Süddeutsche Zeitung

Forschungsprojekt:Fleisch müsste doppelt so teuer sein

18 Euro statt neun Euro pro Kilogramm, so viel sollte konventionell erzeugtes Hackfleisch kosten, sagt eine Studie. Der Grund: Die ökologischen Schäden durch die Produktion müssten in den Preis mit eingerechnet werden.

Von Christian Sebald

Bio-Lebensmittel sind deutlich teurer als Lebensmittel aus konventioneller Landwirtschaft, gleich ob im Feinkostladen oder im Discounter. "Das ist nur möglich, weil die Verbraucher die Folgekosten der konventionellen Landwirtschaft für Natur und Umwelt nicht an der Ladenkasse bezahlen müssen", lautet das Credo des Oberpfälzer Bio-Bauern und Vorsitzenden der Landesvereinigung für Ökologischen Landbau in Bayern, Hubert Heigl. Würde man diese Folgekosten in den Preis konventioneller Lebensmittel einrechnen, so Heigls Schlussfolgerung, würde sich ihr Preis zum Teil verdoppeln.

Jetzt hat Heigl dafür die Rückendeckung der Wissenschaft. Die Wirtschaftsingenieurin Amelie Michalke, die an der Universität Greifswald forscht, und Professor Tobias Gaugler, der an der TU Nürnberg Betriebswirtschaft lehrt, analysieren in einem groß angelegten Forschungsprojekt genau diese Folgekosten. Das wichtigste Ergebnis: "Sie sind immens", sagt Gaugler. "Wenn man sie auf die Ladenpreise draufschlägt, müsste ein Kilo Hackfleisch aus konventioneller Produktion statt 9,18 Euro eigentlich 18,84 Euro kosten, also doppelt so teuer sein."

Bei Käse, etwa bei Gouda (12,94 Euro statt 7,98 Euro), ist die Differenz laut Gaugler nicht ganz so dramatisch, aber erheblich. Und am geringsten ist sie bei Obst und Gemüse. Konventionelle Äpfel müssten 1,87 Euro statt 1,69 Euro je Kilo kosten. Alles in allem sind die ökologischen Folgekosten der Landwirtschaft in Deutschland mit etwa 90 Milliarden Euro pro Jahr mehr als vier Mal so hoch wie ihre Bruttowertschöpfung (21 Milliarden Euro im Jahr).

Der wohl wichtigste Grund dafür ist der immense Stickstoffverbrauch der konventionellen Landwirtschaft beim Düngen. Viele Bauern düngen so intensiv, dass die Pflanzen auf ihren Feldern den ausgebrachten Stickstoff nur zum Teil aufnehmen können. Der Überschuss wird im Boden in Nitrat umgewandelt und setzt sich im Grundwasser ab. Nitrat aber ist ein Schadstoff, der unter anderem im Verdacht steht, Krebs auslösen zu können. In vielen Regionen Bayerns, aber auch Deutschlands liegt der Nitratgehalt des Grundwassers längst jenseits der Grenzwerte. Um sauberes Trinkwasser zu garantieren, müssen Wasserversorger in solchen Fällen das Grundwasser aufbereiten oder neue Brunnen in unbelastete Grundwasserströme bohren. Beides verursacht hohe Kosten, geht aber nicht in den Preis konventionell erzeugter Lebensmittel ein.

Die Kosten durch den Artenschwund sind immens

Ein anderes Beispiel für die Folgekosten der konventionellen Landwirtschaft ist der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel. Herbizide, Fungizide und Insektizide vernichten nämlich nicht nur das Unkraut und die Schädlinge, gegen die sie ausgebracht werden. Wissenschaftler machen sie für den dramatischen Schwund in der heimischen Tier- und Pflanzenwelt insgesamt verantwortlich. Die Folgekosten, die der Gesellschaft durch den Artenschwund entstehen, gelten ebenfalls als immens. Michalke und Gaugler erarbeiten derzeit möglichst exakte Parameter, damit sie sie auf einzelne Lebensmittel umlegen können.

Natürlich fallen auch in der Bio-Landwirtschaft ökologische Folgekosten an. Allein schon, weil auch Bio-Bauern ihre Maschinen mit Diesel betreiben und damit das Klimagas CO₂ in die Luft blasen. Aber weil Bio-Bauern weder Kunstdünger noch chemische Pflanzenschutzmittel ausbringen, sind die Folgekosten der Bio-Landwirtschaft sehr viel geringer als die der konventionellen. Außerdem garantiert sie den Erhalt von möglichst naturbelassenem Grundwasser und der Artenvielfalt. Für die Wirtschaftsingenieurin Michalke ist deshalb klar: "Wir brauchen den ökologischen Landbau als zukunftsfähige Form der Landwirtschaft."

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