Diebstahl und Falschaussage:Bundesgerichtshof urteilt über LKA-Beamte

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Staatsanwaltschaft hatte Revision gegen die Freisprüche für bayerische Spitzenermittler in der sogenannten V-Mann-Affäre eingelegt

Von Olaf Przybilla, Nürnberg/Karlsruhe

Im November 2017 begann am Landgericht Nürnberg, im Schwurgerichtssaal 600, ein nicht alltäglicher Strafprozess. Angeklagt waren sechs Spitzenbeamte des bayerischen Landeskriminalamts (LKA), darunter ein Mann, der zwei Jahre zuvor zum Chef der Sonderkommission ernannt worden war, die sich im Auftrag des Generalbundesanwalts um die Aufklärung des Oktoberfest-Attentats von 1980 kümmern sollte, eine enorm verantwortungsvolle Aufgabe. Im Saal 600 aber saßen die Spitzenbeamten diesmal nicht als Zeugen - sondern als Angeklagte. Drei Jahre später ist diese Causa juristisch noch immer nicht abgeschlossen. An diesem Dienstag soll am Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein Urteil in der Sache ergehen.

Die Staatsanwaltschaft warf den LKA-Ermittlern in ihrer Anklage unter anderem Diebstahl in mittelbarer Täterschaft sowie uneidliche Falschaussage vor: Der Einsatz eines sogenannten V-Manns, eines staatlich bezahlten Spitzels im Rocker-Milieu der "Bandidos", sollte nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft zuvor vollends aus dem Ruder gelaufen sein; die LKA-Beamten sollten sich, um ihre sprudelnde Quelle im sonst unzugänglichen Milieu zu schützen, selbst Straftaten schuldig gemacht haben. Vom Dienst waren die LKA-Beamten während des Strafprozesses suspendiert worden, einen tieferen Fall schienen sich Beobachter kaum vorstellen zu können.

Neun Monate lang wurde in Nürnberg verhandelt, der Prozess durfte als Musterbeispiel dafür gelten, dass man "die Großen" eben nicht immer "laufen lässt": Immerhin hatte da eine Staatsanwaltschaft Razzien im LKA in München durchgeführt, bei Bayerns Spitzenermittlern also; ein Staatsanwalt war sogar eigens dafür abgestellt worden, diesen für den Freistaat nicht eben ruhmreichen Fall lückenlos aufzuklären; und vor Gericht wechselten sich am Ende zwei Staatsanwälte ab, die LKA-Beamten mit fragwürdigen Details ihrer Arbeit zu konfrontieren. Ein Sieg des Rechtsstaats also, urteilten Beobachter.

Am Ende aber endete dieser Strafprozess äußert glimpflich für die meisten Angeklagten, von den Vorwürfen blieb wenig übrig: Lediglich zwei der angeklagten Beamten wurden zu Bewährungshaftstrafen von sieben und drei Monaten verurteilt, sie sollen in einem Prozess am Landgericht Würzburg gegen den ehemaligen Spitzel falsch ausgesagt haben. Hinsichtlich anderer Vorwürfe attestierte das Landgericht zwar ein "Kompetenz-Wirrwarr" bei den federführenden Ermittlungsbehörden, auch sei gegen Richtlinien verstoßen worden. Straftaten stelle dies aber nicht dar. Vor allem aber wertete das Gericht die Aussagen des Hauptbelastungszeugen, jenes ehemals vom LKA bezahlten Spitzels, als ungeeignet für eine Verurteilung. Dieser habe heftigen Belastungseifer an den Tag gelegt, zeichne sich durch ein "manipulatives Wesen" aus und habe sich äußerst widersprüchlich zur Sache geäußert.

Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor in einem fünfstündigen Plädoyer Haftstrafen gefordert, zum Teil ohne Bewährung. Nie habe der damalige Spitzel einen Zweifel daran gelassen, dass es sich bei einem Bandidos-Coup in Dänemark um eine Straftat handelte. Der Spitzel war beteiligt beim Wegschaffen von Minibaggern, die nach Kosovo transferiert werden sollten. Der Spitzel habe den LKA-Beamten stets zu erkennen gegeben, dass da Bagger entweder geklaut oder im großen Stil unterschlagen werden sollten. Um ihre Quelle zu schützen, hätten diese aber an einer "Legende" gestrickt - und zwar der, dass der Spitzel davon ausgegangen sei, es handele sich um eine "Legalfracht". Auch Akten hätten die LKA-Männer in der Folge manipuliert.

Die Staatsanwaltschaft hat Revision gegen das Urteil eingelegt, die Generalstaatsanwaltschaft hat sich dieser angeschlossen. Am ersten Verhandlungstag in Karlsruhe hat die Bundesanwaltschaft aber zu erkennen gegeben, dass sie die Freisprüche für angemessen hält. "Wir sind optimistisch", erklärt daher Maximilian Bär, einer der Anwälte der LKA-Beamten. Aufgrund der langen Verfahrensdauer seien die Beamten extrem belastet, eine Entscheidung noch vor Weihnachten sei da sehr zu begrüßen. Sein Kollege Philipp Schulz-Merkel sagt, die "Tragik in dem Fall" sei, "dass da Beamte auf der Höhe ihres beruflichen Werdeganges" mit so einer Anklage konfrontiert worden seien. Das "Gerede auf dem Gang" von Ermittlungsbehörden sei ihnen auch nach den Freisprüchen von Nürnberg geblieben.

© SZ vom 22.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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