Einzelhandel:Schafft Bayern Ausnahmen beim Ladenschluss?

Einzelhandel: Sieht so die Zukunft der Nahversorgung auf dem Land aus? In Pettstadt hat Rewe diesen 39 Quadratmeter großen Walk-in Store errichtet, der ohne Personal betrieben wird und täglich rund um die Uhr geöffnet ist.

Sieht so die Zukunft der Nahversorgung auf dem Land aus? In Pettstadt hat Rewe diesen 39 Quadratmeter großen Walk-in Store errichtet, der ohne Personal betrieben wird und täglich rund um die Uhr geöffnet ist.

(Foto: Achim Bachhausen/obs)

Bislang dürfen automatische Supermärkte ohne Personal im Freistaat an Sonn- und Feiertagen nicht öffnen. Die Regierung könnte demnächst von ihrer strengen Haltung abweichen - zumindest ein bisschen.

Von Thomas Balbierer

Peter John wirkt wie ein Mensch, den nichts so leicht aus der Ruhe bringt, nicht einmal die bayerische Bürokratie. Im Sommer will der Geschäftsmann aus Erfurt in Altenthann (Landkreis Regensburg) seinen ersten 24/7-Dorfladen im Freistaat eröffnen. Schon in wenigen Tagen soll der Rohbau von "Emmas Tag & Nacht Markt" laut John stehen, im Juni könnte der Betrieb losgehen. Im 1500-Einwohner-Ort wartet man schon freudig, der nächste Supermarkt liegt im Nachbardorf - endlich wieder eine eigene Einkaufsmöglichkeit.

Doch noch ist gar nicht klar, ob von Johns Konzept, das dank künstlicher Intelligenz wie ein Automat funktionieren soll, nicht nur ein 24/6-Laden übrig bleibt. Denn nach aktueller Rechtslage ist es in Bayern verboten, sogenannte digitale Kleinstsupermärkte an Sonn- und Feiertagen zu öffnen - zum Schutz der öffentlichen Ruhe. Im oberfränkischen Pettstadt musste ein Pilotprojekt des Handelsriesen Rewe deshalb jüngst sonntags schließen, zum Unmut von Kunden und Betreibern.

"Wir werden weitermachen wie geplant", sagt John am Telefon. "Wir halten unsere Versprechen und hoffen, dass man sich auch in Bayern daran hält." Er geht davon aus, dass sich die Fragen bis zum Sommer geklärt haben. Gelassenheit kann der Thüringer für sein Projekt in Bayern gut gebrauchen, das Drama um die Ruhetage hat ihn überrascht. Bei einem Gespräch Anfang April war er noch fest davon überzeugt gewesen, dass sein Geschäft in Altenthann vom Sonntagsverbot nicht betroffen sei. Schließlich komme das Konzept ohne Kassenpersonal aus und sei ein wichtiger Beitrag, um die ländliche Nahversorgung zu stärken. Mit Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger stehe außerdem der Wirtschaftsminister persönlich hinter dem Projekt, sagte John damals. Inzwischen klingt er nicht mehr ganz so sicher, spricht von einer "komplizierten Situation".

Rewe drohte bereits mit dem Aus für das Projekt

Denn trotz der Unterstützung ist Aiwangers Ministerium weder für das Feiertagsgesetz noch für die Ladenöffnungszeiten zuständig - all das liegt in der Hand von CSU-Häusern wie dem Innenministerium. CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder gilt als Gegner einer Liberalisierung des Einzelhandels, weshalb "nicht damit zu rechnen" sei, dass Rund-um-die-Uhr-Märkte wie in Pettstadt und Altenthann demnächst auch an Sonn- und Feiertagen öffnen können, hieß es damals aus dem Wirtschaftsministerium. Rewe drohte daraufhin sogar mit dem Aus für das Projekt in Pettstadt.

Inzwischen scheint die Blockadehaltung in der CSU zu bröckeln. Denn nicht nur Kundschaft und Betreiber drängen auf eine Lockerung für die personalfreien Märkte, auch Bürgermeister und Landtagsabgeordnete aus den betroffenen Regionen machen Druck auf die Regierung. "Unser Ziel ist die Grundversorgung in kleinen Gemeinden im Einklang mit einer klaren Abgrenzung zu normalen Lebensmittelmärkten", teilten die CSU-Abgeordneten Holger Dremel und Stephan Oetzinger vor Kurzem mit, nachdem sie bei Innenminister Joachim Herrmann für eine Ausnahme geworben hatten.

Man wolle den Sonn- und Feiertagsschutz nicht grundsätzlich antasten, versicherten sie - in der CSU will sich bloß niemand an den christlichen Ruhetagen versündigen. "Vielleicht könnten diese Pilotprojekte aber einfach an eine Einwohnerobergrenze oder womöglich an den Zustand der Versorgung in diesem Gebiet geknüpft werden. Dann wäre eine Öffnung an Sonntagen doch wieder denkbar", schlugen die beiden Politiker vor.

Das Innenministerium prüft, ob Ausnahmen möglich sind

Das Innenministerium bestätigt auf Anfrage, dass es die Rechtslage derzeit "unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit im ländlichen Raum" prüft. Wann und mit welchem Ergebnis zu rechnen ist, kann das Ministerium nicht sagen. Von Beteiligten hört man, dass das Problem möglicherweise mit einer Sondergenehmigung gelöst werden könnte. So müsste die Regierung ihre konservative Haltung in Sachen Sonntagsruhe und Ladenschluss nicht grundsätzlich aufgeben, könnte Einkaufsautomaten wie in Pettstadt, Altenthann oder im oberpfälzischen Parkstein trotzdem eine Öffnung an Sonn- und Feiertagen erlauben.

Das Interesse der Bevölkerung scheint jedenfalls hoch zu sein. In Pettstadt übertreffe die Kundenfrequenz alle Erwartungen, lässt Rewe wissen. Auch in den bayerischen Rathäusern gebe es eine große Neugier, sagt Unternehmer Peter John. "Die Bürgermeister rennen uns die Bude ein. Die nächsten Verträge sind quasi unterschriftsreif." Zehn potenzielle Standorte für einen 24/7-Dorfladen habe man bereits im Blick.

Der Thüringer ist zuversichtlich, dass bis zur Eröffnung seines Shops in Altenthann eine gute Lösung auf dem Tisch liegt. Und wenn nicht? "Dann müssen wir uns Gedanken machen, ob wir das Projekt fortsetzen können", sagt John.

Zur SZ-Startseite

MeinungÖffnungszeiten
:Bayerns Regierung hält an hohlen Regeln fest

Ein automatischer Supermarkt darf sonntags nichts verkaufen, weil das gegen das Feiertagsgesetz verstößt? Es ist höchste Zeit, dass Bayern seine unmoderne Haltung aufgibt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: