Fabian Mehring:Der Söder der Freien Wähler

Fabian Mehring, Parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Wähler im Landtag.

Ein Mann mit Selbstbewusstsein: Fabian Mehring, Parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Wähler im Landtag. Er sieht sich als Repräsentant der liberalen Stadtgesellschaft.

(Foto: Toni Heigl)

Der Landtagsabgeordnete Fabian Mehring hält große Stücke auf sich. In der CSU sehen ihn etliche als Störer. Andere sagen ihm eine große Zukunft voraus.

Von Lisa Schnell

Kurz vor der Pressekonferenz noch ein Foto: Im Senatssaal des Landtags stellen sich acht Abgeordnete der Freien Wähler vor die Kamera. Die Fotografin klettert auf einen Stuhl, drückt das Auge an die Linse, schaut wieder hoch. Der Herr rechts bitte weiter in die Ecke. Sie wedelt mit der Hand ins Abseits. "Klar, der Pohl muss in die Ecke", grummelt Bernhard Pohl und tappst nach hinten. Die anderen lachen - einer ganz besonders laut. Der Mann mit dem breiten Grinsen steht nicht in der Ecke. Fabian Mehring steht ganz vorne.

Noch vor ein paar Monaten wusste kaum jemand außerhalb des Landtags, wer das ist: Fabian Mehring, gut sitzende Anzüge, runde Hipsterbrille, Bruce-Willis-Glatze und einer, der sein Lächeln an- und ausknipsen kann wie andere das Licht. Der Schwabe ist erst 31 Jahre alt und nicht mal eine Legislaturperiode im Parlament. Dass er trotzdem gleich parlamentarischer Geschäftsführer (PGF) bei den FW wurde, kann als steiler Aufstieg gelten, auf die große Bühne aber trat Mehring erst in der Corona-Krise.

Welche Rolle er da spielt, kann man an diesem Tag im Landtag beobachten. Kurz vor Mehrings Statement suchen sich die Kameraleute ein passendes Motiv. Sie filmen ein Schlachtengemälde: Mehring ist bei den FW für den Bereich Angriff zuständig. Niemand reibt der CSU so genüsslich unter die Nase, wo sich die FW angeblich durchgesetzt haben, niemand ist dabei so forsch. Außer vielleicht Hubert Aiwanger, FW-Chef und Vize-Ministerpräsident, was zu der Frage führt: Will Mehring nicht nur die CSU vor sich hertreiben, sondern vielleicht sogar den eigenen Parteichef?

Bevor man dazu kommt, dauert es ein wenig. Gerade läuft Mehring noch die Straßen um den Landtag ab, zum dritten Mal. Irgendwas muss doch offen haben trotz Corona? Es ist ein wenig amüsant, dass ausgerechnet der Mann, der die Öffnungen so vorangetrieben haben will, nun vor verschlossenen Türen steht. Vor allem aber ist es eine Gelegenheit, zurückzublicken auf die letzen Monate.

Eine kurze Zusammenfassung dessen, was die einen Querschüsse nennen und Mehring als seine "Impulse" bezeichnet: Im März wollte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nichts weniger als Exit-Strategien. Mehring gründete in der FW-Fraktion hingegen eine Task-Force "Exit-Strategie". Das Kabinett verkündete moderate Lockerungen, auch die Minister der FW. Mehring forderte weitere Erleichterungen für den Breitensport, Fitnessstudios, Biergärten. Jedes Mal beschloss die Staatsregierung zeitverzögert Ähnliches, jedes Mal reckte Mehring den Finger in die Luft. Keinem sollte entgehen, wessen Idee es war. Je öfter er das macht, desto genervter sind sie bei der CSU. In seinem Streben nach Aufmerksamkeit sei Mehring "fast schon manisch", sagt einer, der ihn oft erlebt: "Er ist besessen davon, stattzufinden." Seine Strategie nennen sie in der CSU schlicht dreist. Schließlich sitze Mehring als Parlamentarischer Geschäftsführer im Koalitionsausschuss und habe deshalb absehen können, welche Lockerungen bald beschlossen würden. "Etwas zu fordern, von dem man eh weiß, dass es kommt, ist keine große Kunst", sagt ein CSU-Kabinettsmitglied. Eine Möglichkeit, Mehring zu disziplinieren, aber gibt es kaum, schließlich sitzt er nicht im Kabinett. "Niemand kann sich freier bewegen", sagt Mehring über sich selbst und dann, mit seinem Grinsen: "Das genieße ich."

Man hat inzwischen ein Café gefunden. Mehring bestellt Rindercarpaccio, eine kleine Portion - die Fitnessstudios waren ja länger geschlossen, als er es sich gewünscht hatte. Also, wie ist das jetzt: Sind die FW nun Regierung oder Opposition? Mehring schüttelt den Kopf. Er wisse gar nicht, was alle haben. Das Parlament kontrolliere die Regierung. Punkt. Wer das nicht kapiert und immer von Koalitionsstreit redet, der hat aus seiner Sicht den Unterschied von Exekutive und Legislative nicht verstanden: "So steht es in der Verfassung. Das ist mein Job." Ob zum Job auch gehört, die selbst im Koalitionsausschuss ausgehandelte Regierungslinie anzuzweifeln? Kurze Pause. Mehring legt die Gabel weg. "Die Corona-Krise ist sehr dynamisch. Da muss man reagieren." Aha. Eine bessere Erklärung liefert vielleicht ein Satz, den Mehring später sagt: "Wer in einer Koalition mit der CSU kein Selbstbewusstsein zeigt, der gehört der Katz."

Dass Mehring nicht gerade akribisch dem Anstandsknigge einer Koalition folgt, sehen sogar manche Freie Wähler so. Einige, nicht die unwichtigsten, durchaus kritisch. "Es geht nicht darum, um Sandkastenförmchen zu ringen. Den Bürger draußen langweilt das", sagt einer. Ein anderer: "Man kann so einen Vorstoß schon mal machen, aber grundsätzlich gilt: Wenn man was im Kabinett vereinbart, muss man sich dran halten." Die FW scheinen von der Krawallstrategie, die Mehring und Aiwanger verfolgen, in Umfragen kaum zu profitieren. Mehring selbst dagegen durchaus. Oder wie er es sagt: "Darüber, dass ich nicht wahrgenommen werde, kann ich mich nicht beschweren."

Selbstsicher, ehrgeizig, provokant, alles andere als medienscheu - Eigenschaften, die einem irgendwie bekannt vorkommen. Gab es nicht auch bei der CSU mal einen, der gerne provozierte und ungeschriebene Regeln zum eigenen Vorteil ignorierte? Und ist der nicht gerade Ministerpräsident? Wer einmal den Vergleich zwischen dem jungen Söder und Mehring aufmacht, findet so einige Gemeinsamkeiten. Söder verstand es, auch unscheinbare Ämter zu seinem Vorteil umzudeuten. Mehring machte aus einem Posten als Geschäftsführer, den sonst eher leise Töne auszeichnen, den Lautsprecher der Fraktion. Wie Söder hat er keine Scheu, anderen auf die Füße zu treten, wenn es ihm nutzt, handwerkliche Fehler aber macht er kaum. "Die Zusammenarbeit läuft hervorragend", sagt Mehrings Kollege Tobias Reiß von der CSU. "Einer der besten Redner im Parlament", lobt Wolfgang Heubisch (FDP). "Das ist mein größtes Talent", so reagiert Mehring auf Lob. Söder sagte gern: "Danke. Angemessen." Dass sich Mehring zu Höherem berufen sieht, daran zweifelt kaum jemand, mit dem man im Landtag spricht.

Bevor es aber um die Zukunft geht, zunächst ein Blick zurück: Waltershofen, ein Flecken mit 800 Einwohnern im Landkreis Augsburg, da kommt Mehring her. Mit 18 trat er bei den FW ein. Er gründete den Kreisverband der Jungen FW, den Bezirksverband. Was FW-Linie war, bestimmte er: "Das hab ich sehr genossen." Sich unterordnen, wie man es bei der CSU tun müsse, das sei nicht so seins. Es ruhig angehen lassen wohl auch nicht. 2013 kandidierte er zum ersten Mal für den Landtag, 2014 wurde er Kreistagsvorsitzender in Augsburg - mit Mitte zwanzig. Auch im Studium dann die Überholspur, Mehring sagt: "fast track". In Berlin machte er seinen Doktor in "Internationale Beziehungen". Jung, liberal, großstädtisch, so beschreibt Mehring sich und meint, damit für die FW ein neues Klientel ansprechen zu können. "Die FW sind deutlich mehr als eine Landwirte-Partei", sagt Mehring. Und er selbst der "Gegenentwurf" zum Parteichef und Landwirt Aiwanger. Gegenentwurf? Pardon: "Ergänzung." Aiwanger und er hätten ein "belastbares Vertrauensverhältnis". Nur: Nach vorne drängen bedeutet auch, andere zu verdrängen. So einfach ist das und so brutal. An manchen allerdings scheint einer wie Mehring einfach vorbeizurauschen.

Zurück in den Landtag zum Schlachtengemälde und der Pressekonferenz der Freien Wähler. Florian Streibl hat das erste Wort, klar, er ist schließlich Fraktionschef. Streibl redet etwa eine Minute, dann dankt er Mehring. Fragen von Journalisten? Ein paar Worte von Streibl, dann viele von Mehring. Am Ende hat die offizielle Nummer eins keine fünf Minuten gesprochen, Mehring fast eine halbe Stunde. Wie Streibl das findet? "Eine gute Aufteilung." Wie bitte? Ja, wirklich. Er habe Mehring "ganz bewusst mehr Freiraum gegeben". Schließlich habe der das Zeug zum "Ausnahmepolitiker". Staatssekretär, Minister, Mehring sei zu allem geeignet.

Gut möglich, dass die jetzigen Minister der Freien Wähler da nicht ganz so euphorisch sind.

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