Zu Beginn ein Ratespiel. Es ist Freitag, Corona-Sondersitzung im Landtag, inklusive Regierungserklärung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Nun ein paar Zitate: Man müsse aufpassen, "nicht in eine dritte Welle" zu stolpern. "Wir machen uns Sorgen, dass die Maßnahmen nicht reichen." Na, wer spricht hier? Klingt nach Söder, ja, nach Söder plus sogar. Ist aber die falsche Antwort in diesem Ratespiel. Hier steht nicht Söder am Rednerpult - sondern Katharina Schulze, die Fraktionschefin der Grünen. Bei der Corona-Politik müsse die Staatsregierung "besser" werden, sagt Schulze. Aber sie meint auch: strenger.
Erst zum zweiten Mal in der Pandemie haben die Abgeordneten die Chance, bei der Corona-Politik der Staatsregierung mitzuentscheiden. Theoretisch jedenfalls. Rechtlich bindend ist keiner der Anträge, die bei der Sondersitzung am Freitag zur Abstimmung stehen. Das Bundesinfektionsschutzgesetz erlaubt der Regierung, mit Verordnungen zu regieren, ohne den Landtag zu beteiligen. Aber die Erlaubnis zum Streit haben die Parlamentarier natürlich. Und die wollen sie nutzen.
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Für die Opposition geht es ja darum, neben dem dauerpräsenten Söder auch noch sichtbar zu bleiben. Was nicht leicht ist, nun erst recht nicht, da sich die Bundesländer nahezu parteiübergreifend auf schärfere Dezember-Maßnahmen geeinigt haben. "Egal ob Länder von Grün, Schwarz oder Rot regiert werden", das betont auch Söder, um prophylaktisch schon mal Luft rauszulassen aus den Reden der Opposition. Wie soll da eine Oppositionspartei noch Profil zeigen, sich vom Kurs der Regierung abgrenzen? Diese Frage haben am Freitagmorgen auch die Grünen in ihrer Fraktionsrunde vor der Sitzung debattiert. Wie zu hören war, gab es Gespräche, ob man diesen Freitag wirklich nutzen sollte, um die Schlagzeile "Grüne härter als Söder" zu provozieren. Und tatsächlich, das zeigt Schulzes Rede: Die Grünen wollen genau diese Schlagzeile.
Man trage die Bund-Länder-Beschlüsse im Grundsatz mit, sagt Schulze. Um dann die bayerische Hotspot-Strategie für Schulen zu kritisieren. Statt, wie beschlossen, die Schüler erst ab einer regionalen Inzidenz von 200 Infektionen pro 100 000 Einwohner in den Wechselunterricht aus Präsenzlehre und digitalem Unterricht zu schicken, sollte man dies überall tun. Zehn Personen, die in Bayern gemeinsam Weihnachten feiern dürfen? Ja, sagt Schulze, aber das dürfe nicht heißen, "dass man sich jeden Tag mit anderen zehn Personen trifft". Feuerwerk an Silvester? Hätte man verbieten sollen. Und sie findet, dass Söder seiner "Fürsorgepflicht" für die Bürger "nicht gerecht" werde, tadelt die Krisenkommunikation, fordert einen "längerfristigen Plan" für die Pandemie.
Bevor Schulze spricht, ist Söder dran. Er verteidigt die nun schärferen Beschränkungen in Bayern. "Die Lage ist wesentlich ernster als bei der ersten Welle", sagt Söder, und dass es bei den Infektionszahlen "einfach nicht runter" gehe. Er sehe aber "Licht am Ende des Horizonts", bald komme ein Impfstoff. Dann bittet er die Kommunen um einen Corona-Bonus für Erzieherinnen und Erzieher, "der Freistaat wäre bereit, sich an einer solchen Anerkennung zu beteiligen". Als er das sagt, klatschen nicht alle in der CSU-Fraktion, die zuletzt nicht ausnahmslos begeistert war, dass Söder recht freigiebig mit Prämien ist. Sehr ausführlich arbeitet sich der Ministerpräsident an den "Querdenkern" ab. "Nachdenken? Ja. Querdenken? Nein." Dass sich neulich eine Demonstrantin mit Sophie Scholl verglichen habe, sei "peinlich" und "empörend". Der Verfassungsschutz solle nicht nur auf diese Bewegung selbst achten, sondern auch auf deren Beziehung zur AfD, sagt Söder.
AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner kontert, spricht von einer "Politik der Gnadenlosigkeit" und "totalitären Verboten". Die aktuelle Politik sei schädlicher als das Virus. Sie kündigt ein Volksbegehren "Schützt die Freiheit" an. Widerstand sei jetzt "erste Bürgerpflicht". Freie Wähler-Fraktionschef Florian Streibl hört in den AfD-Aussagen "Drohungen gegen das Hohe Haus". Dies sei "beste Demagogie". Dann betont er die Einheit der Koalition, die zuletzt nicht immer einen einigen Eindruck machte. Das Ringen um die besten Lösungen sei "kein Zwist, sondern eine Stärke". Man finde so "immer Maß und Mitte für die richtigen Maßnahmen".
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SPD-Fraktionschef Horst Arnold warnt vor "Überregulierung" und einem "Zickzack", auch wenn man den meisten Maßnahmen zustimme. Die SPD fordert, den Sonderweg beim Testen zu verlassen und strategischer vorzugehen, Volkshochschulen müssten offen bleiben. Klaus Adelt (SPD) will für die Digitalisierung einen "Chaosbeseitigungsbeauftragten". Auch andere Redner kritisieren, dass die Digitalisierung zu langsam gehe, zumal an Schulen. Kultusminister Michael Piazolo (FW) gebe "sich allergrößte Mühe", sagt Söder. Maximale Rückendeckung klingt anders.
Martin Hagen (FDP) warnt schließlich vor einer "Endlosschleife" und einem monatelangen Lockdown per "Salamitaktik". Es brauche eine langfristige Strategie, mit guten Konzepten für vulnerable Gruppen. "Der Sommer wurde komplett verschlafen."