Als Bürgermeister genoss Jürgen Habel viele Jahre einen einwandfreien Ruf in Langenzenn. Der Kulturhof, das Feuerwehrhaus, der Abenteuerspielplatz - allesamt Projekte, die er mit auf den Weg gebracht hat. 2008 wurde der heute 43-Jährige erstmals zum Rathauschef der Kleinstadt im Kreis Fürth gewählt, es folgten zwei satte Wahlsiege, jeweils für die CSU. An diesem Donnerstag aber muss sich Habel am Fürther Amtsgericht verantworten. Er soll betrogen haben. Laut Anklage beläuft sich der Schaden auf 3465,60 Euro, was überschaubar wäre. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft darf trotzdem als ehrenrührig gelten, gerade für einen Bürgermeister: Bei der Vermietung privaten Wohnraums an ukrainische Geflüchtete soll Habel zu viel Geld abkassiert haben. Hat da einer eine Notlage ausgenutzt, um absahnen zu können?
Habel - Jeans, Sakko, Sportschuhe - betritt den Gerichtssaal, wie ein Bürgermeister Säle betritt: Er wendet sich in Richtung der Kameras. Die Staatsanwältin verliest die Anklage, sie sieht es so: Im März 2022 beantragten zwei ukrainische Familien beim Landratsamt etwas, was im Behördendeutsch "Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz" genannt wird. Beide - eine Frau mit zwei Kindern und eine Mutter mit ihrer erwachsenen Tochter - hatten im Souterrain von Habels Wohnung Platz gefunden, vollmöblierter Wohnraum. Für die eine Familie waren 65 Quadratmeter Fläche vorgesehen, für die andere 45, insgesamt zahlte die zuständige Behörde für zweieinhalb Monate an den vermietenden Bürgermeister jene 3465,60 Euro aus. Die Staatsanwältin wirft Habel vor, diese Wohnfläche von insgesamt 110 Quadratmetern habe zwischen März und Mai 2022 so aber gar nicht zur Verfügung gestanden. Vielmehr hätten sich die Familien die Fläche in der Zeit teilen müssen. Habel habe also falsche Tatsachen vorgespiegelt, strafrechtlich: Betrug in zwei Fällen.
Der Bürgermeister spricht mit stockender Stimme, er räumt "Fehler" ein, die bedauere er. Kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges habe er einfach helfen wollen, von Mieteinnahmen sei da noch keine Rede gewesen. Gleich nachdem die Familien eingezogen waren, sei er schwer erkrankt, seine Partnerin kündigte an, mit dem gemeinsamen Kind ausziehen zu wollen, er sei im Kern getroffen gewesen. Dann hätten die beiden miteinander verwandten Familien aus der Ukraine noch zwei unterschiedliche Mietverträge gewollt, die habe er rasch zusammengestellt. Dabei seien Fehler passiert, später auch, bei bestimmten Angaben. "Aber Sie sind doch Jurist", sagt der Richter, schreibe man Zahlen in einen Vertrag, müsse man sich doch "etwas denken dabei".
Es ist nicht die einzige Malaise, mit der sich Habel konfrontiert sieht. Der CSU - der Partei, mit der er seine drei Wahlsiege feierte - gehört er seit März 2023 nicht mehr an. Die Partei wirft ihm vor, seit 2020 keine Mandatsträgerbeiträge gezahlt zu haben. Der örtliche CSU-Chef Christian Ell sagt am Telefon, es sei zu einer "Entfremdung" gekommen. Natürlich habe man Habel gemahnt, doch bitte ordnungsgemäß zu überweisen. Da er das aber fortlaufend nicht getan habe, sei die Beziehung zwischen CSU und Bürgermeister seit drei Monaten offiziell beendet. Das strafrechtliche Verfahren gegen Habel? Natürlich glaubten viele, das sei der Grund dafür, dass der Bürgermeister nur noch "Ex-CSU" ist. Das stimme aber nicht, beteuert Ell, die ersten Mahnungen an ihn stammten ja aus einer ganz anderen Zeit. Eine niedrige fünfstellige Summe soll an nicht gezahlten Beträgen aufgelaufen sein, die CSU will das Geld noch haben.
Trotzdem, sagt der CSU-Ortschef, sei Habel ein Mann mit Visionen, habe viel getan für die Stadt, für Geflüchtete immer ein Herz bewiesen. Im Gerichtssaal bestätigen das zwei ukrainische Zeuginnen: Sehr dankbar sei man Habel. Wie das alles zusammenpasst? Viele in Langenzenn stünden vor einem Rätsel, sagt Ell. Zumal auch der Kommune - unter Habels Führung - Ärger ins Haus steht. Die Rechtsaufsicht prüfe derzeit, warum für etliche Wohnungen, die von der Stadt für Geflüchtete zur Verfügung gestellt wurden, offenbar keine gültigen Mietverträge existieren.
Diese Geschichte indes spielt bei Gericht keine Rolle, da geht's allein um die Privatvermietung Habels. Dessen Erklärung hält die Staatsanwältin für eine Schutzbehauptung, sie fordert eine Geldstrafe. Habels Verteidiger spricht von einem "Spießrutenlaufen" für seinen Mandanten, er fordert Milde. Der Richter spricht Habel wegen zweifachen Betrugs schuldig, er wird mit einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen belegt. Er nehme Habel "nicht ab", wegen einer Ausnahmesituation Fehler begangen zu haben. Der Bürgermeister habe betrogen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.