Die "Gratulationen des Hohen Hauses" gibt es im Landtag am Donnerstagmorgen. Präsidentin Ilse Aigner begrüßt einen neuen Abgeordneten, ohne Nennung der Fraktion: Oskar Atzinger, AfD-Kreisrat in Passau, rückt für den verstorbenen Josef Seidl nach. Im offiziellen Landtagsverzeichnis steht Atzinger - zuletzt angestellter Zahnarzt von Beruf, wo ihm laut Passauer Neuen Presse wegen abgelehnter Corona-Impfung gekündigt wurde - als fraktionslos. Was ist da los? Zur Erinnerung: Schon vier Austritte aus der Fraktion gab es seit 2018, zuletzt auch Atzingers Vorgänger Seidl, 18 Abgeordnete statt 22 sind es aktuell. Wieder Stunk, sodass der Neuling erst gar nicht aufgenommen wird?
Ein erster Verdacht ginge glatt in die Richtung, bei der AfD mit ihren Dauerturbulenzen würde einen eh nichts wundern: Atzinger dürfte näher bei der früheren Fraktionsspitze um Katrin Ebner-Steiner stehen? Seit Herbst sind Christian Klingen und Ulrich Singer am Ruder, mit knapper Mehrheit, ihr Lager definierte sich als moderater. Da käme ein Mann der Gegenseite ungelegen? Nein, heißt es aus der Fraktion. Satzungshürden hätten die jetzige Lage verursacht, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit, diese würden schnellstmöglich ausgebessert, "um Herrn Atzinger auch formell in die Fraktion aufnehmen zu können". Derweil könne er an allen Sitzungen teilnehmen.
Anders als üblich ist bei der AfD eine solche Aufnahme kein Selbstläufer, es braucht eine Drei-Viertel-Mehrheit laut Satzung. Die hohe Hürde schuf man einst, da man wohl allen Ernstes mit Überläufern aus der CSU rechnete und sich keine Spitzel einfangen wollte. Nach Informationen der SZ votierten bei einer Abstimmung zwölf Abgeordnete für Atzinger - nicht die nötigen 75 Prozent. Es gab auch ablehnende und ungültige Stimmen. Kritisch beäugt wird von einzelnen womöglich, dass Atzinger Unruhestifter sein könnte. Jedenfalls wurde er bei den Republikanern, für die er 2008 Landratskandidat in Passau war, nach mannigfaltigem Knatsch bis zur angeblichen Handgreiflichkeit ausgeschlossen. An der niederbayerischen AfD-Basis kursiert derweil Groll, ob nicht doch mehr dahinterstecke, dass keine Mehrheit auf Anhieb zustande kam: Geld gehe flöten, Atzingers Wähler würden brüskiert. Es wird sich alles zeigen - wenn die Satzung denn geändert wird.