Süddeutsche Zeitung

Aktion in Voggendorf:Sulz hin, Sülze her

Lesezeit: 1 min

Die Freiwillige Feuerwehr Voggendorf hat mit einer Aktion einen beachtlichen Beitrag zur Belebung der Lebensgeister in Krisenzeiten geleistet - und zur kulinarischen Renaissance eines bayerischen Klassikers.

Glosse von Hans Kratzer

Ein Leser hat soeben kundgetan, als Waidler müsse er sich direkt schämen. Sein Unmut wurde von der Freiwilligen Feuerwehr Voggendorf entfacht, die am Wochenende einen beachtlichen Beitrag zur Stärkung der Lebensgeister in der Corona-Krise leistete. Zu diesem Zweck hatten die Feuerwehrler die Aktion Sülzen-to-go ins Leben gerufen. Es war ein Wagnis, immerhin hatte die Pandemie ja bereits im Vorjahr das Kesselfleisch-Essen verhindert. Das Schweinshaxen-Drive-in im Sommer war jedoch vom Erfolg gekrönt. Eine zu forsche Senkung des Cholesterinspiegels der Kunden war somit ausgeschlossen.

Dem sprachkritischen Waidler aber raubte das Wort Sülzen jeden Appetit. "Der Schnee ist ja auch sulzig und nicht sülzig", belferte er, wobei er zugeben musste: "Nichts geht über eine deftige Sulz." Die Sülze geriet schon einmal in die Schusslinie von Sprachsensiblen. Nachdem die Staatenlenker Merkel und Sarkozy 2008 in Straubing den Weltenlauf erörtert hatten, speisten sie in einem Gasthof, in dem ihnen Tafelspitzsülzchen serviert wurden. "Bei uns heißt das Sulz", moserte damals halb Straubing, nachdem das Menü öffentlich gemacht worden war.

Die Sulz stammt aus einer Zeit, in der sich das Gelüst der Konsumenten nicht nur auf die Lende und das Filet vom Schwein konzentrierte. Früher wurden selbst aus Schweinsköpfen Sulzen gefertigt. Sülze sagt man eher im Norden und Osten, wo sich selbst die vegane Tageszeitung taz zu einem Lobpreis hinreißen ließ, die Köchin Sieglinde Schwallenhöfer zitierend, die schon im 19. Jahrhundert ihre Knöcherlsulz als Wundermittel pries: "Sülze ist die einzige Speise, durch die eine Dame immer schöner wird."

Solche Wahrheiten sind heute schwer zu vermitteln. Und doch war die Aktion der Voggendorfer Feuerwehr - Sulz hin, Sülze her - von einem satten Erfolg gekrönt. Die Lokalblätter berichteten, die "Sülzen-to-go"-Ausgabe sei wie am Schnürchen gelaufen. Vielleicht forciert die Voggendorfer Sulz ja eine kulinarische Renaissance. Kalbsfiass und Hirnsuppe, Entenjung und Presssack, Leber- und Blutwürste eröffnen geschmacklich beste Voraussetzungen für neue To-go- und Drive-in-Aktionen. Verbraucher mit Reizmägen können ja, wenn der Darm brennt, jederzeit die Feuerwehr rufen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5213641
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.02.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.