Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft:Molkerei erlaubt Bauern Glyphosat-Einsatz

Als Grund nennt das Oberpfälzer Unternehmen den Krieg in der Ukraine die damit verbundene Verteuerung von Futter- und Düngemitteln. Der Bund Naturschutz hält dieses Argument für "fadenscheinig".

Von Christian Sebald, Cham

Als die Molkerei Goldsteig im oberpfälzischen Cham vor vier Jahren ihren 2650 Milchbauern verboten hat, auf ihren Wiesen und Feldern Glyphosat einzusetzen, hat sie dafür viel Lob und Anerkennung bekommen. Obwohl die Kritik an dem umstrittenen Pflanzenschutzmittel seither nicht abgerissen ist und es Pläne für ein Verbot von 2023 an gibt, hat das Unternehmen die Vorgabe jetzt wieder aufgehoben. Als Grund nennt Goldsteig in einem Brief an seine Milchbauern den Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Verteuerung von Futtermitteln, Kraftfutter und Dünger. Mit dem Aussetzen des Verbots leiste man einen "Entlastungsbeitrag", heißt es in dem Brief. Goldsteig-Geschäftsführer Andreas Kraus bekräftigte in einer Lokalzeitung, dass man "auf die dramatisch verwandelten Zeiten" reagieren müsse. Die Bauern sollten bei den aktuellen "Preisexplosionen" ihre Erträge stabilisieren können.

Vom Bund Naturschutz (BN) kommt scharfe Kritik. "Die Molkerei bricht ihr Verbraucherversprechen, das sie medienwirksam gegeben hat", sagt BN-Chef Richard Mergner. "Die Gründe sind fadenscheinig." Wenn das Unternehmen seine Milchlieferanten wirklich unterstützen wollte, könnte es ja den Auszahlungspreis für die angelieferte Milch erhöhen, statt "sie wieder zu umweltschädlichem Verhalten zu animieren". Schließlich seien sie in den vergangenen vier Jahren auch ohne Glyphosat ausgekommen. Außerdem rechnet der BN vor, dass das Aussetzen der Vorgabe den Landwirten keine wirkliche finanzielle Erleichterung bringe. Zwar verbrauche mechanische Unkrautvernichtung wie Feingrubbern mehr Diesel. Aber die zusätzlichen 20 bis 30 Euro Spritkosten je Hektar Agrarland entsprächen ziemlich genau den Hektarkosten für das Pflanzenschutzmittel. Für die Bauern sei finanziell also nichts gewonnen.

Glyphosat ist das am meisten verbreitete Unkrautvernichtungsmittel in der Landwirtschaft. In Bayern kommt es jedes Jahr auf 240 000 Hektar oder elf Prozent des Agrarlandes zum Einsatz. Glyphosat steht im Verdacht, Krebs auslösen zu können, und wird für den Artenschwund bei Pflanzen, Mikroorganismen und vor allem Vögeln verantwortlich gemacht. Die Feldlerche, die Goldammer, das Rebhuhn und viele weitere Arten verlieren durch seinen Einsatz die Nahrungsgrundlage. Glyphosat-Rückstände finden sich inzwischen in Bächen und Seen, aber auch in Lebensmitteln wie Bier oder Brot. Die Molkerei Goldsteig verarbeitet nach eigenen Angaben etwa eine Milliarde Liter Milch im Jahr, sie beschäftigt 760 Mitarbeiter und hat zuletzt 537 Millionen Euro Jahresumsatz gemacht.

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