Zehn Monate vor der Landtagswahl herrscht in Bayern offenbar keine Wechselstimmung: Wäre schon jetzt Wahltag, könnten CSU und Freie Wähler mit zusammen 51 Prozent ihre Mehrheit verteidigen. Das zumindest zeigte dieser Tage eine repräsentative Umfrage im Auftrag von SAT 1 Bayern. Doch noch ist der Wahlkampf gar nicht richtig losgegangen. Zum Start ins Jahr 2023 treffen sich die Landtagsfraktionen diese und kommende Woche zu ihren Winterklausuren. Ein Festzurren von Positionen ist zu erwarten, aber natürlich auch, wie sollte es anders sein im Wahljahr, ein erster Hauch von politischem Remmidemmi. Wie ist die Stimmung? Ein Überblick.
41 Prozent in der neuen Umfrage - in CSU-Kreisen wird das als "komfortabler" Start ins Wahljahr gedeutet. Die Vier vornedran hat Symbolcharakter, gilt es doch für Ministerpräsident Markus Söder, nach Möglichkeit mehr einzufahren als die für CSU-Verhältnisse bescheidenen 37,2 Prozent von 2018. In erster Linie aber will man weiterregieren, mit den FW - einem schwarz-grünen Bündnis hat Söder eine Absage erteilt. Über den Anti-Ampel-Wahlkampf hinaus fahndet die CSU akut nach einem Slogan für das "Bayern-Gefühl", das sich aus den Komponenten Tradition und Aufbruch speisen soll; so wie einst im Spruch "Laptop und Lederhosn" verankert. Als Söders Favorit derzeit gilt "Hightech und Heimat". Vielleicht kommt da aber noch etwas.
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Am Dreikönigstag bei der Klausur der Bundestags-CSU hat er sein Talent unter Beweis gestellt: "Weißblau statt Woke", sagte Söder da beim Auftakt des Treffens. "Woke" meint spöttisch: eine Überempfindlichkeit für Ungerechtigkeiten und Diskriminierung, wie sie die CSU dem linken Lager zuschreibt.
Hightech und Heimat also. Letzteres versucht Söder seit Monaten mit Leben zu füllen, in dem er scheinbar kein Fest im weiten Bayernland unbesucht lässt. Zum Hightech trägt die Klausur der CSU-Fraktion nächste Woche in Kloster Banz bei. "Bayern 2030 - Die Zukunft beginnt jetzt!" heißt das Motto. Es geht auch um die milliardenschwere Hightech-Agenda der Regierung, die nach Ansicht vieler Christsozialer wegen der Pandemie noch nicht genug öffentliche Würdigung erfahren habe. Zu Gast sind unter anderem Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Antoine Barre, Managing-Direktor von Apple Deutschland, und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Söder wird vor den Abgeordneten eine Grundsatzrede halten.
Die Freien Wähler gehen gelassen ins Wahljahr
Gelassen ins Wahljahr gehen auch die Freien Wähler, die bereits an diesem Mittwoch im oberbayerischen Chieming den Klausur-Reigen starten. In Umfragen liegen die FW seit Monaten ziemlich konstant um die zehn Prozent, als künftigen Koalitionspartner hat sie Söder eben fix eingebucht. Nach außen gibt die Fraktion ein geschlossenes Bild ab, Misstöne gegen das FW-Zugpferd - Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger - scheinen perdu zu sein. Sie waren entstanden wegen Aiwangers Zögern bei der Corona-Impfung und wegen des am Ende gescheiterten Plans, die lokal gewachsenen FW 2021 unbedingt in den Bundestag zu bringen. In Chieming geht es um Steuern, Handwerk, Energie und Ehrenamt, es kommen Clemens Fuest vom Münchner ifo-Institut und Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft.
Im schwäbischen Bad Wörishofen treffen sich die Grünen, Motto "Energiewende mit DIR!". Geplant ist unter anderem ein Besuch der Pionierkommune Fuchstal, um Windräder und Energiespeicher zu besichtigen. Workshops wie zu energetischen Sanierungen oder ein Gutachten zur finanziellen Beteiligung von Kommunen an der Energiewende - die Grünen fokussieren sich auf ihr Kernthema. Mitdiskutieren wird auch die Bundesvorsitzende Ricarda Lang. In der jüngsten Umfrage landeten die Grünen bei 18 Prozent, in etwa das Ergebnis von 2018. Das war schon mal mehr, die Regierung in Berlin scheint nicht gerade Flügel zu verleihen.
Worüber im politischen München debattiert wird: Durch Söders Schachzug, Schwarz-Grün auszuschließen, hat er die Partei einer Machtperspektive beraubt. Eine solche müsste man als Oppositionsführerin wohl schon der Wählerschaft aufzeigen. Es bleibt im Grunde nur die - auch grün geführte - Ampel für Bayern. Da blieben die Grünen aber bislang so unkonkret wie möglich. Fraktionschef Ludwig Hartmann definierte die Wahl am 8. Oktober kürzlich als "Volksabstimmung zur Energiezukunft Bayerns". Die Frage ist nur: Wie und mit wem?
Die SPD hat eine Ampel für Bayern ins Spiel gebracht
Die SPD hat für ihre Klausur im Landtag Bundesparteichef Lars Klingbeil eingeladen - was vielleicht als Omen gelten soll. Klingbeil hatte als SPD-Generalsekretär die Kampagne von Olaf Scholz geleitet. Der wurde mit seinem Kanzleranspruch anfangs belächelt und machte dann das Rennen. So ungefähr stellt es sich ja auch Fraktionschef und Spitzenkandidat Florian von Brunn vor. Schon gleich nach der Bundestagswahl hatte er eine Ampel für Bayern ins Spiel gebracht, damals lag die SPD in Umfragen kurzzeitig vor den Grünen. Inzwischen steht sie wieder im einstelligen Bereich.
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Dabei ist Brunn schon jetzt der wohl umtriebigste aller Wahlkämpfer, kaum eine Woche ohne Vorstoß. Allein in der staden Zeit zwischen Weihnachten und Dreikönig forderte er ein Volksbegehren zur Windkraft und eine externe Kommission zum staatlichen Wohnungsbau. Schwerpunkte der Klausur im Landtag: Fachkräfte, Wohnen, Bildung und Energie. Zu Gast ist etwa Peter von Zumbusch, Werksleiter bei Wacker Chemie in Burghausen.
Die AfD-Fraktion hält eine Klausur ab - und es wird erwartet, dass alle Abgeordneten, also beider Lager, erscheinen. Das ist an sich schon eine Meldung wert, gab es doch bereits im Streit abgebrochene oder von Vornherein gestrichene Klausuren bei der AfD. Der interne Richtungskampf ist nicht beigelegt, der Vorstand steht nach Austritten ohne Mehrheit da. Eine offene Eskalation im Wahljahr? In Fraktionskreisen hört man eher von "Burgfrieden" bis Oktober. Bei der Klausur im Landtag dürfte es um Energie gehen: Die AfD fordert eine Laufzeitverlängerung der AKWs und die Reaktivierung abgeschalteter Meiler, Fraktionsvize Gerd Mannes wetterte zuletzt gegen "ökosozialistischen Irrsinn". Im Zuge der Silvesterkrawalle in Berlin erhoffen sich Abgeordnete den Beginn einer großen Migrationsdebatte, die im Wahlkampf dienlich sei.
Die FDP trifft sich von Donnerstag an in Seeon, jüngste Umfragen verorten sie unter fünf Prozent - und damit nicht mehr im Landtag. Ein Ampel-Schaden, lautet die nahezu einhellige Deutung in Parteikreisen. "FDP pur" hat sich Fraktionschef Martin Hagen daher als Strategie verordnet, er will sich ungern im Wahlkampf in ein Ampellager zwängen lassen, sieht sich auch als denkbarer Partner der CSU. Ein Profil mit starker liberaler Handschrift soll die "Trendwende" bringen, so die Hoffnung, wie sie Hagen nun auch in einem Positionspapier mit der Hessen-FDP formulierte; dort wird ebenfalls bald gewählt. Es geht um weniger Bürokratie und "Planwirtschaft", Steuersenkungen, Steuerung von Migration oder Innovation beim Klimaschutz. In Seeon befasst sich die FDP konkret mit Wirtschaft, Technologie und Inflation, zugeschaltet ist Bundesverkehrsminister Volker Wissing.