Heimbewohnerin stirbt nach InsulingabePfleger wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt

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Der Angeklagte Pfleger wird mit Fußfesseln zum Gerichtssaal gebracht.
Der Angeklagte Pfleger wird mit Fußfesseln zum Gerichtssaal gebracht. (Foto: Malin Wunderlich/dpa)
  • Ein an Autismus erkrankter Pfleger wird zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er zwei Heimbewohnerinnen Insulin spritzte und eine starb.
  • Das Gericht sieht keinen Mord, sondern Körperverletzung mit Todesfolge, da der Pfleger die Frauen nur ruhigstellen wollte.
  • Der Richter kritisiert, dass der autistische Pfleger überhaupt in diesem Beruf eingestellt wurde und bemängelt die staatlichen Kontrollmechanismen.
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Die Schwurgerichtskammer des Landshuter Landgerichts hält den Mordvorwurf gegen einen Pfleger mit autistischer Störung, der in seinem Job fehl am Platz gewesen sei, für nicht angemessen – und bemängelt die staatlichen Kontrollmechanismen.

Von Alexander Kappen, Landshut

Man habe es hier „nicht mit einem Serienmörder, Todesengel oder Sensenmann zu tun“, betont der Vorsitzende Richter Ralph Reiter. Vielmehr stelle sich die Frage, „ob die staatlichen Kontrollmechanismen überhaupt funktionieren, wenn man jemanden wie den Angeklagten in diesem Beruf einstellt“, sagt der Richter am Donnerstag bei der Begründung des Urteils. Durch den Fall sei „das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Pflege tangiert“.

Der angeklagte, an einer autistischen Störung leidende Pfleger hatte in den Jahren 2023 und 2024 zwei Bewohnerinnen eines Seniorenheims im Landkreis Freising wegen seiner Überforderung Insulin verabreicht, obwohl es medizinisch nicht indiziert war. Eine der beiden Seniorinnen starb infolge der Insulingabe. Die als Schwurgericht tagende erste Strafkammer des Landshuter Landgerichts verhängt gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren. Begleitend ordnet sie seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie anschließend ein fünfjähriges Berufsverbot an.

Verurteilt wird der 36-Jährige nicht, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, wegen Mordes, sondern wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie in zwei Fällen wegen gefährlicher Körperverletzung. Bei allen drei Taten hatte der Pfleger im Anschluss selbst den Notarzt gerufen. Eine Bewohnerin, die zwar an Diabetes litt, aber zum jeweiligen Zeitpunkt kein Insulin benötigte, konnte bei zwei Gelegenheiten durch den Notarzt gerettet werden. Die andere, nicht an Diabetes erkrankte Frau wurde in eine Klinik gebracht und starb dort ein paar Tage später infolge der Insulingabe an einer Lungenentzündung.

Der Angeklagte hatte eingeräumt, den beiden Heimbewohnerinnen das Insulin gespritzt zu haben. Allerdings ohne Tötungsabsicht. Er habe die umtriebigen und aggressiven Seniorinnen in den betreffenden Nächten lediglich ruhigstellen wollen, weil er mit der Arbeit überfordert gewesen sei. Aufgrund seiner Autismus-Störung habe er mit solchen Stress-Situationen nicht umgehen können, bestätigte auch ein psychologischer Gutachter.

Zum Prozess-Abschluss entschuldigt sich der Pfleger bei den Angehörigen der Opfer. Er habe nur Ruhe schaffen wollen: „Ich sah keine andere Möglichkeit mehr als das Insulin, ich hatte ein Brett vor dem Kopf.“ Er wisse, „dass das keine Entschuldigung ist, aber es ist eine Erklärung“.

Das Gericht hält die Berufswahl des Angeklagten für einen Fehler

Der 36-Jährige kämpft seit seiner Kindheit mit Sprachproblemen, Schwierigkeiten beim Knüpfen sozialer Kontakte und war stets isoliert. 2017 wurde eine Autismus-Spektrum-Störung bei ihm diagnostiziert, 2020 wurde er in dem betreffenden Heim als Pfleger eingestellt. „Im Nachhinein war die Berufswahl ein Fehler“, sagt der Vorsitzende Richter.

Der Pfleger, den einige Zeugen als verschlossen und unnahbar bezeichnet hatten, andere als sehr hilfsbereit und zuverlässig, „ist gewissenhaft und korrekt – aber es darf halt nichts Außergewöhnliches passieren“, sagt der Richter in Bezug auf die vom Gutachter attestierte autistische Störung. In einem Job mit Personalmangel und hoher Fluktuation, in dem er in mancher Schicht als einzige Fachkraft für mehr als 70 Menschen zuständig sei – einem „untragbaren Zustand an der Grenze der Menschenwürde“ – sei der Angeklagte am falschen Ort.

Den Todeseintritt infolge der Insulingabe habe der Angeklagte nicht für möglich gehalten und akzeptiert, „er war laut Gutachten zu so einem Kalkül gar nicht fähig“, sagt der Richter. Seine Steuerungsfähigkeit sei erheblich eingeschränkt gewesen. Da er weiterhin eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstelle, ordnet das Gericht die Unterbringung an.

Die Strafe bleibt knapp über dem Antrag der Verteidigung, die sechs Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge und gefährlicher Körperverletzung sowie die Unterbringung beantragt. Der Staatsanwalt hatte angeführt, der Angeklagte habe die Lebensgefährlichkeit der Insulingabe „erkannt und akzeptiert“ und deshalb elf Jahre wegen Mordes und die Unterbringung gefordert. Die Kammer dagegen meint, eine solche Strafe werde „der Täterpersönlichkeit nicht gerecht“.

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