Süddeutsche Zeitung

Bayerischer Landtag:"Politische Ziele können auch über den Kochtopf verwirklicht werden"

Die Grünen im Landtag haben ein Kochbuch verfasst, das bei Ministerpräsident Markus Söder eher schlecht ankommen dürfte.

Von Wolfgang Wittl

Politik und Gastronomie haben mehr gemeinsam, als man denkt. Das eigene Spitzenpersonal auf scharfer Flamme zu grillen oder geduldig weichzukochen, ist eine Schule, die man in der CSU und SPD nahezu perfektioniert hat. Sehr beliebt bleibt es auch, Parteifreunden kräftig einzuschenken. Oder einen Nachschlag zu verabreichen. Alle Varianten münden stets in eine Spezialität des jeweiligen Hauses: das vorzeitige Abservieren.

Auch über die Essensgewohnheiten im Landtag gäbe es viel zu sagen. Seit der Abschlusssitzung vor Weihnachten dürfte nun auch in der AfD bekannt sein, was erlaubt und verboten ist. Gegessen werden darf am Imbissstand vor dem Senatssaal, in der Kantine oder Landtagsgaststätte - nicht aber im Plenarsaal, wie Landtagsvizepräsident Alexander Hold dem mit der Nahrungsaufnahme befassten AfD-Fraktionschef Ingo Hahn unvermittelt mitgeteilt hat. "Sinn und Zweck ist in erster Linie, dass der Sitzungssaal nicht verunreinigt werden soll", tadelte Hold. Wobei fein zu unterscheiden wäre, wann man überhaupt von Essen reden kann.

Ministerpräsident Markus Söder etwa hat hinter seinem Platz im Plenum für akute Notfälle - womöglich zur nervlichen Beruhigung - ein schier unerschöpfliches Reservoir an Süßigkeiten angelegt. Weil das auch der AfD nicht entgangen ist, sah Hold sich zu einer Klarstellung genötigt. Da mit einer Verunreinigung des Saals nicht zu rechnen sei, seien Bonbons von der Regelung ausgenommen - "zumindest wenn diese bis zum Ende des Lutschvorgangs im Munde bleiben". Aber die Papierchen müssten selbstverständlich wieder mitgenommen werden.

Bei Hauptgerichten konzentriert Söder sich bekanntlich auf Fleisch in allen Variationen: Gänse- und Entenbraten, Nürnberger Bratwürste, fränkisches Schäufele oder nur Steaks. Puristisch veranlagt ist auch Söders Vorgänger Horst Seehofer, der sich lieber für ein solides Paar Wiener entscheidet als für jede Form von Haute Cuisine. Oder für eine Wurstsemmel, gerne auch ohne Wurst. Von Angela Merkel hört man vor allem in Wahlkampfzeiten, dass sie Kartoffelsuppe nicht nur isst, sondern volksnah selbst kocht. Womit man auch schon bei Paul Knoblach wäre.

Knoblach gehört zu den 38 grünen Abgeordneten im bayerischen Landtag, die ein Kochbuch mit ihren Lieblingsrezepten herausgegeben haben. Um es vorwegzunehmen: Ein Bestseller im Hause Söder wird dieses Werk nicht. Knoblach hat sich für die fränkische Variante der Merkelschen Kartoffelsuppe entschieden, wahlweise mit Bio-Würsten als Einlage. Damit gehört er zu den seltenen Ausnahmen, denn nur zwei weitere grüne Kollegen wagen sich an das moralisch heikle Sujet Fleisch heran. Hans Urban kredenzt ökologisch unbedenklichen Rehrücken mit Madeira, als forst- und jagdpolitischer Sprecher sei es ihm verziehen. Verena Osgyan serviert Bratwürste (Bio, sauer), für eine OB-Kandidatin in Nürnberg ein Muss.

Das war es aber mit den fleischlichen Küchenfreuden, der weitere Speiseplan erstreckt sich von vegetarisch bis vegan. Ob Risotto mit roter Bete oder Spargel-Gemüsepfanne, Wildkräutersuppe oder Zucchini-Carpaccio - die Grünen werden ihrem Anspruch nachhaltig gerecht: "Politische Ziele können auch über den Kochtopf verwirklicht werden", heißt es im Vorwort der Fraktionsspitze. Ludwig Hartmann tritt den Beweis via Giersch-Quiche an. Bei Katharina Schulze weiß seit ihrem berühmten Urlaubsfoto ohnehin jeder von ihrer Liebe zum Eis, so gesehen ist ihr Zitronen-Minz-Sorbet konsequent.

In der genussfreudigen Grauzone bewegen sich Martin Runge und Anna Toman mit zwei Fischgängen, wobei Toman (Karpfen blau) als Landratsbewerberin im Teichwirtschaftsland Tirschenreuth ein nachvollziehbares Alibi hat. Weiteren Grünen, die angeblich ein Fleischrezept erwogen haben, soll mit der Begründung abgeraten worden sein, das mache sich nicht so gut. Vermutlich waren es jene, die auf jedem Parteitag so verzweifelt wie vergeblich eine Leberkässemmel suchen.

Fazit: Politisch mag vieles vorstellbar sein. Kulinarisch ist Schwarz-Grün aber so weit voneinander entfernt wie eine Pastinaken-Auberginen-Tarte von einem Teller saurem Lüngerl.

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SZ vom 13.12.2019/syn
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