Politik in Bayern:Weitere Kiff-Verbote – und Soldaten im Klassenzimmer

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Einen Ausdruck der Wertschätzung sieht die Staatsregierung in einer künftig stärkeren Präsenz der Bundeswehr an Bayerns Schulen. (Foto: Rainer Unkel/Imago)

Der bayerische Landtag hat vor seiner Sommerpause noch eine Reihe neuer Regelungen auf den Weg gebracht. Sie betreffen unter anderem Bundeswehr, Verfassungsgerichtshof, Cannabis-Konsum und Polizeiaufgaben.

Von Andreas Glas, Johann Osel

Die Bundeswehr wird an Bayerns Schulen präsenter sein. Neue Vorschriften für den Cannabis-Konsum kommen. Die AfD wird künftig wohl keine Verfassungsrichter mehr stellen können. Ein Überblick über die wichtigsten Gesetze, die der Landtag am Mittwoch vor der parlamentarischen Sommerpause beschlossen hat.

Bundeswehr in Schulen

Das „selbstverständliche Einstehen“ der Staatsregierung für die Bundeswehr, sagt Florian Herrmann (CSU), werde nun „in Gesetzesform gegossen“. Der Staatskanzleichef spricht am Ende der Debatte über das neue Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern. Die Zeitenwende, sagt Herrmann, müsse in allen Köpfen in diesem Land ankommen. Die Phase eines „vermeintlichen immerwährenden Friedens“ sei vorbei, Putin habe Deutschland quasi in die Realität „zurückgebombt“. Das Gesetz sei ein Beitrag, den Bayern auf Landesebene zur Zeitenwende leisten könne.

Staatliche Schulen haben künftig das Gebot, mit Jugendoffizieren zusammenzuarbeiten – schon jetzt besuchen Soldatinnen und Soldaten Schulklassen, indes auf deren Wunsch hin. Außerdem soll das Gesetz Universitäten davon abhalten, eine militärische Nutzung ihrer Forschung zu verbieten – auch wenn es derartige „Zivilklauseln“ zwar bundesweit, aber noch nirgends im Freistaat gibt. Stattdessen soll auch hier ein Kooperationsgebot kommen, in Fragen der nationalen Sicherheit sogar eine Pflicht. Vorgesehen sind weitere Erleichterungen für die Bundeswehr, etwa beim Baurecht auf Kasernengeländen. Dazu müssen Gesetze mehrerer Ressorts angepasst werden. Dies vollzieht der Landtag mit den Stimmen von CSU, FW und SPD. Die Grünen lehnen das ab, die AfD enthält sich.

Bernhard Pohl (FW) sagte, auch der Bundesverteidigungsminister sehe das Gesetz als „Blaupause“ für alle Länder. Benjamin Adjei (Grüne) nannte es dagegen „nicht nur unnütz, es ist verfassungswidrig und am Ende gefährdet es auch den Wissenschaftsstandort hier in Bayern“. Schon heute könnten Schulen Soldaten „im Bereich der Demokratiebildung einbetten“, ohne Verpflichtung. Und ohnehin habe keine Hochschule im Freistaat eine Zivilklausel. Dieter Arnold (AfD) sagte, die Waffenlieferungen an die Ukraine seien „Kriegstreiberei“. Daher enthalte sich die AfD. Markus Rinderspacher (SPD) unterstützte das Gesetz, rügte aber handwerkliche Schwächen darin; in den Ausschüssen sei die Kritik der SPD verhallt. Bei einer denkbaren Verfassungsklage gegen das Gesetz trügen daher die Regierungsfraktionen die alleinige Verantwortung.

Schon seit Wochen wurde das Bundeswehr-Gesetz von öffentlichem Gegenwind begleitet. Die Bildungsgewerkschaft GEW, die Linke, mehrere Organisationen und Prominente wie der Liedermacher Konstantin Wecker fürchten eine „Militarisierung des Bildungsbereichs“. An der Einfahrt zum Sommerempfang des Landtags auf Schloss Schleißheim am Dienstag empfing in Protestbanner die Gäste.

Ein Verfassungsgericht ohne AfD

Dass nicht nur die Regierungsfraktionen CSU und FW, sondern auch Grüne und SPD für denselben Antrag stimmen, ist ein seltenes Ereignis. In diesem Fall hat das mit der fünften Landtagsfraktion zu tun: der AfD. Um das zu verstehen, muss man die Hintergründe kennen: Im Januar hatte der Landtag bestimmt, welche 15 ehrenamtlichen Richterinnen und Richter (samt Stellvertretern) in der neuen Legislaturperiode am Bayerischen Verfassungsgerichtshof neben 22 Berufsrichtern über staatsrechtliche Fragen entscheiden. Wie üblich wurde in Blockabstimmung ein Personaltableau mit Vorschlägen aus allen Fraktionen beschlossen – darunter eben auch zwei Juristen mit AfD-Parteibuch plus zwei Stellvertreter. Es ist jahrzehntelang eingeübte Praxis, dass alle Fraktionen gemäß ihrer Stärke zum Zuge kommen. Doch diesmal hagelte es Kritik.

In diesem Gebäude residiert außer dem Oberlandesgericht München auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof. (Foto: Imago)

Die Gewissensfrage lautete: Sollte eine Partei, die der Verfassungsschutz beobachtet, wirklich eigene Verfassungsrichter stellen? Bisher steckten die Fraktionen jenseits der AfD in einem Dilemma: Hätte der Landtag einzeln über die Personen abgestimmt, wären die AfD-Bewerber zwar wahrscheinlich durchgefallen – dann aber wäre das Gericht unvollständig besetzt und seine Entscheidungen anfechtbar gewesen. Die Gesetzesänderung soll dieses Dilemma auslösen.

Für die aktuelle Legislaturperiode kommt das zu spät. Doch beim nächsten Mal können Richter mit AfD-Ticket vom Verfassungsgericht über zwei getrennte Wahllisten ferngehalten werden: eine für die Regierung, eine für die Opposition. Auf diesen Listen werden mehr Kandidaten stehen, als Richterjobs zu vergeben sind. Damit ist quasi gesetzlich eingepreist, dass Kandidaten bei der Abstimmung im Landtag durchfallen, wenn sie „nicht über alle Zweifel erhaben sind“, wie CSU-Parlamentsgeschäftsführer Michael Hofmann am Mittwoch sagte. Werden AfD-Vorschläge mehrheitlich abgelehnt, kommen künftig weitere Kandidaten anderer Fraktionen zum Zug. Im nun beschlossenen Gesetz ist die AfD nicht explizit erwähnt. Die Rede ist von „Parlamentswirklichkeit“, die nach der alten Rechtslage dazu führen könne, dass die Funktionsfähigkeit des Verfassungsgerichts in Gefahr gerät.

Die Novelle sei ein Angriff auf die Demokratie, sagte AfD-Parlamentsgeschäftsführer Christoph Maier. CSU-Mann Hofmann dagegen sieht eine Stärkung der Demokratie. Er sagte: „Demokratie bedeutet nicht, dass man jemanden wählen muss. Sondern, dass man jemanden wählen kann.“ Am Ende stimmte nur die AfD gegen den Antrag.

Regeln für Cannabis-Konsum

Nachdem der Cannabis-Teillegalisierung im Bund hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt, das Gesetz in Bayern „extremst restriktiv“ anzuwenden. Hohe Bußgelder gibt es bereits, am Mittwoch hat der Landtag die Regeln noch mal verschärft. Mit den Stimmen von CSU, FW und AfD wird das Gesundheitsschutzgesetz (GSG) geändert, das regelt, wo Rauchen verboten ist. Der Konsum von Cannabis wurde darin bislang nicht erwähnt, er war ja nirgends erlaubt. Wegen der Teillegalisierung ändert sich das jetzt.

Die Regeln für den Cannabis-Konsum im Freistaat hat der Landtag jetzt noch einmal verschärft. (Foto: Manaure Quintero/AFP)

Überall, wo das Rauchen verboten ist, gilt künftig auch explizit ein Konsumverbot für Cannabis: unter anderem in öffentlichen Gebäuden, dem Landtag und in Gaststätten. Das Verbot gilt auch für Schulen, Kitas, Sport- und Spielplätze – wobei das Bundesgesetz dort ohnehin einen Verbotsradius von 100 Metern vorsieht. In Bayern wird das Kiffen nun aber auch in Außenbereichen von Gaststätten und auf Volksfesten untersagt. Tabakkonsum nicht, weshalb Toni Schuberl (Grüne) in der Debatte von einer „Unwucht“ sprach. Zusätzlich gibt die Gesetzesänderung den Kommunen die Möglichkeit, das Kiffen auf bestimmten öffentlichen Flächen zu verbieten. Man müsse „klare Kante“ zeigen, sagte Thorsten Freudenberger (CSU). Er begründete die neuen Regeln mit dem Gesundheitsschutz, vor allem für Jugendliche. Die Gefahren nannte auch Schuberl „unbestritten“. Zugleich verwies er auf Studien, wonach jährlich Zehntausende an den Folgen von Tabak- und Alkoholkonsum sterben. „An Cannabis stirbt niemand“, sagte Schuberl, dessen Fraktion wie die SPD gegen die Regeln stimmte.

Polizei und Parlamentarismus

Auch das Polizeiaufgabengesetz wird geändert. Ermittler in Bayern bekommen eine verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform („Vera“) für Datenbestände, die bislang in ganz unterschiedlichen Systemen gespeichert sind. Dazu soll eine umstrittene Polizei-Software zum Einsatz kommen. Deren Hersteller, die US-Firma Palantir, arbeitet für dortige Geheimdienste. Datenschützer äußerten früh die Sorge, dass so Inhalte abfließen könnten. Ein Fraunhofer-Institut prüfte im Auftrag des Landeskriminalamts (LKA) den Quellcode der Software und fand keine Hinweise auf versteckte Hintertüren. Laut dem LKA soll es bei der Anwendung um Fälle von schwerer Kriminalität gehen – und nur um Szenarien, in denen es weitere Straftaten zu verhindern gelte.

Am geänderten Polizeiaufgabengesetz wird auch viel Kritik geübt, so erwägt die SPD-Fraktion eine Klage am Verfassungsgerichtshof. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen sowie der AfD ist nun die Grundlage dafür gelegt. Man bringe die Polizei „technologisch auf die Höhe der Zeit“, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Es würden durch die Plattform keine neuen Daten generiert, alles sei im Einklang mit Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Es handele sich um keine künstliche Intelligenz, ergänzte Alfred Grob (CSU) – „Profis“ träfen die Entscheidungen. Horst Arnold (SPD) mahnte davor, „übers Ziel hinauszuschießen“. Dem Gesetz fehle die Verhältnismäßigkeit, viele Millionen Menschen, auch Zeugen, würden im System erfasst – ein „massiver Grundrechtseingriff“. Die SPD erwägt jetzt eine Klage am Verfassungsgerichtshof und damit eine Überprüfung des frisch beschlossenen Gesetzes.

Der Landtag hat bei weiteren Gesetzen Änderungen beschlossen. Unter anderem fusionieren das Deutsche Herzzentrum München und das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität zu einer Uni-Klinik. Auch die Geschäftsordnung des eigenen Hauses wurde geändert. Das bereits beschlossene Abgeordnetengesetz – das etwa Ordnungsgelder und weitere Sanktionen bei pöbelnden Parlamentariern vorsieht – wird damit scharf geschaltet. Und der Alterspräsident, der stets die erste Sitzung einer Wahlperiode leitet, wird künftig nicht mehr nach Lebensjahren bestimmt – sondern nach der längsten Zugehörigkeit zum Parlament.

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