Landwirtschaft:Söders Bio-Ziel vor dem Scheitern

Landwirtschaft: Ab 2030 sollen 30 Prozent der Agrarfläche in Bayern ökologisch bewirtschaftet werden. Jetzt hat erstmals ein Experte dieses Ziel offen als unrealistisch bezeichnet.

Ab 2030 sollen 30 Prozent der Agrarfläche in Bayern ökologisch bewirtschaftet werden. Jetzt hat erstmals ein Experte dieses Ziel offen als unrealistisch bezeichnet.

(Foto: Johannes Simon)

Ein Experte nennt 30 Prozent Öko-Landwirtschaft bis 2030 nicht erreichbar und fordert mehr Ehrlichkeit von der Staatsregierung.

Von Christian Sebald

In der Bio-Szene wird längst darüber spekuliert, jetzt hat es erstmals ein hochrangiger Experte offen ausgesprochen: Das Ziel von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), wonach der Anteil der Bio-Landwirtschaft in Bayern bis 2030 auf 30 Prozent steigen soll, ist unrealistisch. "Das wird nicht funktionieren, dazu müssten sich die Wachstumsraten bei Bio ab sofort verdoppeln", sagte Professor Achim Spiller am Mittwoch in einer Landtagsanhörung über den ökologischen Landbau in Bayern.

Spiller, der an der Georg-August-Universität in Göttingen Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte lehrt, ist einer der renommiertesten Berater der Bundesregierung in Agrarfragen. Seine Forderung: "Die Politik sollte ehrlich sein und sich ein realistischeres Ziel setzen." Zumal Bayern aus Spillers Sicht bei Bio bereits gut da steht - und zwar nicht nur was die Vielzahl der Bio-Bauernhöfe anbelangt, sondern auch die der Verarbeiter und Handelsunternehmen.

Tatsächlich rangiert Bayern in Sachen Bio-Landwirtschaft bundesweit weiter ganz weit oben, auch wenn sie im vergangenen Jahr auch im Freistaat kaum gewachsen ist. Die Zahl der Biohöfe erhöhte sich 2022 um nur 284 auf 11 811. Sie bewirtschafteten zusammen 415 528 Hektar Agrarland. Das ist ein Plus von knapp 7000 Hektar gegenüber dem Vorjahr. Der Anteil der Öko-Fläche an der Agrarfläche insgesamt in Bayern beträgt nun 13,43 Prozent. So kann man es im aktuellen Jahresbericht von Agrarministerin Michaela Kaniber über die Öko-Landwirtschaft nachlesen. Damit ist aber auch klar, dass zu Söders 30-Prozent-Ziel noch 16,7 Prozentpunkte fehlen. Und bis 2030 sind es keine sieben Jahre mehr.

Die Stagnation der Bio-Landwirtschaft in Bayern geht mit der Delle der Bio-Branche insgesamt einher. 2022 sind ihre Umsätze deutlich eingebrochen. Deutschlandweit haben die Verbraucher eine halbe Milliarde Euro weniger für Bio-Lebensmittel ausgegeben als im Vorjahr. Die Gründe sind der Ukraine-Krise und die hohe Inflation. Sie treffen die Bio-Branche besonders, weil die Verbraucher bei teuren Lebensmitteln sparen. Allerdings setzte die Branche 2022 mit 15,31 Milliarden Euro immer noch gut drei Milliarden Euro mehr um als 2019, dem Jahr vor der Corona-Pandemie, die ihr mit ihren Lockdowns eine einzigartige Hochkonjunktur bescherte. In der Landtagsanhörung überwog denn auch die Zuversicht, dass man es mit einer vorübergehenden Delle zu tun habe, die freilich noch einige Zeit anhalten könne.

Was den Ausweg anbelangt, waren sich Spiller und andere Experten ebenfalls einig: Der Bio-Anteil in den sogenannten Gemeinschaftsverpflegungen sollte drastisch erhöht werden, in Betriebskantinen ebenso wie in Kitas, Schulmensen, Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen. Welch enormes Potenzial dort vorhanden ist, kann man daran ablesen, dass Schätzungen zufolge täglich mehr als 16 Millionen Menschen Mahlzeiten in Gemeinschaftsverpflegungen einnehmen - bei einem Bio-Anteil von nur einem Prozent. Die Bio-Bauern, aber auch Verarbeiter wie Barbara Scheitz von der Andechser Bio-Molkerei, fordern deshalb schon lange für Mahlzeiten in öffentlichen Einrichtungen eine verbindliche Bio-Quote von wenigstens 30 Prozent. Inzwischen hat sich auch der Bauernverband der Forderung angeschlossen - unter der Voraussetzung allerdings, dass es sich um "Bio aus Bayern" handelt. Nur dann sei nämlich garantiert, dass die bayerischen Bio-Bauern davon profitieren.

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