Süddeutsche Zeitung

Krimi aus Bayern:In den Katakomben des Landtags schlummert ein jahrhundertealtes Geheimnis

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Der CSU-Abgeordnete Gerhard Hopp hat ein Buch veröffentlicht, das die verborgenen Abgründe des Landtags ausleuchtet - Terror, Wendungen, Explosionen inklusive.

Von Andreas Glas, München

Man fängt am besten nicht vorne an, sondern ganz hinten, Seite 262. "Wer sich Enthüllungen politischer Skandale oder Schmutzeleien erwartete", schreibt der Autor im Nachwort, "der könnte bei der Lektüre des vorliegenden Buches vielleicht sogar ein Stück weit enttäuscht sein." Ein Stück weit? Man ist sogar maßlos enttäuscht. Denn insgeheim hatte man natürlich gehofft, dass der Chamer Abgeordnete Gerhard Hopp wenigstens ein kleines, dunkles Geheimnis aus dem Innenleben der CSU-Fraktion ausplaudert. Und trotzdem, auch wenn es erst mal paradox klingt: So dramatisch wie bei Hopp wurden die geheimen Abgründe des Landtags wohl noch in keinem Buch ausgeleuchtet.

Im Normalfall sind Politikerbücher ja Rückblicke auf lange Karrieren berühmter Menschen. Mit "Die Akte Schleißheim" (Emons Verlag) von Gerhard Hopp verhält sich das anders. Mit 40 Jahren ist Hopp zu jung, um auf ein langes politisches Leben zu schauen. Und man tritt ihm nicht zu nahe, wenn man behauptet, dass sein Name nicht allen politisch Interessierten ein Begriff ist. Es ist also keine Autobiografie, die Hopp da gerade veröffentlicht hat, sondern, ja, was eigentlich? Er selbst beschreibt das Genre so: "Politische Bildung mit Lesespaß und Krimi-Handlung verknüpft".

Worum geht es? Die Hauptfigur heißt nicht etwa Hopp, sondern trägt den bayerischen Allerweltsnamen Stefan Huber. Die Landtagspräsidentin ist im Buch ja auch nicht Ilse Aigner, sondern "die groß gewachsene, schlanke" Johanna Schmidberger. Dass die CSU an zwei Stellen vorkommt, wirkt fast wie ein Versehen. Wenn von Hubers Partei die Rede ist, schreibt Hopp fast immer von den "Konservativen". Der Konservative Huber geht also an einem frühen Dienstagmorgen im Juli zum Joggen - am Tag des Sommerempfangs der Landtagspräsidentin auf Schloss Schleißheim, deshalb der Titel des Buches. In der Nähe des Landtags, hinter dem Maxwerk, hört Huber einen Hilfeschrei. Als er nachschaut, entdeckt er einen schwer verletzten Mann. Und er beobachtet, wie ein zweiter Mann flüchtet. Huber setzt einen Notruf ab. Als die Polizei eintrifft, hat der eben noch Schwerverletzte aufgehört zu atmen - und der Abgeordnete Huber ist plötzlich mittendrin in einem Krimi. Terror, Wendungen, Explosionen inklusive.

Wie Hopp so zwischen Orten, Perspektiven und Zeiten springt, von 1854 ins Hier und Jetzt, ins Jahr 1998 und zurück - macht die Lektüre anfangs etwas konzentrationsintensiv. Weniger gewöhnungsbedürftig sind die etwas klischeehaften Figuren, jedenfalls für geübte Krimikonsumenten. Der Kommissar? Knurrig, Knitterhemd, natürlich geschieden. Die Bösewichte? Der traumatisierte Soldat Streicher und seine Komplizen, die natürlich nicht Huber heißen, sondern Beslic und Ondrapow. Und dann ist da noch Journalist Meyer, der natürlich "die Ansage der Chefredaktion" hat, möglichst "reißerisch" zu berichten.

Aber, das muss man Hopp lassen: Bei den Abläufen im Parlament und den historischen Bezügen seines Buchs hält er sich eng an die Wirklichkeit. Sicher, ein Grundinteresse für die eher selten spektakuläre Parlamentsarbeit schadet nicht, um den inneren Spannungsbogen bei der Lektüre hochzuhalten. Doch Architektur und Geschichte des Maximilianeums erklärt Hopp über den Krimi-Plot auf sehr unterhaltsame Weise. Womit man wieder bei den Abgründen angekommen wäre, die in Hopps Buch wörtlich zu verstehen sind. Denn der wesentliche Teil der Handlung spielt in den düsteren Katakomben des Landtags - wo ein jahrhundertealtes Geheimnis schlummert.

Ach ja, weil CSU-Abgeordnete zuletzt nicht immer mit Verständnis für ihre Nebentätigkeiten rechnen mussten: Das Geld, das Gerhard Hopp mit seinem Buch verdient, will er an einen gemeinnützigen Verein spenden.

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SZ vom 31.05.2021
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