Nach der Resolution der bayerischen AfD zur „Remigration“ – der massenhaften Abschiebung von Ausländern und womöglich auch deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund – haben sich die Fraktionen im Landtag geschlossen dagegen gestellt. Anlass war am Donnerstag das Debattenformat einer Aktuellen Stunde, deren inhaltlicher Vorschlag der AfD oblag. Als Thema setzte sie an: „Unser Geld für unsere Leute – bayerische Zukunft sichern und Heimat stärken.“
Roland Magerl (AfD) zeichnete „unkontrollierte Migration“ als Belastungsfaktor für das Gesundheits- und Sozialsystem. Bei der einheimischen Bevölkerung werde gespart, meinte er mit Blick auf die Kürzungen bei Familien- und Pflegegeld, wie sie das Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kürzlich beschloss. Franz Schmid (AfD) rief: „Wir von der AfD sagen: Nein, das Weltsozialamt hat geschlossen.“ Das ist ein alter Slogan der NPD. Das Konzept der „Remigration“ sei „die Lösung“, ergänzte Schmid. Es umfasse aber nur „gesetzeskonforme“ Maßnahmen, alles andere seien „erfundene Lügen“. Auf ihrem Parteitag vergangenes Wochenende hatte die AfD „millionenfache Remigration“ gefordert, diese solle alle Personen „mit schwach ausgeprägter Integrationsfähigkeit“ betreffen.
Die CSU suchte am Donnerstag die Konfrontation mit der AfD – und zwar äußerst wuchtig. Sozialministerin Ulrike Scharf ergriff das Wort. Der soziale Frieden im Land sei ein wesentlicher Standortfaktor, sagte sie, die AfD habe nur „Destruktion“ und „Hass“ zu bieten, unter deren „Parolen schimmert die braune Soße“. Die AfD schade dem Ruf Deutschlands, „von Moskau finanzierte Giftmischer sind keine Patrioten, sondern sehr schlecht getarnte Vaterlandsverräter“. Karl Straub, der Integrationsbeauftragte der Staatsregierung, bezog sich eben auf die Ausweisung von Millionen Menschen. In Deutschland gebe es 226 000 ausreisepflichtige Asylbewerber, so Straub, „die werden irgendwann nach Hause gehen müssen, da stimmen wir überein“. Aber da gehe die Rechnung der AfD nicht auf. Es stelle sich die Frage: Wer sind diese Millionen? Und ist es eine Million, sind es zehn Millionen?
Michael Hofmann, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU, sagte zur Sozialpolitik: „Neiddebatten helfen uns nicht weiter“ – sie „verschmutzen die Gedanken und spalten unser Land“. Schon zuvor im Landtag hatte CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek gewarnt: Der AfD-Beschluss für „Remigration“ sei „beschämend“ und stoße viele Menschen in Pflege, Bau oder Gastronomie vor den Kopf, ohne die „unsere Wirtschaft nicht funktionieren“ würde.
Eine „unsägliche Titelzeile eines AfD-Vorschlags“ kritisierte Claudia Köhler (Grüne). Der Antrag zur Aktuellen Stunde sei die logische Folge aus Geheimtreffen und AfD-Parteitag. Sie bezog sich damit auf Zusammenkünfte von AfD-Politikern in Potsdam sowie in Bayern im schwäbischen Dasing, wo es um „Remigration“ ging und auch Vertreter der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ teilnahmen. Dies sei „eine neue Dimension des Rechtsextremismus“, so Köhler, es werde sich gar nicht mehr um „bürgerliche Tarnung bemüht“.
Harry Scheuenstuhl (SPD) fragte: Was ist denn unser Geld? Und antwortete mit Bezug zur AfD: „Unser Geld ist der Euro, denen ihr Geld ist der Rubel.“ Die AfD wolle Menschen nach Genen und Blut „sortieren“, das sei „eine hasserfüllte Politik“, die in „Fressen und Gefressenwerden“ münde. Stefan Frühbeißer (Freie Wähler) warnte ebenfalls vor einem „Aufhetzen“ der Menschen. Und meinte zum AfD-Antrag: Was ist mit den mehr als 35 000 Auslands-geführten Unternehmen in Deutschland mit fast vier Millionen Arbeitsplätzen – wessen Geld seien deren Erträge und Steuern dann bitte?
Migration in Bayern:„Bett, Brot, Seife“ – ist das möglich?
Die Staatsregierung von Markus Söder will die Leistungen für Geflüchtete einschränken und die Asylkosten in Bayern senken. Dabei hat auch die Ampel schon viele Härten beschlossen. Was kommt also wirklich, was ist Rhetorik? Eine Analyse.
Schon nach dem AfD-Parteitag hatte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) davon gesprochen, das Papier zur „Remigration“ sei „indiskutabel“. Herrmann, dessen Ressort für den Vollzug von Abschiebungen zuständig ist, hatte bereits nach dem Treffen in Dasing den Unterschied zwischen einer strengen Asylpolitik und den Ideen von AfD und Identitären erklärt. Diese verstünden darunter eben nicht nur die Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer, sondern offenbar auch von deutschen Staatsbürgern mit Zuwanderergeschichte. Diese Degradierung von Menschen zu „Bürgern zweiter Klasse“ sei mit dem Grundgesetz unvereinbar.
In Dasing war auch AfD-Mann Franz Schmid anwesend, der nun im Landtag sprach. Die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Identitären stehen auf der „Unvereinbarkeitsliste“ der AfD, de facto findet zunehmend eine Kooperation statt. Schmid wird als Abgeordneter – was nicht alltäglich ist und hohen Hürden unterliegt – als Einzelperson vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet.
Im Dezember stellt die AfD ihre bayerische Bundestagsliste auf. In Parteikreisen gilt es als sicher, dass nur Bewerber die Gunst der Basis erfahren, die das Wort „Remigration“ aktiv im Munde führen. Der Provokation durch den Beschluss der Resolution gilt intern als PR-Coup, der den Bundestagswahlkampf gezielt pushen solle. Es seien in Medien deutschlandweit Aspekte des „längst überfälligen Handlungskonzepts“ zitiert worden, jubelte der AfD-Vorstand in einer Pressemitteilung. Im BR-„Bayerntrend“ liegt die AfD in Bayern mit 17 Prozent auf Platz zwei. Neu ist der Begriff in der AfD indes nicht. So sprach AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner beim Gillamoos dieses Jahr schon von „millionenfacher Remigration“ – ebenfalls ohne eine Erklärung, wie sich diese Zahl errechnet. Weitere AfD-Redner im Plenum des Landtags tun dies immer wieder mal. Und bereits seit Längerem unterhält die Fraktion den Posten eines „remigrationspolitischen Sprechers“.