohne tariflich geregelten Urlaub ein Luxus. Überdies bot sich die einzige Möglichkeit, den Arbeitsplatz zu wechseln. Die Lichtmessmärkte, wie sie es in Bayreuth, Tann und Massing heute noch gibt, boten für die Anbahnung eines Dienstwechsels beste Möglichkeiten.

Blättert man ein wenig in alten Zeitungen, sticht der einstige hohe Stellenwert von Mariä Lichtmess schnell ins Auge. In den "Tagesneuigkeiten" der Münchner Neuesten Nachrichten vom 2. Februar 1912 rangiert beispielsweise an erster Stelle ein Bericht über den "Lichtmeßtag" - erst danach folgen Mitteilungen über Reichsversicherungsordnung, Kunstverein und Armengesetz.

Aus dieser Rangfolge lässt sich ableiten, dass Lichtmess im damaligen München noch eine zentrale Rolle spielte, auf dem Land sowieso. Allerdings wurde dieser Termin im selben Jahr 1912 zum letzten Mal als offizieller Festtag begangen. Ein paar Monate später erfolgte eine Neuordnung der Feiertage, katholische Traditionsfeste wurden in ihrer Bedeutung zurückgestuft.

Neben Mariä Verkündigung (25. März) und Mariä Geburt (8. September) fiel auch Lichtmess der Reform zum Opfer, ungeachtet seiner Bedeutung, die noch Jahrzehnte fortdauern sollte. Erst dann setzte die Technisierung der Landwirtschaft ein, welche die Dienstboten und den bäuerlichen Scharniertag Lichtmess zu verdrängen begann.

Der Schauspieler Josef Bierbichler schildert diese Entwicklung in seinem 2011 erschienenen Roman "Mittelreich" recht eindrucksvoll am Beispiel des Seewirts: "An Lichtmess 35 wurden zwei Knechte ausgestellt, sie waren überflüssig geworden. Und nur zum Durchfüttern, so sagte der alte Seewirt, behält man höchstens ein Ross, aber auch nur, wenn es ein langes und fleißiges Arbeitsleben hinter sich gebracht hat."

Mariä Lichtmess rhythmisierte freilich nicht nur das Arbeitsjahr. Der Festtag setzte auch in den Belangen von Religion, Brauchtum und Wetterregeln starke, zum Teil bis heute nachhallende Akzente. Wer an Kirchen nicht einfach achtlos vorbeigeht, dem wird auffallen, dass hie und da noch Christbäume leuchten. Wie die Erzdiözese München und Freising bestätigt, dauerte die liturgische Weihnachtszeit traditionell bis Mariä Lichtmess.

Erst seit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils in den 1960er-Jahren endet sie am Sonntag nach dem Dreikönigstag (heuer war das der 8. Januar). Während in konsumzentrierten Haushalten die Christbäume schon am 26. Dezember entsorgt werden, nehmen eine Reihe von Mesnern und Familien den Weihnachtsschmuck nach wie vor erst an Lichtmess ab - es ist eine individuelle, traditionsgetragene Entscheidung.

Die Tradition lebt auch in den wenigen Lichtmess- und Wachsmärkten fort, die unbeirrt bis heute abgehalten werden. Im Marktflecken Tann, zwischen Burghausen und Eggenfelden gelegen, ist die alte Lichtmessherrlichkeit nie erloschen. "Der Wachsmarkttag ist heute noch ein Tanner Feiertag", sagt Bürgermeister Adi Fürstberger. Immer noch wird am Donnerstag vor Lichtmess mit Wachs gehandelt, wie damals, als es kein elektrisches Licht gab und der Bedarf an Wachs und Kerzen groß war.

Die Menschen deckten sich stets um Lichtmess herum mit der kostbaren Ware ein, weil sie in der Winterkälte nicht sogleich zerfloss. Diese Kerzen wurden gleich noch kirchlich geweiht, woraus sich auch der Name Lichtmess herleitet. Nicht zu vergessen, dass es in amourösen Angelegenheiten nie geschadet hat und heute noch nicht schadet, der herzliebsten Dame ein Wachsstöckl zu schenken. Verkauft werden diese Preziosen nach wie vor.

An den Marktstandln wird ein Sortiment präsentiert, wie man es in dieser kuriosen Fülle in keinem Discounter- und Internetladen finden wird: Bauerngeräuchertes, Zwetschgenbavesen, Schmalznudeln, zwilchene Unterhosen, Wundermittel aller Art und nicht zuletzt quietschbunte Tangas und sonstiger Wundertand. Der Wachsmarkt verleiht dem Leben famose Farbtupfer, weshalb er nach wie vor viele Besucher anlockt. Hier genießen sie das Panoptikum einer ländlichen Welt, in der die Kerzen wie ehedem Kirzn heißen und die Anrede "Sie" ein Fremdwort ist.

Dieser Text ist am 2. Februar 2017 in der Süddeutschen Zeitung erschienen.

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Quelle:
SZ vom 02.02.2017/libo/kast/van
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