Süddeutsche Zeitung

Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten:Martin Hagen hat's verbockt

Der Fraktionschef der FDP im Landtag ist schnell im Kopf und mit der Zunge. Doch am Mittwoch jubelte er Thomas Kemmerich zunächst zu, ehe er seine Meinung über Nacht änderte. Andere waren klüger.

Kommentar von Katja Auer

Debatten im Landtag sind nicht immer das reine Vergnügen, schließlich ist nicht jeder Abgeordnete zum Redner geboren. Und seit die AfD dem Parlament angehört, ist besonders viel Unfug zu hören, nicht nur ob der rhetorischen Fähigkeiten. Da tut es immer gut, wenn jemand ans Rednerpult tritt, der es kann. Martin Hagen ist so einer, der Fraktionschef der FDP. Der ist schnell im Kopf und mit der Zunge. Wenn er zum Beispiel die AfD angeht, auf deutliche und kluge Weise, hat er sich schon manches Mal nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Respekt verschafft.

Jetzt allerdings hat er es verbockt. Wiederum schnell, aber nicht klug reagierte Hagen am Mittwoch, als die Nachricht von der Wahl Thomas Kemmerichs zum Thüringer Ministerpräsidenten in den Tag platzte. Da jubelte Hagen dem Kollegen in den sozialen Netzwerken zu. Nicht als einziger prominenter bayerischer Liberaler, der frühere FPD-Landeschef Albert Duin gratulierte ebenfalls herzlich und appellierte tags darauf noch, man möge es Kemmerich doch mal versuchen lassen. Und nicht sauer sein, weil jemand dem "links/grünen/sozialistischen Mainstream nicht einfach folgt". Und der FDP-Abgeordnete und frühere Focus-Chefredakteur Helmut Markwort scheint ebenfalls kein Problem darin zu sehen, sich von der AfD unterstützen zu lassen. Kemmerich jedenfalls könne nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass andere ihn wählten. Entscheidend sei doch, dass ein Demokrat gewonnen habe.

Hagen indes hat über Nacht seine Meinung geändert. Das teilte er in einem Video wiederum über die sozialen Netzwerke am Donnerstagfrüh mit. Sichtbar unausgeschlafen. Kemmerich hätte die Wahl nicht annehmen dürfen, sagte er nun und forderte Neuwahlen. Das tat er auch in der Plenarsitzung, als er über den Personalwechsel im Kabinett hätte reden sollen. Besser spät als nie, heißt es in solchen Fällen, was wiederum kein Kriterium für die flüchtige Welt der sozialen Medien ist, wo es vor allem schnell geht. Und deswegen halt gelegentlich daneben.

Der aktuelle FDP-Landeschef übrigens, Daniel Föst, hatte gleich am Mittwoch den Rücktritt Kemmerichs gefordert und sich von den Vorgängen in Erfurt distanziert. Auch im Netz. Schnell und klug wäre also doch gegangen.

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Quelle:
SZ vom 07.02.2020/kafe
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