Im bayerischen Landtag wird erstmals ein Ordnungsgeld wegen eines verbalen Ausfalls verhängt. Wie Präsidentin Ilse Aigner (CSU) am Dienstag in der Vollsitzung mitteilte, handelt es sich um eine Äußerung des AfD-Abgeordneten Oskar Lipp in der Sitzung vor gut zwei Wochen. Dieser sagte damals, die anderen Parteien würden Friedensverhandlungen zwischen den USA und Russland sabotieren: „Meine Damen und Herren, Sie wollen weiterhin den Endsieg.“
Aigner sagte am Dienstag: Dabei handele es sich um eine „nicht hinnehmbare verbale Entgleisung“, eine Beschwörungsformel der nationalsozialistischen Propaganda. Dass der Begriff nun im Kontext des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine genutzt wurde, komme zudem einer Täter-Opfer-Umkehr gleich. Lipp soll 1000 Euro zahlen.

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Dem Beschluss war eine Beratung des Präsidiums vorangegangen. Der damalige Sitzungsleiter, Vizepräsident Markus Rinderspacher (SPD), hatte Lipp zur Ordnung gerufen und gefordert, „nationalsozialistischen Jargon hier im demokratischen Hohen Haus zu unterlassen“. Er hatte auch die Möglichkeit der Geldstrafe in den Raum gestellt. Das Präsidium hielt Lipp zugute, dass gegen ihn bislang noch keine Ordnungsmaßnahme verhängt wurde. Allerdings sei das keine „impulsive Spontanäußerung“ gewesen, sondern bewusster Teil einer Rede. Dies habe Lipp auch in einem Schreiben eingeräumt. So sei es zur Anordnung der konkreten Summe gekommen.
Wegen Störaktionen und Beleidigungen in der vergangenen Wahlperiode war zuletzt das Abgeordnetengesetz reformiert worden. Die klassische, „zahnlose“ Rüge im Parlament wurde abgeschafft, stattdessen gibt es nun ein dreistufiges Verfahren: zunächst ein Ordnungsruf bei Verletzungen der Würde des Landtags, dann bei erneutem Vorfall oder bei besonders gravierenden Verstößen die finanzielle Sanktion; bis zu 2000 Euro, bei Dauerpöblern bis zu 4000 Euro. Und als dritter Schritt und ultima ratio ein Ausschluss aus der Sitzung.
In den vergangenen Monaten hatte das neue System noch keine Anwendung gefunden; womöglich hatte dessen Einführung eine präventiv disziplinierende Wirkung, wurde in Landtagskreisen gemutmaßt. Mit dem erstmaligen Einzug der AfD in den Landtag 2018 war es zu einem Rekord an Rügen gekommen, bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 gab es 26 Fälle. Die meisten davon betrafen eben die AfD oder fraktionslose Abgeordnete aus ihrem Lager. Zuvor hatte es mehr als zwei Jahrzehnte keine einzige Rüge gegeben. Die AfD-Fraktion hatte bereits bei den Beratungen zum neuen Abgeordnetengesetz von einem „Maulkorb-Gesetz“ gesprochen. Aigner dagegen hatte die Reform stets so begründet: „Unsere parlamentarische Demokratie ist wehrhaft, sie lässt sich nicht verächtlich machen und sie lässt sich von niemandem auf der Nase herumtanzen.“