Debatte im Landtag über neues Gesetz:Opposition dringt auf Korrekturen beim Ladenschluss

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Auch den Einkaufswagen bleibt die Sonntagsruhe in Bayern erhalten – das Einkaufen geht in der Regel nur von Montag bis Samstag.
Auch den Einkaufswagen bleibt die Sonntagsruhe in Bayern erhalten – das Einkaufen geht in der Regel nur von Montag bis Samstag. (Foto: Imago)

Die bisherigen Öffnungszeiten bis 20 Uhr in Bayern werden im Entwurf der Staatsregierung nicht angetastet. Doch etwas anderes löst Unmut aus: Es geht um digital betriebene Mini-Märkte.

Von Johann Osel und Max Weinhold, München/Nürnberg

Das geplante Ladenschluss-Gesetz für Bayern ist am Dienstag erstmals dem Landtag zur Beratung vorgelegt worden – und löste Kritik der Opposition aus. Kürzlich hatte das Kabinett den Entwurf final beschlossen. Kernstück der alles in allem überschaubaren Novelle: Bayern hält als einziges Bundesland neben dem Saarland an seinen strikten Öffnungszeiten fest, Montag bis Samstag bis maximal 20 Uhr. Es gibt aber Änderungen: So sind etwa zusätzliche Einkaufsnächte erlaubt. Und: Digitale Kleinstsupermärkte ohne Personal und mit bis zu 150 Quadratmetern Verkaufsfläche dürfen auf Entscheidung der jeweiligen Kommune durchgängig öffnen, auch sonntags.

Eben hier wurde Korrekturbedarf angemahnt. Die 150 Quadratmeter seien „willkürlich“ und verkennen die ökonomische Realität, sagte Barbara Fuchs (Grüne). „Bei so winziger Verkaufsfläche sind Investitionen und Betrieb nicht wirtschaftlich.“ Die Staatsregierung habe hier wohl nur auf Lobbyisten von Handelsketten gehört, die sich aus den Regionen zurückgezogen hätten. Teils mit viel Engagement würden digital betriebene Märkte dort einspringen. Es gehe nicht um „eine Tüte Gummibärchen“, sondern um die Versorgung der Menschen. Und da drohe „ein altmodisches Ladenhüter-Gesetz“. Johannes Meier (AfD) tadelte, die Staatsregierung bleibe bislang eine Datenbasis zu Verbreitung und Struktur von digitalen Mini-Märkten schuldig. Man könnte das neue Gesetz ja befristen, riet er, mit verpflichtender Evaluation. Doris Rauscher (SPD) mahnte dagegen an, ob es wirklich faire Wettbewerbsbedingungen seien, wenn im Gegenzug Bäcker oder Metzger im Ort an Öffnungszeiten gebunden bleiben.

Arbeits- und Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) nannte die Vorlage im Plenum „ein echtes Chancen-Gesetz“. Es gelinge damit „die Balance verschiedener Interessen und der Schutz wichtiger Interessen“. Es sei ein Gesetz, „das alle mitnimmt“. Für den Entwurf wurden Dutzende Verbände angehört. Felix Locke (FW) sagte zur Kritik der Opposition, diese „sucht das Haar in der Suppe“.

An der Beibehaltung des allgemeinen Ladenschlusses gab es keine Beanstandungen. Auch in den Reihen der Regierungsparteien CSU und FW waren zwischenzeitlich Forderungen dazu aufgekeimt. Die Münchner Stadtverbände der Parteien, aber auch Teile der Jungen Union (JU) regten mehr Spielräume bei der abendlichen Öffnung an. JU-Vertreter rügten dabei barsch „eingefahrene Denkmuster“ ihrer Partei. Der Handelsverband Bayern sah aber im Gesamtbild der Branchen keine Notwendigkeit für eine längere Abendöffnung – wegen des Personalmangels und aus Sorge, dass das Geschäft dadurch nur gestreckt werde. So hatte auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) in der Kabinettsbefassung argumentiert: Am Ende könne sich „der Große“ den Schichtbetrieb leisten, „der Kleine“ nicht – Letzterer überlebe das womöglich nicht.

Über Jahrzehnte hatte sich die Politik im Freistaat überhaupt nicht an das Thema Ladenschluss getraut – auch weil es mit der Frage des Sonntags im katholisch geprägten Bundesland stets emotional aufgeladen war. Die Arbeitnehmersicht kommt dazu. Beim aktuellen Entwurf rügte der Deutsche Gewerkschaftsbund Bayern in seiner Stellungnahme zahlreiche Details: etwa gebe es nun „ohne Not gesundheitsschädliche Nachtarbeit“. Auch SPD-Politikerin Rauscher hinterfragte im Plenum derlei „Aufweichungen“ durch die Novelle. Kommunen dürfen laut dem Entwurf selbständig acht lange Einkaufsnächte im Jahr auflegen, bis Mitternacht, und brauchen dafür keinen Anlass mehr wie ein regionales Fest. Händler dürfen zudem individuell an vier Werktagen pro Jahr länger als 20 Uhr für Aktionen aufsperren; nur eine Benachrichtigung der Gemeinde ist zuvor nötig. Für das Warensortiment von Geschäften in Tourismusorten an Sonntagen soll es zudem mehr Flexibilität geben.

„Für uns ist es einfach nicht erklärbar“, beklagt ein Bürgermeister

Gerade in der Frage der Kleinstsupermärkte gibt es Unmut im Freistaat. Acht Gemeinden haben eine Petition in den Landtag eingebracht, der sich (Stand Dienstag) schon mehr als 14 000 Unterzeichner anschlossen. Sie befürchten eine Versorgungsnot auf dem Land und plädieren für Anpassungen bei den Regeln; eben bei der Begrenzung auf 150 Quadratmeter. Denn mancherorts ist das letzte verbliebene Geschäft größer, wie im unterfränkischen Hohenroth. Die Unterzeichner der Petition fordern, die Fläche zumindest in Gemeinden mit struktureller Unterversorgung auf 399 Quadratmeter zu erweitern. „Für uns ist es einfach nicht erklärbar, warum das nicht geht“, sagt Hohenroths Erster Bürgermeister Georg Straub. Im Gesetzentwurf heißt es dazu, die Begrenzung stelle die „Wettbewerbsneutralität“ sicher und gewähre den Sonn- und Feiertagsschutz, weil sie die Anziehungskraft der Mini-Märkte „auf ein vertretbares Maß“ beschränke und „einen ausufernden Verkauf“ verhindere.

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In Hohenroth stünde mit der Regelung allerdings ein Großteil der Waren an Sonn- und Feiertagen nicht zum Verkauf, die in 24/7-Läden als besonders umsatzträchtig gelten. Der Betreiber deutete deshalb schon an, das Geschäft ohne Gesetzesanpassung womöglich gar nicht zu betreiben, was den Menschen in der Gemeinde die Versorgung erschweren würde. Zumal auch die praktische Umsetzung der Flächenbegrenzung gar nicht so leicht ist. Diese müsse, so der Entwurf, „durch von Kunden nicht zu umgehende bauliche Einrichtungen sichergestellt sein“, etwa automatische Türen. Eine Absperrung wie durch Bänder sei „nicht ausreichend“.

Das Gesetz geht nach der ersten Lesung seinen parlamentarischen Weg, es könnte in den Fachausschüssen durchaus noch verändert werden – der endgültige Beschluss ist im Laufe des Jahres anvisiert.

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