Die Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim ist für Micha Frey kein unbekannter Ort. Im November verbrachte der Passauer Politikstudent schon mal sechs Tage in einer Zelle des Großgefängnisses. Nach Klimablockaden in der Münchner Innenstadt steckte die Polizei ihn und weitere Anhänger der "Letzten Generation" in sogenannte Präventivhaft. Die Polizei kann diese Maßnahme unter bestimmten Bedingungen anordnen, um künftige Vergehen zu verhindern. Mit einer gerichtlichen Strafe hat sie nichts zu tun.
Das Vorgehen löste damals Kritik aus, ein Aktivist saß einen vollen Monat im Gefängnis. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) versprach, diese Art des Freiheitsentzugs - eine Besonderheit des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) - werde "die absolute Ausnahme" bleiben. Doch seit der vergangenen Woche ist der Klima-Aktivist Frey zurück in Stadelheim. Diesmal soll er zweieinhalb Wochen einsitzen. Er hatte sich am Montag vor einer Woche in Passau an die Straße geklebt.
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"Da zu befürchten war, dass der 24-Jährige mit vergleichbaren zukünftigen Aktionen weitere Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder Straftaten begehen würde", ordnete die Polizei einen 30-tägigen Gewahrsam an. Das Passauer Amtsgericht verkürzte die Maßnahme, sie solle "längstens" bis 23. Februar dauern - dem Tag nach Aschermittwoch.
Das Datum könnte eine besondere Rolle spielen. Wie die "Letzte Generation" unter Berufung auf einen "hochrangigen Polizeibeamten" behauptet, soll Passaus Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) die Sicherheitskräfte dazu aufgerufen haben, vor dem politischen Aschermittwoch "harte Kante" gegen die Klima-Aktivisten zu zeigen. In der Passauer Dreiländerhalle findet an diesem Tag traditionell ein großes Schaulaufen der CSU statt, der Ort ist im bundesweiten Fokus. Die "Letzte Generation" unterstellt, dass das strenge Vorgehen aus "politischem Kalkül" erfolgt sei, um für Ruhe zu sorgen. Belege kann die Gruppe nicht vorlegen.
Oberbürgermeister Dupper will den Vorwurf auf mehrmalige SZ-Nachfrage nicht kommentieren. Man könne "nicht nachvollziehen, auf welche Absprache hier Bezug genommen wird", teilt seine Sprecherin lediglich mit. Das Polizeipräsidium Niederbayern betont, dass der Polit-Termin bei der Präventivmaßnahme "keine Rolle gespielt" habe. Im Amtsgericht Passau verweist man darauf, dass der Vorgang "nicht öffentlich" sei, man habe aber alle Verfahrensregeln eingehalten.
Für den Münchner Rechtsanwalt Jochen Ringler, der für den Klima-Aktivisten Frey bereits Beschwerde eingelegt hat, ist ein anderer Punkt entscheidend: Er glaubt, dass der Präventivgewahrsam grundsätzlich nicht geeignet ist, um die rechtswidrigen Blockaden der "Letzten Generation" zu stoppen. "Das PAG wird hier missbraucht", kritisiert Ringler. Es sei dafür konzipiert worden, Terroranschläge und schwere Straftaten zu verhindern, nicht Proteste. Außerdem habe die Bewegung mehrfach bewiesen, dass sie sich von ihren Aktionen nicht abbringen lasse. "Im Zweifel müsste der Staat die Präventivhaft also beliebig oft wiederholen", sagt er. Dann hätte sein Mandant die JVA Stadelheim wohl nicht zum letzten Mal von innen gesehen.