Problematische Schatzsuche:"Raubgräber begehen kein Kavaliersdelikt"

Problematische Schatzsuche: Werner Friedenberger, Journalist, Bodendenkmalretter und Gründer des Museumsvereins in Künzing.

Werner Friedenberger, Journalist, Bodendenkmalretter und Gründer des Museumsvereins in Künzing.

(Foto: Privat)

Bayern will zum Schutz seiner Bodendenkmäler ein Schatzregal einführen. Fachleute wie Werner Friedenberger bezweifeln, dass das Glücksritter mit Metallsonden abschreckt. Er hat einen anderen Vorschlag.

Interview von Hans Kratzer

Der Journalist Werner Friedenberger hat sich um die Bodendenkmalpflege verdient gemacht. 1990 gründete er den Künzinger Museumsverein, dem damals auch Bundespräsident Roman Herzog (1994-1999) beitrat. Unter Friedenbergers Ägide errichtete die Gemeinde das 2001 eröffnete Museum Quintana, in dem die Schätze der Vergangenheit, die in den Böden rund um Künzing entdeckt wurden, zum Teil präsentiert werden konnten.

Die niederbayerische Ortschaft ist ein historisches Phänomen. Funde von der Jungsteinzeit über die Römerzeit bis hin zu den Bajuwaren kamen dort zum Vorschein, die Region ist seit 7000 Jahren ununterbrochen besiedelt. Nach der Entdeckung eines Kastellvicus und eines römischen Amphitheaters zählt Künzing als Teil des Donaulimes heute sogar zum Weltkulturerbe. Die Schattenseite des Ruhms: Die Felder rund um Künzing werden regelmäßig von Raubgräbern heimgesucht, die hier fette Beute wittern. Das Schatzregal, das Bayern nun als letztes Bundesland einführen will, soll die Raubzüge im Boden beenden. Es besagt, dass alle Bodenfunde künftig dem Staat gehören und nicht mehr hälftig dem Finder und dem Grundbesitzer. Friedenberger glaubt nicht, dass sich dadurch etwas ändern wird.

SZ: Herr Friedenberger, Fachleute haben es seit vielen Jahren gefordert, nun hat sich auch Bayern zur Einführung eines Schatzregals durchgerungen. Werden der Raub und die Zerstörung von Bodendenkmälern jetzt ein Ende finden?

Friedenberger: Unser archäologisches Erbe wird weiterhin verschwinden; da springt die Katze auf den gleichen Füßen. Mit der alten Regelung haben die Raubgräber die Bauern bestohlen, jetzt plündern sie halt das Eigentum des Staats.

Warum zweifeln Sie an der Wirksamkeit des Schatzregals?

Dass Raubgräber mit ihren Metallsonden auf den im Bayerischen Denkmalatlas geschützten Flächen nichts zu suchen haben, war schon vorher gesetzlich geregelt. Dafür brauchte es kein Schatzregal. Entscheidend ist auch, was sich neben einer geschützten Fläche tut - diese ist wissenschaftlich oft ebenso ertragreich. Wenn es nach dem Landesamt für Denkmalpflege geht, ist der sogenannte "Nähebereich" (mehrere hundert Meter) von jeglicher Suche mit einer Metallsonde auszusparen. Vom Schreibtisch aus lässt sich das leicht sagen, unter freiem Himmel schaut das anders aus. Im Klartext: Raubgräber sind längst im 21. Jahrhundert angekommen, die amtliche Denkmalpflege befindet sich bei der Bekämpfung des Raubgräbertums aber noch in der Steinzeit.

Was sollte dann stattdessen geschehen?

Der Schlüssel für die Eindämmung der Raubgräber-Pandemie liegt nicht, wie es uns Denkmalpfleger und Kulturpolitiker glauben machen wollen, in der Einführung eines Schatzregals. Das ist meiner Ansicht nach ein stumpfes Schwert. Der Schüssel liegt in der Ausweitung des Denkmalatlasses. Ich appelliere an den Kultusminister, den Welterbekulturort Künzing komplett in den Denkmalatlas aufzunehmen. Markus Blume weiß, was auf dem Spiel steht. Er selbst besuchte heuer das Archäologische Museum Quintana in Künzing und überreichte dort die Welterbeurkunde.

Was würde sich durch die Aufnahme Künzings in den Denkmalatlas ändern?

Es wäre der wirkungsvollste Hebel, um den Raubgräbern Einhalt zu gebieten. Bis jetzt sind die kartierten Flächen in und um Künzing im Bayerischen Denkmalatlas ein großer Fleckerlteppich. Gerade auf den Flächen, die nicht in der roten Zone sind, gibt es aber haufenweise archäologische Funde. Es ist schwer, die Raubgräber dort fernzuhalten. Man stelle sich das so vor: Künzing steht auf der Welterbeliste der Unesco - und das Landesamt für Denkmalpflege rührt keinen Finger, um die Gemeinde komplett unter Schutz zu stellen, obwohl der Welterbetitel erst recht Raubgräber anlockt. Helfen würde, wenn das Landesamt die komplette Gemarkung Künzing als Bodendenkmal kartiert. Durch dieses Wegschauen spielt das Landesamt den Raubgräbern in die Hände, lädt quasi zum Tag der offenen Tür ein und stellt mit ihrer Kartierung, die reinste Flickschusterei, auch noch den Wegweiser für die Raubgräber auf.

Was müsste nun konkret geschehen?

Es gäbe zwei Möglichkeiten. Will man die Sondengeherei bayernweit unterbinden, ist der Gesetzgeber gefragt. Illegale Sondengeherei müsste - so wie bei der Fischwilderei - unter Strafe gestellt werden. Zweitens, punktuell auf die Gemarkung Künzing bezogen, hat allein das Landesamt für Denkmalpflege das Sagen. Ein paar (für den Steuerzahler) kostenlose Klicks mit der Computermaus im Denkmalatlas - und der Welterbeort Künzing wäre für Raubgräber tabu.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Raubgräbern gemacht?

In all den Jahrzehnten, in denen ich mich der Heimatforschung und Museumsarbeit widme, habe ich noch keinen einzigen Raubgräber getroffen, der sich reumütig zeigte und die Funde ablieferte, keinen einzigen. Im Gegenteil. Einmal verscheuchte ich einen Raubgräber vom Feld. Er hatte einen Metalldetektor dabei so groß wie eine Toilettenschüssel. Patzig gab er mir zur Antwort, dass er diese Funde verkaufen müsse, denn schließlich habe die Sonde über 1200 Euro gekostet . . .

Steckt hinter diesem Treiben ausnahmslos kriminelle Energie?

Manche Raubgräber entwickeln perfide Strategien, um von den Bauern die Genehmigung zu erhalten, auf den Feldern mit Metallsonden gehen zu dürfen. Sie fahren vor die Haustür und öffnen den Kofferraum: Darin finden sich Fragmente von Pflugscharen, von Eggen, alte Schraubenschlüssel, Blechdosen . . . Der Raubgräber spielt sich als Retter auf und sagt dem Bauern: "Das alles habe ich auf deinem Feld gefunden. Wäre es in den Mähdrescher, Maishäcksler oder Rübenvollernter geraten, hättest du wohl einen größeren Maschinenschaden . . . " Raubgräber begehen aber kein Kavaliersdelikt: Illegale Sondengeherei ist nichts anderes als Wilderei.

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