An der Spitze der bayerischen Jäger herrschen offenbar konträre Auffassungen über den Umgang mit dem Luchs. Der Präsident des Jagdverbands (BJV), Ernst Weidenbusch, ist strikt gegen aktive Wiederansiedlungen in Gebieten, in denen es bisher keine Luchse gibt. BJV-Vizepräsident Eberhard von Gemmingen-Hornberg dagegen spricht sich für genau solche Maßnahmen aus. Mit fünf Naturschutzorganisationen hat Gemmingen-Hornberg unlängst die Staatsregierung schriftlich aufgefordert, ihren Luchs-Managementplan entsprechend zu überarbeiten und darin eine Passage zu streichen, die bisher Ansiedlungen von Luchsen ausschließt. Der Brief, den Gemmingen-Hornberg als Vorsitzender des Fachausschusses Große Beutegreifer im BJV unterzeichnet hat, liegt der SZ vor. Große Beutegreifer ist das Fachwort für Luchse und andere Raubtiere.
"Freilassungen in Regionen, in denen bisher keine Luchse leben, lehnt der BJV kategorisch ab", sagt BJV-Chef Weidenbusch, der außerdem für die CSU dem Landtag angehört. "Das war so und bleibt so." Damit hält Weidenbusch an der Position seines Amtsvorgängers Jürgen Vocke fest.
Vocke hatte 2008 höchstpersönlich den Ausschluss von Wiederansiedlungsprojekten durchgesetzt - mit der Drohung, der BJV werde den Managementplan ansonsten ablehnen. Weidenbusch erklärte außerdem, dass der Fachausschuss Große Beutegreifer im BJV nur darüber diskutiert habe, ob "im Bayerischen Wald gefangene Luchse gegebenenfalls und nur mit Zustimmung der betreffenden Kreisgruppe des bayerischen Jagdverbands umgesiedelt werden können, um eine Population genetisch aufzufrischen".
Gemmingen-Hornberg, für den Luchse ebenso zur heimischen Tierwelt gehören wie Rehe, Hirsche und alle anderen Wildtiere, ist dagegen der Überzeugung, dass der BJV als anerkannter Naturschutzverband verpflichtet ist, sich für den Luchs einzusetzen. So hat er es vergangene Woche im Gespräch mit der SZ gesagt. Der Managementplan sei in die Jahre gekommen, er müsse überarbeitet werden.
In Bayern gibt es nach wie vor nur sehr wenige Luchse. Der Gesamtbestand hat zuletzt etwa 70 erwachsene und 27 Jungtiere umfasst, die allermeisten davon im Bayerischen Wald. Ein Grund, warum die Population nicht vorankommt, ist, dass immer wieder Luchse illegal getötet werden, sowie sie ihr Kerngebiet im Nationalpark Bayerischer Wald verlassen.
"Der Luchs hat ein Lebensrecht in Bayern," heißt es vom BN
Beobachter sind überrascht über die konträren Auffassungen von Gemmingen-Hornberg und Weidenbusch. "70 bis 80 Prozent unserer Mitglieder haben nichts gegen den Luchs", sagt ein prominentes BJV-Führungsmitglied, das wegen des Dissenses der beiden Spitzenleute ungenannt bleiben will. "Für die einen gehört er wie für Gemmingen-Hornberg zu den heimischen Arten und damit in unsere Wälder. Den anderen ist der Luchs schlichtweg egal."
Die Luchs-Gegner im Verband konzentrierten sich in der Hauptsache auf den Bayerischen Wald, wo seit vielen Jahren ein erbitterter Streit zwischen Jägern und Naturschützern um die Raubkatzen tobt. In der nördlichen Oberpfalz dagegen und in Oberfranken, wo es ebenfalls einige wenige Luchse gibt, sei der Luchs bei den Jägern vollkommen akzeptiert. Im BJV wird damit gerechnet, dass sich demnächst das Präsidium mit dem Thema befasst. "Das ist bisher versäumt worden", sagt der Führungsmann. "Aber wir brauchen da jetzt eine klare, zukunftsweisende Position."
Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz, Richard Mergner, der das Schreiben mit der Forderung nach einem neuen Luchsmanagement ebenfalls unterzeichnet hat, bedauert den Dissens an der BJV-Spitze sehr. "Der Luchs hat ein Lebensrecht in Bayern, so steht es ja schon bisher im Managementplan", sagte Mergner. "Wir müssen aber einsehen, dass die Population ohne Unterstützung nicht vorankommt." Aus Mergners Sicht haben sich die bisherigen Gespräche mit dem BJV über ein neues Luchsmanagement sehr positiv angelassen. Deshalb fände er es "sehr bedauerlich, wenn sie auf einmal wieder in alte Konfrontationen münden würden".